Landtagswahl Brandenburg: Karte mit Zwischenergebnis der Erststimmen wird missverstanden
Eine Karte der Erststimmen bei der Landtagswahl in Brandenburg sorgt online für Verwunderung: Obwohl die AfD darauf mehr Wahlkreise gewonnen hat, werde in den Medien behauptet, die SPD sei der Wahlsieger, heißt es. Ein Faktencheck.
„Ich flippe gleich aus! Ganz Brandenburg ist blau und ZDF und ARD faseln was von ‚SPD hat gewonnen‘?“, schreibt eine Nutzerin auf X und teilt dazu eine Karte des Landeswahlleiters in Brandenburg am 22. September 2024. Darauf ist zu sehen, dass die AfD mehr Wahlkreise als die SPD für sich entscheiden konnte. Haben die Medien also fälschlicherweise die SPD statt die AfD zum Wahlsieger erklärt?
Nein, denn die Karte zeigt nicht das gesamte vorläufige Ergebnis der Landtagswahl, sondern lediglich ein Zwischenergebnis der Erststimmenmehrheit in den jeweiligen Wahlkreisen. Medien, wie die ARD und das ZDF, berichten ab 18 Uhr – nach der Schließung der Wahllokale – keine Endergebnisse, sondern zunächst Prognosen, die auf Wahlbefragungen beruhen.
Karte in Sozialen Netzwerken enthält nur Zwischenstand der Erststimmen, keine Zweitstimmen
Aus der Karte auf X ist zu lesen, dass sie die Erststimmenmehrheit abbildet. Es wird also dargestellt, welche Direktkandidatin oder welcher Direktkandidat welcher Partei nach der bisherigen Auszählung die meisten Stimmen in einem Wahlkreis erhalten hat. Was die Karte nicht abbildet, sind Zahlen zur Zweitstimme, mit der eine Landesliste gewählt wird. Sie ist für das Kräfteverhältnis im Landtag ausschlaggebender, da sie bestimmt, wie viele Sitze eine Partei anteilig im Landtag besetzen darf.
Einfacher ausgedrückt: Hat eine Partei 30 Prozent der Zweitstimmen erhalten, darf sie 30 Prozent der Sitze belegen. Zuerst werden die Sitze im Landtag mit den gewonnenen Direktmandaten über die Erststimme besetzt, danach folgen die Kandidatinnen und Kandidaten der Landeslisten. Am Ende kam die SPD in Brandenburg auf 30,89 Prozent der Zweitstimmen, die AfD auf 29,23 Prozent.
Karte zeigt Zwischenstand der Erststimmen mehrere Stunden vor dem vorläufigen Wahlergebnis
Weiter steht in der Karte, dass es sich um ein Zwischenergebnis von 19:28 Uhr handelt. Die Nutzerin verlinkt in ihrem Beitrag auf die Webseite des Landeswahlleiters. Dort ist die Karte so nicht mehr zu finden, denn die Webseite wird bis zum fertig ausgezählten Ergebnis ständig aktualisiert. Jedoch findet sich eine archivierte Version der Webseite von 19:19 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt lag erst etwa die Hälfte der Ergebnisse von den auszählenden Wahlvorständen vor.
Die Zahlen und damit auch die Einfärbung auf der Karte können sich bis zur vollständigen Auszählung noch ändern und das taten sie auch, wie ein Vergleich mit dem vorläufigen Ergebnis um 23:36 Uhr zeigt:
Nach dem Ergebnis am Ende der Auszählung hat die SPD also weitere Wahlkreise bei den Erststimmen für sich entscheiden können. Am Ende gewann die AfD in 25 von 44 Wahlkreisen die Erststimmenmehrheit und damit die jeweiligen Direktmandate, die SPD in 19.
Medien berufen sich bei Wahl-Berichterstattung zunächst auf Prognosen
Medien, wie die ARD und das ZDF, nutzen für ihre Berichterstattung kurz nach der Schließung der Wahllokale ab 18 Uhr keine Zwischenergebnisse der Landeswahlleitung – das wäre auch nicht möglich, denn die Auszählung der Stimmen beginnt erst um 18 Uhr. Medien berufen sich stattdessen zunächst auf Prognosen, wie wir bereits in früheren Faktenchecks berichteten.
Für das ZDF erstellt die Forschungsgruppe Wahlen die Prognose, für die ARD das Forschungsinstitut Infratest Dimap. Solche Prognosen beruhen auf den Aussagen von Wählerinnen und Wählern nach dem Verlassen des Wahllokals. Diese Daten werden dann noch mit Schätzungen für die Briefwahlergebnisse zusammengeführt. Weil beide Institute nicht exakt dieselbe Stichprobe und Methodik haben, weichen die Prognose-Ergebnisse etwas voneinander ab.
So schrieb die ARD beispielsweise um 18 Uhr im Live-Blog zur Landtagswahl in Brandenburg: „Laut der ARD-Prognose von Infratest Dimap liegt die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke mit 31 Prozent knapp vor der AfD mit 30 Prozent.“ Beim ZDF kam die SPD im Live-Blog um 18 Uhr auf 32 Prozent, die AfD auf 29 Prozent.
Später am Wahlabend veröffentlichen die Medien statt Prognosen Hochrechnungen. In diese Berechnungen fließen erste ausgezählte Stimmen mit ein. Je mehr Wahlkreise ausgezählt werden, desto genauer sind diese Vorhersagen. Erst wenn alle Stimmen ausgezählt sind, veröffentlicht die Landeswahlleitung das vorläufige Endergebnis – bei der Landtagswahl in Brandenburg war das um 23:36 Uhr der Fall.
Redigatur: Steffen Kutzner, Uschi Jonas
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Vorläufiges Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg, 22. September 2024, 23:36 Uhr: Link (archiviert)