Dieses Video zeigt keinen Bauernprotest im November 2024 in Berlin
Ein Tiktok-Video erweckt den Eindruck, dass es am 23. November 2024 einen großen „Bauernprotest“ auf der Straße des 17. Juni in Berlin gab. Das stimmt nicht, das Video ist veraltet.
Von der Siegessäule bis zum Brandenburg Tor: Die Straße des 17. Juni in Berlin ist voll mit Demonstrierenden, ihren Autos und Traktoren. Diese Szene ist in einem Video zu sehen, das auf Tiktok über 100.000 Aufrufe erzielte. Dazu läuft das Lied „Thunderstruck“ der Hard-Rock-Band AC/DC. Angeblich soll das Video einen Bauernprotest am 23. November 2024 in Berlin zeigen, so wird das Video zumindest betitelt. Aktuell ist das Video jedoch nicht.
Tiktok-Video zeigt Bauernprotest vom 15. Januar 2024 in Berlin
In den Kommentaren zu dem Video schreiben manche, das Video sei von Januar 2024. Das stimmt und lässt sich in diesem Fall schnell herausfinden, denn im Video ist schon ein erster Hinweis eingeblendet: Der Nutzername eines Instagram-Profils. Dort wurde dasselbe Video bereits am 15. Januar 2024 veröffentlicht. Dazu heißt es, das Video stammt von einem Filmproduzenten, der sich auf Instagram „unconventional.film“ nennt. Auf unsere Anfrage reagierte er bis zur Veröffentlichung nicht.
Doch ein Abgleich mit einem Foto der Nachrichtenagentur Reuters vom 15. Januar 2024 bestätigt, dass das Video am selben Tag aufgenommen wurde. Die Wagenreihung ausgehend von einem orangefarbenen Fahrzeug bis vor zum Brandenburger Tor, die Farbe und Position der Bühne sowie weitere Details sind identisch. Ähnliche Bilder mit demselben Datum veröffentlichten auch andere Medien. Damit ist klar: Das Video, das sich aktuell auf Tiktok verbreitet, zeigt den Bauernprotest in Berlin vom 15. Januar 2024.
Bauernverband organisierte großen Protest im Januar 2024
Dazu aufgerufen hatte der Deutsche Bauernverband. Der 15. Januar war das Ende einer „Aktionswoche“, in der Personen aus der Landwirtschaft und dem Transportgewerbe gegen die Haushaltspläne der damaligen Ampel-Regierung protestierten. Im Mittelpunkt standen die Forderungen, die Agrardiesel-Vergünstigungen und die KFZ-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge zu behalten. Infolge der Proteste verzichtete die Bundesregierung auf die Streichung der KFZ-Steuerbefreiung. Zudem wurde die Begünstigung beim Agrardiesel nicht sofort gestrichen, sondern die Abschaffung soll schrittweise bis 2026 umgesetzt werden.
Nach Angaben der Veranstalter nahmen an dem Protest etwa 30.000 Personen teil. Wie Medien berichteten, sprach die Polizei dagegen von rund 8.500 Teilnehmenden und etwa 6.000 Fahrzeugen.
Protest am 23. November 2024 in Berlin war kleiner und nicht vom Bauernverband organisiert
Anders als das Tiktok-Video suggeriert, war der „Bauernprotest“ am 23. November 2024 deutlich kleiner. Laut Polizeiangaben umfasste der Protest zur Spitze rund 1.000 Personen, darunter etwa 400 Fahrzeuge mit nur etwa zwei Dutzend Traktoren. Aufnahmen in Medienberichten bestätigen die vergleichsweise geringe Größe.
Der Protest wurde auch nicht wie zu Beginn des Jahres von Bauernverbänden organisiert, sondern von dem bayerischen Verein „Hand in Hand für unser Land“. Laut ihrer Ankündigung standen Akteure aus dem Umfeld der Querdenken-Szene, wie Anselm Lenz und Axel Turck, auf der Bühne. Sie forderten unter anderem eine „Redezeit“ im Bundestag. Laut Tagesspiegel war unter den Initiatoren und Rednern für die Kundgebung nur ein einziger Landwirt. Bauernverbände distanzierten sich laut Medienberichten von dem Protest.
Wir haben versucht, den Nutzer, der das Tiktok-Video veröffentlicht hat, zu kontaktieren. Aufgrund seiner Datenschutzeinstellungen war das nicht möglich.
Redigatur: Viktor Marinov, Sophie Timmermann