Faktencheck

Bauernproteste: Nein, Frankreich hat nicht den Notstand ausgerufen

Auch in Frankreich protestieren Landwirtinnen und Landwirte unter anderem gegen Dieselpreise. Ein Notstand – wie auf Tiktok behauptet – wurde aber nicht ausgerufen.

von Gabriele Scherndl

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Auch in Frankreich protestieren aktuell Landwirtinnen und Landwirte, wie hier auf einem Foto vom 29. Januar 2024 (Quelle: Stéphane Guiochon / Maxppp / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Weil die Polizei in einigen Teilen Frankreichs die Kontrolle über die dortigen Bauernproteste verloren habe, habe das Land den Notstand ausgerufen.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. In Frankreich gibt es Bauernproteste, die sich unter anderem gegen Dieselpreise richten. Ein Notstand wurde aber nicht ausgerufen.

Im Januar protestierten nicht nur Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland, sondern auch in Frankreich. Bei den dortigen Protesten geht es unter anderem um Kürzungen bei den Subventionen für Agrardiesel, aber auch um Weizenpreise und fehlende Wertschätzung. In einem Tiktok-Video vom 25. Januar 2024, das auch auf Telegram landete, werden dazu Falschbehauptungen aufgestellt. 

Darin heißt es, Frankreich habe den Notstand ausgerufen, weil die Polizei in einigen Teilen Frankreichs die Kontrolle verloren habe. Landwirte würden französische Regierungsgebäude mit Gülle besprühen und ganze Städte blockieren. Das Video erreichte allein auf Tiktok eine Million Menschen.

Sreenshot aus einem Tiktok-Video, darauf steht: "Frankreich ruft den Notstand aus".
In diesem Tiktok-Video wird fälschlicherweise behauptet, in Frankreich sei der Notstand ausgerufen worden (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Kein Notstand wegen Bauernprotesten in Frankreich, Innenminister rief zur Mäßigung auf

Frankreich hat keinen Notstand wegen der Bauernproteste ausgerufen – weder auf Deutsch, noch auf Englisch oder Französisch gibt es darüber Medienberichte. Auch auf der Webseite der französischen Regierung ist dazu keine Information. Ein solcher Notstand würde den Behörden weitreichende Kontroll- und Verbotsmöglichkeiten einräumen. Er wurde etwa nach den Terroranschlägen in Paris 2015 oder – in Vorstädten – nach Unruhen im Jahr 2005 ausgerufen.

Tatsächlich wurde bei den französischen Bauernprotesten auch Gülle versprüht oder verteilt. So etwa auf das Gebäude der Präfektur Lot-et-Garonne und vor Landwirtschaftsbehörden in Lempdes. Darüber, dass die Polizei die Kontrolle verloren haben soll, sind keine Berichte auffindbar. Laut Medienberichten rief Innenminister Gérald Darmanin zu „großer Mäßigung“ auf und dazu, die Polizei nur als letztes Mittel mit einzubeziehen. Am 29. Januar waren laut Medienberichten 15.000 Polizeikräfte im Einsatz, nachdem die Bauern angekündigt hatten, Zufahrtsstraßen nach Paris zu blockieren.

Bildmaterial aus dem Tiktok-Video ist schon älter und teilweise nicht in Frankreich entstanden

Das Tiktok-Video ist ein Zusammenschnitt von Material aus dem Netz, wie mehrere Bilder-Rückwärtssuchen zeigen. 

Mehrere Teile des Videos veröffentlichte etwa ein Instagram-Account im Dezember 2023 – darunter die Szenen, in denen Mist auf einen Platz gekippt wird, mehrere Menschen eine Absperrung durchtrennen und Traktoren Häuser mit Gülle oder Schaum besprühen. 

In einzelnen Aufnahmen gibt es Hinweise, dass sie in Frankreich entstanden sind. So zeigt ein Ausschnitt bei Sekunde 21 ein Hotel im Nordosten Frankreichs. An anderer Stelle ist im Tiktok-Video (Sekunde zwei) ein französisches Verkehrsschild zu sehen. Diese Video-Sequenz wurde schon im November 2023 auf Tiktok veröffentlicht – was genau die Aufnahmen zeigen, ist unklar.

Die drei Videos, die im Tiktok-Video ab Sekunde 28 eingeblendet werden, sind bereits jahrealt und nicht in Frankreich entstanden. Die Aufnahme, in der sich Traktoren und Polizei gegenüberstehen, veröffentlichte ein X-Nutzer schon 2015 mit der Angabe, sie zeige Belgien. Die belgische Redaktion Knack fand in einem Faktencheck im September 2021 jene Sequenz, bei der offenbar Gülle auf Polizeikräfte gesprüht wird, in einem Video der AP von September 2015. Es zeigt ebenfalls Proteste in Belgien. Knack fand die dritte Aufnahme bei einem norwegischen Lokalmedium. Sie entstand im Mai 2021 in Oslo. 

Redigatur: Paulina Thom, Steffen Kutzner

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