Europawahl 2024: Youtube-Video liefert keine Belege für Wahlbetrug in München
Ein Youtuber behauptet, er könne mehrere Fälle von Wahlbetrug in München belegen. Doch die angeblichen Beweise sind alle frei erfunden oder unbelegt.
Von einer „unglaublichen Blitzmeldung“ will ein Youtuber berichten: Er habe gleich mehrere Beweise dafür, dass in München bei der Europawahl betrogen worden sei, behauptet er am 11. Juni 2024. Das Video landete mehrfach auf Tiktok.
Doch in den folgenden gut acht Minuten liefert er keine Beweise, sondern hauptsächlich Screenshots von Beiträgen aus Sozialen Netzwerken, die sich als frei erfunden, falsch oder unbelegt herausstellen.
Mehrere Fälle entpuppen sich als Parodie, ein anderer ist bereits aus 2021 und war damals schon falsch
Der Reihe nach. Bei Minute 4:30 zeigt der Youtuber den Screenshot einer Whatsapp-Unterhaltung. Darin behauptet eine Person zu dem Foto eines AfD-Stimmzettels: „Hoppla, da ist beim Auszählen wohl etwas unter den Tisch gefallen“. Doch schon die Uhrzeit macht stutzig: Angeblich habe die Unterhaltung schon um 16 Uhr stattgefunden – Auszählung war aber erst um 18 Uhr. Hinter dem Beitrag steht ein Parodie-Account, wie wir hier recherchiert haben. Warum die angebliche Whatsapp-Konversation etwas mit München zu tun haben soll, sagt der Youtuber nicht. Der Stimmzettel stammt aus Baden-Württemberg.
Ähnlich im zweiten Fall, der ab Minute 5:25 gezeigt wird. In einem X-Beitrag behauptet jemand, er würde AfD-Stimmen durch einen Strich auf dem Zettel ungültig machen. Auch dieser Beitrag wurde einige Stunden vor der Auszählung veröffentlicht. Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck schrieb der Nutzer, dass sein Beitrag „offensichtlich nicht“ ernst gemeint war . Es habe sich um „Satire, in Bezug auf das andauernde ‚Wahlbetrug‘-Geschreie der Twitter-‚Nazi/AfD‘-Bubble“ gehandelt.
Beim dritten Fall, den der Youtuber ab Minute 6:20 zeigt, wird eine andere Ortsangabe genannt: Es geht um Sachsen-Anhalt. Auf X behauptet jemand, er würde AfD-Stimmen „gegebenenfalls“ entwerten. Der Tweet stammt schon aus 2021 und bezog sich auf die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Damals schrieb uns die dortige Landeswahlleitung, es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben. Der Beitrag beinhaltete ursprünglich auch noch ein Foto, das Wahlhelfende bei der US-Wahl 2020 zeigte.
Vierter und Fünfter Beitrag zu angeblichem Wahlbetrug waren offenbar satirisch gemeint
Im vierten Fall – im Video ab Minute 7 zu sehen – geht es um eine Konversation auf X. Zwei angebliche Wahlhelfer tauschen sich darin offenbar über Betrug aus. Beide sagten uns gegenüber: Sie seien keine Wahlhelfer gewesen und hätten ihre Beiträge satirisch gemeint. Einer schrieb außerdem: Er ärgere sich sehr, dass er mit seinem Beitrag womöglich Schaden angerichtet und „Wasser auf die Mühlen der Rechten gekippt habe“.
Der fünfte Fall ab Minute 7:50 zeigt einen X-Beitrag, der mittlerweile bereits gelöscht ist. Darin hieß es zum Foto eines Wahlzettels, auf dem die AfD angekreuzt war: „Es schmerzt, solche Zettel zu sehen, aber es erfüllt mit Genugtuung, ihn verschwinden zu lassen“. Der X-Nutzer war für uns nicht erreichbar. Doch ein Blick auf sein Profil zeigt, dass er häufig Beiträge veröffentlicht, die offenbar nicht ernst gemeint sind. Der Stimmzettel stammt nicht aus Bayern, wie ein Vergleich mit dem dortigen Musterstimmzettel zeigt.
Wahlleitung in München und Bundeswahlleitung sind derartige Fälle nicht bekannt
Die Wahlleitung München schreibt auf Anfrage, keiner der genannten Fälle sei dort bekannt. Es würden auch keine Hinweise darauf vorliegen, dass AfD-Stimmen ungültig gemacht worden seien, Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter vor Ort hätten keine Unstimmigkeiten gemeldet. Die Wahlleitung betont auch: Alle Stimmzettel würden bei der Auszählung von mehreren Mitgliedern des Wahlvorstands überprüft, „was Manipulationen praktisch ausschließt“. Zusätzlich würden die Ergebnisse auf rechnerische Richtigkeit und Auffälligkeiten im Wahlverhalten überprüft. Auch dabei seien keine Unstimmigkeiten festgestellt worden.
Auch die Landeswahlleitung Bayern betont: „Einer möglichen Verfälschung des Wahlergebnisses bei der Auszählung der Stimmen durch den Wahlvorstand stehen umfassende Vorkehrungen entgegen.“ Etwa, dass die Landeswahlleitung prüfe, wie viele ungültige Stimmen es in den jeweiligen Wahlbezirken gibt und ob es dabei Auffälligkeiten gab. Diese Prüfung laufe noch bis 26. Juni, bisher seien keine Auffälligkeiten bekannt.
Aus dem Büro der Bundeswahlleiterin hieß es auf Anfrage zu den vier aktuellen Beiträgen: „Es sind keine Auffälligkeiten hinsichtlich der eingesetzten Wahlvorstände bekannt“. Videos oder anderweitige Belege für entsprechende Behauptungen würden nicht vorliegen.
Der Youtuber antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck.
Alle Faktenchecks zur Europawahl finden Sie hier.
Redigatur: Paulina Thom, Matthias Bau
Update, 20. Juni 2024: Wir haben eine Antwort der Landeswahlleitung Bayern ergänzt.