Faktencheck

Frankreich dementiert Entsendung von Fremdenlegion in die Ukraine

Auf X wird behauptet, Frankreich habe im Mai 2024 Soldaten seiner Fremdenlegion in die Ukraine entsandt. Doch das Verteidigungsministerium dementiert und für die Behauptung finden sich auch sonst keine Belege.

von Max Bernhard

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Angeblich soll Frankreich Soldaten der Fremdenlegion in die Ukraine geschickt haben. Doch das Verteidigungsministerium dementiert und auch sonst fehlen Belege. (Quelle: Patrick Lefevre / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Frankreich habe Soldaten aus dem 3. Infanterie-Regiment der Fremdenlegion in die Ukraine entsandt.
Bewertung
Unbelegt. Das französische Verteidigungsministerium dementierte die Behauptung. Als einzige Quelle dient ein Newsletter-Beitrag. Dessen Verfasser beruft sich auf einen X-Beitrag des russischen Staatssenders Sputnik – und gibt selbst an, er wisse nicht, ob die Information stimmt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat schon mehrmals betont, die Möglichkeit, Truppen in die Ukraine zu entsenden, dürfe nicht von vornherein ausgeschlossen werden. „Wenn die Russen die Frontlinien durchbrechen würden, wenn es ein ukrainisches Ersuchen gäbe, was heute nicht der Fall ist“, dann „müssten wir uns diese Frage zu Recht stellen“, erklärte er zuletzt Ende April in einem Interview mit der britischen Wochenzeitung The Economist. Olaf Scholz schließt die Entsendung von Bodentruppen aus.

Im Netz verbreitet sich Anfang Mai nun die Behauptung, Frankreich habe tatsächlich Macrons Worten Taten folgen lassen: „Frankreich hat offiziell erste Truppen in die Ukraine entsandt. Sie werden zur Unterstützung der 54. Brigade in Slawjansk eingesetzt. Die Soldaten stammen aus dem 3. Infanterieregiment, der Légion étrangère, der Fremdenlegion“, schreibt der X-Account „Zentrale Ermittlungsstelle“ am 5. Mai. Der Account teilte schon mehrfach Desinformation zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Sein aktueller Beitrag wurde knapp tausend Mal geteilt und hunderte Male kommentiert. Auch in anderen Beiträgen und international wird die Behauptung verbreitet.

Diese Meldung ist falsch, wie das französische Verteidigungs- und Außenministerium erklären.

Ein Beitrag auf X mit der Behauptung hat hunderte Shares und Kommentare (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Französisches Verteidigungsministerium dementiert Entsendung von Truppen in die Ukraine 

Die Pressestelle des Verteidigungsministeriums schrieb CORRECTIV.Faktencheck auf Nachfrage, dass sich aktuell keine Soldaten der französischen Armee auf ukrainischem Boden befänden. Wo französische Soldaten aktuell tätig seien, sei auch auf einer Karte auf der Webseite des Ministeriums zu sehen. Auch das Außenministerium dementierte auf X und schrieb: „Desinformationskampagnen über Frankreichs Unterstützung für die Ukraine lassen nicht nach.“

Das französische Außenministerium bezeichnete auf X die Berichte zu Truppen in der Ukraine als Desinformation (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In Frankreichs Fremdenlegion dienen Freiwillige aus unterschiedlichen Ländern. Sie sind Teil des französischen Heers und nehmen an Missionen der Armee teil, zum Beispiel an Auslandseinsätzen. Das 3. Regiment der Fremdenlegion ist laut Angaben des Verteidigungsministeriums in Französisch-Guayana stationiert.

Auslandseinsätze sind in Artikel 35 der französischen Verfassung geregelt. Demnach müsste die Regierung das Parlament spätestens drei Trage nach Beginn eines Einsatzes über ihren Beschluss, Streitkräfte im Ausland einzusetzen, unterrichten.

Eine Google-Suche nach eventuellen Medienberichten liefert keine Ergebnisse zu einem angeblichen Einsatz.

Ursprung ist ein  Newsletter-Autor, der sich auf unbelegte russische Quellen beruft 

Der Beitrag mit der Behauptung auf X enthält einen Link zu einem Artikel der Online-Publikation Asia Times. Als Autor ist ein Mann namens Stephen Bryen angegeben. Unten auf der Seite findet sich ein Hinweis, dass der Text von dessen Newsletter übernommen wurde. Quellen für Bryens Behauptung sind nicht angegeben. Auf Nachfrage schreibt Bryen, dass seine ursprüngliche Quelle ein X-Beitrag des russischen Staatssenders Sputnik gewesen sei. Ob dieser Bericht korrekt sei, wisse er nicht, er bleibe aber bei seiner Interpretation: „Ich glaube nicht, dass ich durch diese russischen Berichte reingelegt wurde.“ In seinem Text ist von diesen Unsicherheiten nichts zu lesen.

In Deutschland ist der X-Beitrag von Sputnik, auf den sich Bryen beruft, nicht abrufbar. Der russische Sender wurde 2022 wegen Falschinformationen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in der EU gesperrt.

Bryen nannte ursprünglich in einem Newsletter-Beitrag dazu noch weitere Quellen: den prorussischen Blog topwar.ru, der bereits in der Vergangenheit Falschinformationen verbreitete und eine Facebook-Seite, die sich als „Spieleplattform […] für Comedy und Meinungen“ bezeichnet. Inzwischen hat Bryen die Links zu diesen Seiten wieder gelöscht.

Ein Redakteur der Asia Times schickte nach Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck unkommentiert einen Link zu einer Stellungnahme mit dem Titel „Nichts Absurdes an unserem Artikel über die Fremdenlegion.“ Darin heißt es, man habe den Text, inklusive Titel, inzwischen zweimal aktualisiert und Quellen hinzugefügt.

Der Titel lautet nun „Frankreich schickt Truppen in die Ukraine: Russischer Bericht“ statt „Frankreich entsendet Kampftruppen an die ukrainische Kriegsfront“.

Bei den hinzugefügten Quellen handelt es sich um den X-Beitrag von Sputnik, und einen Text auf „pravda-en.com“ – einer Webseite die zu einem russischen Desinformationsnetzwerk gehört. Der Text wiederum beruft sich auf einen Bericht des pro-Kreml TV Senders Tsargrad.

„Unabhängig davon, ob die russischen Quellen richtig oder falsch lagen,“ könne Bryens Artikel „nicht als vorsätzliche, böswillige ,Fake News‘ bezeichnet werden,“ heißt es in der Stellungnahme von Asia Times.

Keine Belege für „hohe Anzahl“ von Nato-Soldaten in der Ukraine

Laut einem Kommentar der Kyiv Post verbreitete Bryen in der Vergangenheit mehrfach prorussische Narrative. Darunter waren laut einem Faktencheck von Vox Ukraine  unbelegte Behauptungen von Bryen, dass die USA die Stadt Lwiw im Falle einer Niederlage der Ukraine zur Hauptstadt machen wolle.

Erst im April hatte Bryen behauptet, dass Nato-Soldaten in der Ukraine seien. „Soldaten aus Polen, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Finnland und anderen Nato-Mitgliedern treffen in größerer Zahl ein,“ schrieb er damals in einem Newsletter-Beitrag. Auch hierfür finden sich keine Belege. Bryen beruft sich in einem Kommentar dazu wieder auf russische Medien. Experten erklärten uns im Juni 2023, es sei unwahrscheinlich, dass eine hohe Anzahl ausländischer Söldner oder gar Nato-Soldaten in der Ukraine seien.

Von russischer Seite wird immer wieder unterstellt, dass Soldaten westlicher Länder in der Ukraine kämpfen. Bisher stellten sich diese Behauptungen immer als falsch oder unbelegt heraus, wie CORRECTIV.Faktencheck schon mehrfach berichtete.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Steffen Kutzner, Sophie Timmermann 

Update, 10. Mai 2024: Wir haben den Text um eine Antwort der Asia Times ergänzt, die uns nach Veröffentlichung erreichte.

Korrektur, 10. Mai 2024: Wir haben im Text korrigiert, dass der X-Beitrag von Sputnik innerhalb der EU nicht abrufbar ist. Er wurde jedoch nicht gelöscht, wie ursprünglich angegeben.