Russische Spione mit Pentagon-Kontakt im Handy? Keine Belege für angebliche Verhaftung
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth teilte Informationen zu Militärschlägen in einem Gruppenchat und sorgte so für einen Skandal. Wochen später heißt es auf X, zwei russische Spione mit Hegseths Nummer auf ihren Telefonen seien Ende April vom deutschen Geheimdienst festgenommen worden. Doch laut den zuständigen Behörden gibt es den Fall nicht.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth teilte Mitte März geheime Details zu geplanten Militärschlägen auf die Huthi-Miliz im Jemen in einem Gruppenchat der Messenger-App Signal. Bekannt wurde das, weil einer der Beteiligten wohl aus Versehen den Journalisten Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des Atlantic, in die Gruppe eingeladen hatte. Ende April stellte sich heraus, dass Hegseth Einzelheiten über die geplanten Militärschläge in einem privaten Chat auch mit seiner Frau und seinem Bruder geteilt haben soll.
Wenig später verbreitete sich in X-Beiträgen auf Englisch und Deutsch mit teils mehreren Millionen Aufrufen eine weitere vermeintlich brisante Meldung: „Der deutsche Geheimdienst“ habe gerade zwei mutmaßliche russische Spione verhaftet. Auf ihren Telefonen sei Hegseths private Nummer gespeichert gewesen. Ein Nutzer kommentierte dazu: „Hegseths fahrlässige Datenlecks bei Signal und jetzt seine Nummer in den Telefonen russischer Spione? Er ist eine wandelnde Katastrophe für die nationale Sicherheit.“
Doch anders als bei den Datenlecks auf Signal, gibt es für die Behauptung zu den russischen Spionen keine Belege. Laut deutschen Behörden gab es Ende April keine solche Verhaftung mutmaßlicher russischer Spione. Wie der Spiegel und die New York Times berichteten, war Hegseths private Telefonnummer jedoch einfach öffentlich im Internet zu finden.

Bundeskriminalamt: Keine Erkenntnisse zu angeblicher Verhaftung
In den X-Beiträgen heißt es, die mutmaßlichen Spione seien durch „den deutschen Geheimdienst“ verhaftet worden. In Deutschland gibt es jedoch drei Hauptgeheimdienste:
- Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist der Auslandsnachrichtendienst und sammelt Informationen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind
- Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist der Inlandsnachrichtendienst und hat Zuständigkeit für verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen sowie Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste
- Der Militärische Abschirmdienst (MAD) befasst sich mit verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten gegen die Bundeswehr
Keiner dieser Dienste hat die Befugnisse, Verhaftungen durchzuführen. Der Grund dafür ist auch die Nazi-Vergangenheit Deutschlands: „Es soll im Ergebnis weder eine Geheimpolizei noch ein polizeilicher Geheimdienst entstehen“, schreiben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages.
Unterschied zwischen Verhaftung und Festnahme
Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärte Julia Linner, eine Pressesprecherin des BND, dass die Behörde über „keinerlei polizeiliche Befugnisse“ verfüge und deshalb auch keine Verhaftungen durchgeführt habe. Das erklärt der Geheimdienst auch auf seiner Webseite: „Wir dürfen niemanden verhaften“, heißt es dort. Genauso verhält es sich beim BfV, wie das Amt in einer Broschüre erklärt. Auch dem MAD fehlen polizeiliche Befugnisse, wie sich aus dem entsprechenden Gesetz entnehmen lässt.
Bundesanwaltschaft: Keine Festnahme russischer Spione mit Hegseths Telefonnummer Ende April 2025
Für Spionage ist zudem die Bundesanwaltschaft zuständig. Ines Peterson, eine Sprecherin, erklärte auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck, dass es auch seitens der Bundesanwaltschaft keine entsprechende Festnahme gegeben habe. Auch auf der Webseite findet sich keine Mitteilung zu so einer Verhaftung oder Festnahme – obwohl das in manchen Beiträgen auf X behauptet wird.
Und auch ein Sprecher des Bundeskriminalamts, das zumindest berechtigt wäre, eine Verhaftung durchzuführen, dementierte: „Dem Bundeskriminalamt liegen keine Erkenntnisse zu dem geschilderten Sachverhalt vor.“
Angebliche Berichterstattung des Spiegels zu russischen Spionen mit Hegseths Telefonnummer ist erfunden
In einigen X-Beiträgen wird der Spiegel als Quelle der Behauptung genannt. Auf dessen Webseite sind aber keine entsprechenden Artikel zu finden. Medienberichte über die Verhaftung von mutmaßlichen russischen Spionen in Deutschland gab es zuletzt Mitte Mai 2025 – nachdem sich die Behauptung bereits verbreitet hatte – und im April 2024. Die Bundesanwaltschaft veröffentlichte entsprechende Pressemitteilungen (hier und hier).
Den im April 2024 verhafteten Männern wird vorgeworfen, Sabotageaktionen im Auftrag Russlands vorbereitet zu haben. Hegseth oder dessen Telefonnummer werden nicht erwähnt. Der Prozess gegen die im April 2024 festgenommenen Verdächtigen beginnt am 20. Mai am Oberlandesgericht München.
Redigatur: Kimberly Nicolaus, Gabriele Scherndl