Drei Stimmen von derselben Person? Kein Wahlbetrug bei Kanzlerwahl
Weil eine Person bei der Kanzlerwahl am 6. Mai drei Stimmen in die Urne warf, vermuten einige Wahlbetrug. Dabei ist die Erklärung ganz simpel.

Unter einem viralen Tiktok-Video, in dem ein Mann bei der Bundeskanzlerwahl am 6. Mai 2025 drei Stimmzettel in die Urne wirft, sammeln sich Kommentare, die den Vorgang hinterfragen: „Wieso darf man dreimal wählen?“ und „Die Wahl ist also ungültig wegen Betrug, also Neuwahlen oder net?“
Aber dass der Mann in dem dunklen Frack drei Stimmzettel abgibt, macht die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler nicht ungültig – die Kleidung des Mannes verrät, warum.

AfD-Politiker Ziegler bewachte die Wahlurne – auf Tiktok erklärt er den Vorgang zur Kanzlerwahl
Unter dem Video schreibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay-Uwe Ziegler: „Da ich an genau dieser Wahlurne gestern Dienst hatte, würde ich das kurz erklären. Es handelte sich um die drei Stimmzettel aus dem Präsidium. […] Ein Saaldiener gibt die unter Vorlage der persönlichen Wahlkarte in die Wahlurne.“ Im Video ist sichtbar, wie Ziegler den Wahlvorgang bewacht.

Der Verbreiter des Videos nahm die Einordnung von Kay-Uwe Ziegler zur Kenntnis, löschte den Clip aber nicht. Indes griffen Dutzend andere Profile das Video auf Facebook, X und Telegram auf und spekulierten ebenfalls über Wahlbetrug.
Mann im Frack ist Saaldiener und überbrachte zur Kanzlerwahl die drei Stimmzettel des Sitzungsvorstands
Die Aussage Zieglers bestätigt die Pressestelle des Bundestags auf Nachfrage. Demnach „bilden in einer Sitzung des Plenums die Bundestagspräsidentin und zwei Schriftführer den Sitzungsvorstand“. Diese drei Personen dürfen ihre Sitzplätze nicht verlassen, auch nicht für den Urnengang, daher übernimmt diese Tätigkeit ein sogenannter Plenar-Assistent.
Die Saaldiener, wie sie umgangssprachlich genannt werden, erledigen kleine Aufgaben im Bundestag, überbringen etwa dringende Nachrichten an die Abgeordneten und legen wichtige Drucksachen aus. Dass sie für die Mitglieder des Sitzungsvorstands Stimmzettel überbringen oder an anderer Stelle bei Wahlen helfen, ist nicht ungewöhnlich. Auch bei namentlichen Abstimmungen zählen die Saaldiener etwa die Stimmen aus. Der Frack, der im Video zu sehen ist, ist die traditionelle Bekleidung der Saaldiener.
618 abgegebene Stimmen von 613 Abgeordneten? Bundestagspräsidentin Klöckner hat sich versprochen
Einige, die die Falschbehauptung verbreiten, betonen, dass Bundestagspräsidentin Julia Klöckner von 618 abgegebenen Stimmzetteln sprach, aber von nur 613 anwesenden Mitgliedern. Das sei ein weiterer Beleg für den „Kanzlerwahlbetrug“.
Wie die österreichische Nachrichtenagentur APA in einem Faktencheck berichtete, hatte sich Klöckner bei der Verkündung der Mitgliederzahl im zweiten Wahldurchgang jedoch schlicht versprochen: Sie sprach von 613 Mitgliedern im Bundestag, korrekt waren aber 630 Mitglieder. Im Protokoll ist die korrekte Zahl notiert (Seite 8). Ein Beleg für Wahlbetrug ist das also nicht.
Redigatur: Sarah Thust, Kimberly Nicolaus