Nein, es wurde kein 600 Euro teurer Führerschein für Fahrräder ab 2025 beschlossen
Ab Januar 2025 soll es nicht nur eine neue Steuer auf Fahrräder geben, sondern auch eine Führerscheinpflicht. Mehrere hundert Euro soll das insgesamt kosten – das wird zumindest online behauptet. Aber das ist frei erfunden.
Glaubt man Beiträgen auf Tiktok und Facebook, gibt es ein neues Gesetz, das ab Januar 2025 einen 600 Euro teuren Führerschein für Fahrräder vorschreibt. Auch eine Fahrradsteuer in Höhe von 120 Euro pro Jahr oder 240 Euro für E-Bikes soll fällig werden. Auf Instagram heißt es, man benötige ebenso einen Führerschein für E-Scooter. Die Beiträge erreichten mehr als eine Million Aufrufe. Kommentare darunter zeigen: Manche nehmen die Meldung ernst, andere sind skeptisch.
Wir haben beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr nachgefragt, ob ein Fahrrad- oder E-Scooter-Führerschein beschlossen oder geplant ist. Eine Sprecherin des Ministeriums schrieb uns, dass es weder für Fahrräder noch für Elektrokleinstfahrzeuge, zu der laut Webseite des Ministeriums auch E-Scooter zählen, eine Führerscheinpflicht gebe. „Änderungen sind nicht geplant“, schrieb die Sprecherin. Sie verwies auf die Fahrerlaubnisverordnung; dort ist in Paragraph 4 festgehalten, für welche Kraftfahrzeuge man keine Fahrerlaubnis braucht.
Für Fahrräder gibt es zwar Führerscheine, die haben aber lediglich Symbolcharakter und werden im Rahmen der Verkehrserziehung an der Grundschule ausgestellt. Für die meisten Elektrofahrräder braucht man ebenfalls keinen Führerschein. Nur für sogenannte S-Klasse-Pedelecs, deren Motor auf bis zu 45 km/h beschleunigen kann, braucht man einen Führerschein, weil sie als Kleinkrafträder gelten, wie der ADFC schreibt. Solche Pedelecs müssen auch zugelassen und mit einem Kennzeichen versehen werden. Dasselbe gilt laut ADAC für E-Bikes, die allein durch den Motor auf 25 km/h beschleunigen können.
Die Berliner AfD-Fraktion hatte im August 2020 vorgeschlagen, dass es eine Führerscheinpflicht für alle Menschen, die Fahrrad fahren, geben solle. Wer keinen anderen Führerschein oder an der Grundschule keine Fahrradschulung durchlaufen habe, müsse durch eine theoretische Prüfung „Kenntnisse zu den grundlegenden, für den Radverkehr bedeutsamen Verkehrsregeln nachweisen“ und den Fahrradführerschein dann bei sich führen, so der Vorschlag. Über etwaige Kosten steht in dem Antrag nichts. Der Antrag wurde von der AfD zurückgezogen, bevor er im Berliner Parlament besprochen werden konnte. Wir haben die AfD-Fraktion nach dem Grund gefragt, erhielten aber keine Antwort. Die Führerscheinpflicht gibt es nach wie vor auch in Berlin nicht.
Neu war der Gedanke aber auch 2020 nicht mehr. So hatte etwa ein SPD-Bundestagsabgeordneter 1991 eine Führerscheinpflicht für Radfahrer vorgeschlagen.
Weder Fahrradführerschein noch Fahrradsteuer ab 2025 beschlossen
Wir haben auch beim Bundesministerium für Finanzen gefragt, ob eine Fahrradsteuer beschlossen oder angedacht ist. Die Antwort: „Die Bundesregierung plant keine gesonderte Besteuerung von Fahrrädern. Der Koalitionsvertrag schließt zudem neue Steuern als auch Steuererhöhungen aus.“
In Deutschland gab es 1899 laut einem Artikel des RBB eine Fahrradsteuer in Bremen und Hessen, damals waren aber nur wenige motorisierte Fahrzeuge unterwegs. Dass es heute in Deutschland und auch in keinem anderen vergleichbaren Land eine Fahrradsteuer mehr gibt, hat dem Artikel zufolge mehrere Gründe: Zum einen wäre der Verwaltungsaufwand höher als die Einnahmen durch eine solche Steuer. Zum anderen sei der volkswirtschaftliche Nutzen des Radfahrens wesentlich höher als der des Autofahrens. Mehrere Studien zeigten: Das Fahrrad verursacht weniger Umwelt- und Verkehrskosten als das Auto.
Redigatur: Paulina Thom, Viktor Marinov
Update, 6. August 2024: Wir haben nach einem Hinweis durch einen Leser ergänzt, dass es in der Vergangenheit von der Berliner AfD-Fraktion 2020, aber auch 1991 von einem SPD-Abgeordneten Vorstöße für die Einführung eines verpflichtenden Fahrradführerscheins gab.