Europawahl 2024: Fotos von X-Account entlarven Behauptungen zu angeblichem Wahlbetrug als erfunden
Am Tag der Europawahl behauptete ein X-Account namens „Ketzchen“, als Wahlhelfer Stimmzettel mit einem Kreuz für die AfD entsorgt zu haben. Die dazu verbreiteten Fotos entlarven das jedoch als Lüge. Laut Bundeswahlleiterin gibt es keine Belege für Wahlmanipulationen.
Im Zuge der Europawahl am 9. Juni 2024 behaupteten auf X mehrere Nutzerinnen und Nutzer als Wahlhelfer Stimmabgaben zu Ungunsten der AfD manipuliert zu haben. Drei solcher Fälle haben wir bereits geprüft (hier, hier und hier) – alle haben sich als nicht ernst gemeint herausgestellt.
Auch ein X-Account namens „Ketzchen“ veröffentlichte am Wahltag mehrere Beiträge zu einem angeblichen Wahlbetrug. Der Account und die Beiträge sind mittlerweile gelöscht; doch Screenshots davon kursieren auf X (hier und hier) und Tiktok und erreichten über 60.000 Aufrufe. „Ketzchen“ schrieb darin, als Wahlhelfer „37 Wahlzettel“ mit Kreuz bei der AfD aus der Urne gefischt und entsorgt, andere AfD-Stimmzettel geschreddert und mehrere Wahlbriefe für die AfD „rausgenommen“ zu haben. Zu den letzteren beiden Behauptungen teilte der Account Fotos seiner angeblichen Aktion. Wo genau die Person als Wahlhelfer im Einsatz gewesen sein will, bleibt unklar.
Fotos entlarven Beiträge zu Wahlbetrug mit AfD-Stimmen als Fake
Doch an den Beiträgen passt einiges nicht zusammen. Zunächst zu der Behauptung mit der Briefwahl: Auf dem Foto, das angeblich Briefe mit Stimmzetteln für die AfD zeigen soll, sind noch verschlossene rote Wahlbriefumschläge zu sehen. An diesen Umschlägen lässt sich nicht erkennen, für welche Partei gestimmt wurde, denn diese Information findet sich nur auf dem Stimmzettel in einem weiteren gesonderten blauen Wahlumschlag.
Eine Bilder-Rückwärtssuche zeigt außerdem: Das Foto von den Walhbriefen ist nicht aktuell, es findet sich seit 2018 in Medienberichten und stammt von einem Fotografen der Deutschen Presseagentur. Zu sehen sind laut Bildbeschreibung mehrere Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die Wahlbriefe während der damaligen bayerischen Landtagswahl sortieren.
Auch die beiden Fotos – die laut „Ketzchen“ einen Wahlschein im Wahllokal vor und nach dem Schreddern zeigen sollen – sind nicht am Tag der Europawahl entstanden. Das Foto von dem Wahlschein findet sich bereits vier Tage vor der Wahl in der ARD-Audiothek. Eine Suche bei Picture Alliance, der Fotodatenbank der DPA, zeigt zudem, dass es sich nur um einen Ausschnitt eines Fotos handelt, das laut Beschreibung schon am 16. Mai 2024 aufgenommen wurde. Bei dem Foto des angeblich geschredderten Wahlscheins handelt es sich um ein Stockfoto, sprich ein Symbolbild. Durch die Bildbeschreibung – und auch bei näherer Betrachtung – wird klar, dass es sich zwar um beschriebenes Papier handelt, das geschreddert wurde, aber nicht um Stimmzettel.
Keine Auffälligkeiten bei den Wahlvorständen laut Bundeswahlleiterin
Auch für die letzte Behauptung, dass 37 Wahlzettel aus der Urne gefischt und entsorgt wurden, gibt es keinerlei Belege. Bereits am Tag der Wahl reagierte die Bundeswahlleiterin auf X auf die Beiträge zu angeblichem Wahlbetrug: „Kein Wahlvorstandsmitglied entscheidet allein oder ist mit den Wahlunterlagen allein. Der Wahlvorstand umfasst sieben bis neun Personen; damit ist eine Manipulation durch Einzelne ausgeschlossen.“ Weiter schrieb sie, eine Behauptung in einem Post sei kein Beleg für tatsächliche Wahlmanipulation.
Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck schrieb eine Sprecherin der Bundeswahlleitung am 11. Juni 2024, dass weiterhin keine Auffälligkeiten bei den Wahlvorständen bekannt seien und keine Belege für entsprechende Behauptungen vorlägen.
Alle Faktenchecks zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas