Seit Jahren falsch verbreitet: Foto von Baby mit Prothesen stammt nicht aus der Ukraine, sondern den USA
Ein Foto eines Babys mit Beinprothesen soll aus der Ukraine kommen – das suggerieren Beiträge in Sozialen Netzwerken. Doch das Bild ist fast zehn Jahre alt und hat nichts mit der Ukraine zu tun. Das abgebildete Kind hat eine angeborene Erkrankung.
Ein Foto zeigt ein Baby am Strand, mit einer weißen Mütze und einem gestreiften Shirt, das mit offenem Mund auf seine Beinprothesen schaut. Über dem Bild steht: „Ukrainische Realität“. Dieses Bild schickten uns Nutzerinnen und Nutzer über unseren Whatsapp-Chatbot zur Überprüfung.
Zeigt das Foto wirklich ein Kind aus der Ukraine? Das ließe sich aus dem Bild herauslesen, suggeriert auch ein Facebook-Beitrag auf Englisch, der mehr als 5.000 Mal geteilt wurde. Doch mit der Ukraine hat das Foto nichts zu tun.
Foto stammt aus den USA – und zeigt ein Kind mit einer seltenen Krankheit
Mit einer Bilder-Rückwärtssuche fanden wir das Bild in vielen anderen Beiträgen, unter anderem auf einer ukrainischen Nachrichtenseite, die im Juni 2024 darüber berichtete. Demnach haben ukrainische Nutzerinnen und Nutzer das Foto im Netz verbreitet, unter anderem eine ukrainische Schauspielerin. Sie hat ihren Beitrag inzwischen gelöscht.
Die ukrainische Seite fand auch den Ursprung des Fotos – ein Blogbeitrag vom 9. September 2015. Das Blog ist von einer US-Amerikanerin, die über ihre Familie berichtet, unter anderem über ihren Sohn, der mit einer seltenen Krankheit geboren wurde – eine fibuläre Hemimelie. Das ist eine angeborene Fehlbildung der Beine.
Auf ihrem Blog hat die Mutter die Erkrankung ihres Sohnes in Bild und Text erzählt, unter anderem von der Amputation der Beine. Auch auf dem Instagram-Kanal der Mutter finden sich mehrere Fotos von dem Kind mit den Prothesen.
Der Blog und das Veröffentlichungsjahr des Beitrags belegen: Das Foto hat nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun. Die Beinprothesen waren keine Kriegsfolge, sondern die Folge einer angeborenen Erkrankung.
Foto bereits in falschem Zusammenhang mit Kriegen in Syrien und Gaza verbreitet
Bei unserer Suche nach dem Ursprung des Fotos stoßen wir auf weitere Beiträge, die das Bild in einem falschen Kontext nutzen. 2019 wurde es in Zusammenhang mit Syrien gebracht, 2023 mit dem Gazastreifen.
In der Ukraine wurden nach Angaben von Unicef seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 bis Mai 2024 mindestens 1.993 Kinder verletzt oder getötet. „Dies sind lediglich die Zahlen, die die Vereinten Nationen überprüfen konnten“, schreibt Unicef. Die tatsächliche Zahl sei wahrscheinlich weit höher. Die Organisation „Save the Children“ schätzte im August 2024 die Gesamtzahl der verletzten oder getöteten Kinder in der Ukraine auf 2.200.
Redigatur: Steffen Kutzner, Kimberly Nicolaus