Anders als von Alice Weidel behauptet, war Hitler kein Kommunist
AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel war zu Gast bei Tech-Milliardär Elon Musk. Im Gespräch fielen mehrere Falschbehauptungen. In diesem Faktencheck geht es um ihre geschichtsverfälschende Aussage, Hitler sei Kommunist gewesen.
Am 9. Januar 2025 traf Alice Weidel, Spitzenkandidatin der AfD im Bundestagswahlkampf, auf Elon Musk, Besitzer des Kurznachrichtendienstes X. In dem Gespräch machte Weidel zahlreiche Falschbehauptungen. Besonderes Aufsehen erregte ihre Behauptung, Adolf Hitler sei Kommunist gewesen – eine Behauptung, die auch schon vorher in Sozialen Netzwerken kuriserte und den Nationalsozialismus verharmlosen soll. Und auch Elon Musk stellte im Gespräch mit Weidel zu dem Thema Falschbehauptungen auf. Was sind die Fakten?
Im Gespräch sagt Musk nach etwa einer halben Stunden, dass deutsche Medien versuchten, eine rechte Partei wie die AfD in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken. Weidel nimmt die Äußerung auf und behauptet, dass das allein schon deshalb keinen Sinn ergebe, weil im Wort Nationalsozialismus das Wort Sozialismus vorkomme. Ihre Partei hingegen sei konservativ und libertär. Adolf Hitler sei darüber hinaus ein Sozialist und Kommunist gewesen und habe sich selbst auch so verstanden. Musk wirft dazu ein, Hitler habe außerdem Betriebe verstaatlicht.
Weidel verdreht die Geschichte und behauptet, Hitler sei Kommunist gewesen
Weidels Aussage widerspricht allen historischen Tatsachen. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 zählten Kommunisten und Sozialdemokraten, also die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) zu ihren Gegnern. Wie das Lebendige Museum Online (Lemo) schreibt, saßen im Sommer 1933 rund 15.000 kommunistische Funktionäre und Aktivisten in sogenannter Schutzhaft. „Kommunistische aber auch sozialdemokratisch orientierte Widerstandsgruppen verbreiteten Flugschriften und Klebezettel gegen den Nationalsozialismus, pinselten Wandparolen und unterstützten rassisch und politisch Verfolgte. Wer bei solchen Tätigkeiten entdeckt oder verraten wurde, dem drohten Verhaftung, Misshandlung, Haft in einem Konzentrationslager oder die Hinrichtung.“ Das Lemo ist eine Kooperationsprojekt der Stiftung Deutsches Historisches Museum, der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesarchivs.
Dass die Nationalsozialisten allenfalls so taten, als seien sie antikapitalistisch oder sozialistisch, wie Weidel sagt, erklärte der Extremismusexperten Jürgen P. Lang im Jahr 2018 gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: „Als die Nazis noch nicht an der Macht waren, existierte in der Tat ein Flügel, der sich antikapitalistisch und revolutionär gab. Man wollte auf diese Weise die Linke für sich gewinnen. Hitler ließ die Leitfigur, Gregor Strasser, aber 1934 liquidieren. Und das bedeutete auch das Ende dieser Strömung.“ Bereits bei der „Bamberger Führertagung“ am 26. Februar 1925 sei es Hitler gelungen, „die Verankerung antikapitalistischer Forderungen nach einem ‚nationalen Sozialismus‘ und Verstaatlichung der Wirtschaft, wie es vor allem die Brüder Gregor und Otto Strasser sowie anfänglich auch Joseph Goebbels forderten, in das Parteiprogramm zu unterbinden“, so das Lemo.
Zudem unterschieden sich die politischen Ziele beider Parteien fundamental. Die KPD orientierte sich an der Revolution im sowjetischen Russland, wollte Demokratie und Kapitalismus in einer Weltrevolution abschaffen und die Diktatur des Proletariats errichten, so das Lemo. Die NSDAP hingegen hatte ein völkisches und antisemitisches Weltbild, das auf die Bildung einer nationalen arischen Volksgemeinschaft unter Lenkung eines Führers zielte. In dieser Gemeinschaft sollte alles Fremde ausgeschlossen und vernichtet werden – so wie es dann im Holocaust versucht wurde.
Auch Elon Musk verbreitete Falschbehauptungen im Gespräch
Anders als von Musk behauptet, zeichnete sich die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik nicht durch Verstaatlichungen aus. Wie der Geschichtswissenschaftler Hans-Ulrich Thamer für die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, gab es zwar eine „staatliche Lenkung nach wie vor privatwirtschaftlicher Unternehmen“. Die kapitalistische Wirtschaftsstruktur sei aber nicht abgeschafft worden, „sondern auf ein vorrangiges Ziel ausgerichtet, um vor allem eine kurzfristige Leistungssteigerung zu erreichen“.
So profitierte Ferdinand Porsche zunächst davon, dass Hitler einen preisgünstigen „Volkswagen“ entwickeln wollte. Ab dem Frühjahr 1940 wurde das Unternehmen jedoch „schrittweise in einen Rüstungsbetrieb umfunktioniert“, wie das Lemo schreibt. Dafür wurden zunehmend Zwangsarbeiter eingesetzt, sodass diese 1944 „mit etwa 20.000 Menschen beinahe zwei Drittel der gesamten Belegschaft ausmachten“. Das Unternehmen mit Sitz in Wolfsburg besteht bis heute.
Viele weitere Unternehmen waren in dieser Weise mit dem Nationalsozialismus verbunden. Thyssenkrupp schreibt darüber: „Im ‚Dritten Reich‘ ist die deutsche Industrie eng in die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik eingebunden […] Bis Kriegsende bleibt es im Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik bei einer Mischung aus Zwang, williger Selbstindienstnahme und Gewinninteresse.“ Das Unternehmen habe mindestens rund 115.000 Zwangsarbeiter beschäftigt.
AfD verfolgt eine völkische Ideologie
Kann sich die AfD also glaubwürdig von der Ideologie der NSDAP distanzieren, wie Weidel das im Gespräch behauptet? Hinsichtlich der Ideologie der AfD schrieb das Verwaltungsgericht München am 20. Juni 2024:
Es liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine jedenfalls bei Teilen der AfD bestehende Zielsetzung, Deutsche mit Migrationshintergrund menschenwürdeverletzend auszugrenzen, vor. Deutschen mit Migrationshintergrund soll ein rechtlich abgewerteter Status zuerkannt werden, wenn zwischen ihnen – den ‚Passdeutschen‘ – und einem auf einem ethnisch-biologischen bzw. ethnisch-kulturellem Volksverständnis basierendem deutschen Staatsvolk unterschieden wird und Forderungen nach „Remigration“ befürwortet werden, die Deutsche mit Migrationshintergrund einschließen.
Über den Begriff der „Remigration“ und die beim Potsdamer Geheimtreffen besprochenen Pläne, die auch die Vertreibung von sogenannten nicht-assimilierten Staatsbürgern umfassen, berichtete CORRECTIV Anfang letzten Jahres. Beim Treffen waren auch führende AfD-Politikerinnen und Politiker dabei.
Weitere Behauptungen, die Alice Weidel im Gespräch mit Elon Musk geäußert hat, haben wir hier überprüft.
Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: