Faktencheck

Video: Zelte von Asylsuchenden wurden in Irland geräumt, nicht in Frankreich

Ein Video, das zeigen soll, wie Zelte von Geflüchteten in Frankreich geräumt werden, sorgt auf Instagram für rassistische Kommentare. Ähnliche Aktionen wünschen sich einige Nutzer auch in Deutschland. Das Video stammt jedoch nicht aus Frankreich, sondern aus Irland. Die Aktion stieß dort teilweise auf Kritik.

von Matthias Bau

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Auf Instagram verbreitet sich ein Video über provisorische Unterkünfte – angeblich von Asylsuchenden in Frankreich. Nutzerinnen und Nutzer hinterließen rassistische Kommentare. (Quelle: Instagram; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige, wie in Frankreich Zelte von Asylsuchenden entfernt wurden, während diese in Busse „verfrachtet“ und an einen unbekannten Ort gebracht worden seien.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video zeigt nicht Frankreich, sondern Irland. In dessen Hauptstadt Dublin räumten Behörden im Mai 2024 die Zelte von Asylsuchenden unter anderem an einem Kanal, weil ihnen laut Medienberichten stattdessen feste Unterkünfte angeboten werden sollten.

Auf Instagram verbreitet sich Anfang Juni ein Video, das die Vertreibung von Asylsuchenden von einem Platz in Frankreich zeigen soll. Ein mobiler Kran entfernt schwarz rote Zelte. Dazu heißt es: „Heute Morgen werden Zelte aus dem Kanal entfernt, während Asylsuchende in Busse verfrachtet und an einen unbekannten Ort gebracht werden“, dazu ist eine Frankreichfahne zu sehen.

Mehr als 6.000 Nutzerinnen und Nutzern gefällt der Beitrag. Einige nehmen das Video als Anlass, um in den Kommentaren Stimmung gegen Asylsuchende zu machen: „Keiner will sie hier“, „Bitte auch in Deutschland“ und „Lass Frankreich wieder Frankreich werden“. 

Das Video stammt allerdings nicht aus Frankreich und die Menschen sollten danach in anderen Unterkünften unterkommen.

Dieses Instagram-Video stammt nicht aus Frankreich, sondern aus Irland
Dieses Instagram-Video stammt nicht aus Frankreich, sondern aus Irland (Quelle: Instagram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video wurde in Irland aufgenommen, nicht in Frankreich

Das Unternehmen Breffni, dessen Fahrzeug im Video zu sehen ist, hat seinen Sitz in Irland. Medienberichte von Irish Times, The Guardian und The Irish Sun von Mai 2024 zeigen Fahrzeuge des Unternehmens, wie sie in Dublin unter anderem am Grand Canal Zelte von Asylsuchenden entfernen. 

Mit diesen Hinweisen konnten wir den exakten Aufnahmeort des Videos rekonstruieren. Es wurde am Percy Place am Grand Canal Lock C2 mit Blick auf das Gebäude des Energieversorgers Bord Gáis Energy aufgenommen. Das ist gut an der markanten Glasfassade zu erkennen.

Sowohl die Glasfassade des Gebäudes im Hintergrund (rote und blaue Markierung), als auch die Anordnung der Markierung auf der Straße, des Bordsteins und dem dahinter liegenden Mäuerchen (grüne Markierung) stimmen auf Google Maps mit denen im Instagram-Video überein
Sowohl die Glasfassade des Gebäudes im Hintergrund (rote und blaue Markierung), als auch die Anordnung der Markierung auf der Straße, des Bordsteins und dem dahinter liegenden Mäuerchen (grüne Markierung) stimmen auf Google Maps mit denen im Instagram-Video überein (Quelle: Google Maps, November 2022 / Instagram; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Aus Mangel an Unterkünften mussten Geflüchtete in Dublin in Zelten übernachten

Wie der Guardian berichtet, habe es provisorische Lager wie jenes am Kanal seit mehr als einem Jahr gegeben. Grund sei ein Wohnungsnotstand in Dublin, wodurch nicht genug Unterkünfte für ankommende Asylsuchende bereitstehen. Laut der Irish Times seien Zelte von männlichen Geflüchteten entlang des Grand Canal von Mitarbeitenden der Kanalbewirtschaftung, der Nationalpolizei, Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes und verschiedener Hilfsorganisationen in mehreren Aktionen geräumt worden. The Irish Sun berichtete Mitte Mai bereits von einer ähnlichen Räumung in Dublin. An welchem Tag genau die Räumung aus dem Instagram-Video stattfand, ist unklar. 

Die Geflüchteten hätten laut dem Medienbericht vor der Räumung E-Mails mit Unterkunftsangeboten bekommen. Sie sollten öffentliche Busse des Nahverkehrs nutzen, um dorthin zu gelangen. Laut den Berichten stießen diese Aktionen auch auf Kritik. Manche Betroffene hätten keine Anschlussunterbringung bekommen oder die „menschenunwürdige“ Vorgehensweise beklagt. Der Guardian bewertete eine vorherige Räumung als Wahlkampfmanöver vor der Europawahl, die im Juni stattfand. 

Auch in Frankreich gehen die Behörden immer wieder gegen Geflüchtete und deren provisorische Unterkünfte vor. Zuletzt geriet die französische Hauptstadt Paris in die Schlagzeilen, weil sie Zelte von Geflüchteten am Pariser Rathaus räumen ließ. 

Redigatur: Sophie Timmermann, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Artikel der Irish Sun vom 15. Mai 2024, „Number of tents pitched at Grand Canal grows to nearly 60 in less than week as Tanaiste issues ‘not a good idea’ message“: Link
  • Artikel der Irish Times vom 21. Mai 2024, „Around 40 tents pitched on Grand Canal in Dublin hours after clearance operation“: Link
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