Faktencheck

Wie mit einem KI-Bild Stimmung gegen den „Helden von Hamburg“ gemacht wird

Nach dem Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof am 23. Mai 2025 kursiert online ein KI-Foto des Mannes, der die mutmaßliche Täterin gemeinsam mit einem anderen Mann überwältigt haben soll. Die Behauptung dahinter: Medien hätten sich den syrischen „Held von Hamburg“ ausgedacht. Warum das nicht stimmt.

von Steffen Kutzner

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Am 23. Mai 2025 haben ein Syrer und ein Tschetschene eine Angreiferin an Gleis 13/14 des Hamburger Hauptbahnhofs davon abgehalten, mehr Menschen zu verletzen. Nun kursieren in Sozialen Netzwerken einige Falschbehauptungen über ihn. (Foto: ABBfoto / Picture Alliance)
Behauptung
Der Syrer, der laut Medienberichten am 23. Mai 2025 eine Angreiferin am Hauptbahnhof in Hamburg aufgehalten hat, sei ein KI-Fake. Zwei Bilder würden ihn in derselben Pose an verschiedenen Orten zeigen, einmal an einem Bahnsteig und einmal vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Bewertung
Falsch. Den Mann gibt es, er hat mit mehreren Journalisten über den Moment am Bahnhof in Hamburg gesprochen. Das Bild, das den jungen Mann an einem Bahnsteig zeigt und in Sozialen Netzwerken verbreitet wird, ist KI-generiert – aus Medienberichten stammt es nicht. Das Foto, das ihn vor dem Brandenburger Tor zeigt, ist dagegen echt.

Bei dem Messerangriff am Hauptbahnhof in Hamburg mit 18 Verletzten haben nach Polizeiangaben zwei Passanten die mutmaßliche Täterin gestoppt. Einer von ihnen ist laut Medienberichten ein Tschetschene, der andere Muhammad al-Muhammad, ein 19-jähriger Syrer, der unter anderem mit dem Spiegel über den Moment des Angriffs sprach.

Doch online stellen manche infrage, ob es ihn überhaupt gibt. Manche begründen das damit, dass das ihn das Titelbild des Spiegel-Artikels in Berlin vor dem Brandenburger Tor zeigt. Dem gegenüber stellen die Nutzer ein offenbar KI-generiertes Bild, in dem er in identischer Pose und Kleidung auf einem Bahnsteig zu sehen ist. 

„Ein KI-Held der zwangsfinanzierten Regierungsmedien“, heißt es dazu auf Facebook. Oder: „Der syrische Held von Hamburg ist im gleichen Aufzug und gleicher Haltung gleichzeitig an mehreren Orten?“ auf X

Zwei Screenshots von Beiträgen mit dem Bildvergleich
Beiträge mit dem KI-Bild erreichten in Sozialen Netzwerken hunderttausende Aufrufe (Quelle: X / Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

KI-generiertes Bild vom „Helden von Hamburg“ kursiert nur in Sozialen Netzwerken  

Mehrere Hinweise zeigen, dass das Bild, das den jungen Mann scheinbar auf einem Bahnhof zeigt, KI-generiert ist: etwa das unlesbare Logo auf der Jacke oder die Fantasiebuchstaben, die im Hintergrund auf einem Wegweiser und auf einem Fahrplan zu erkennen sind. Auf dem Bahnhof in Hamburg gibt es zudem keine eckigen Glasüberdachungen, wie in dem Bild. Das lässt sich etwa an einem Pressefoto des Tatorts erkennen. 

KI-generiertes Bild, das den Syrer in genau derselben Position wie vorm Brandenburger Tor zeigt, aber an einem Gleis. Im Bild sind etliche Artefakte zu erkennen
Mehrere deutliche Hinweise zeigen, dass das Bild eine Fälschung ist (Quelle: Facebook; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Bilderrückwärtssuche mit dem Bild bei Google führt kaum zu Treffern – vor allem finden sich nirgendwo Medienberichte, in denen es als echt verbreitet wurde. Stattdessen finden sich Beiträge auf X, in denen die Bilder direkt zusammen als Collage verbreitet wurden. Einer der ersten Accounts, die das Bild verbreitet haben, existiert inzwischen nicht mehr. 

Google-Ergebnisse sind nur X-Beiträge
Die Bilder-Rückwärtssuche mit dem manipulierten Foto führt zu einer Reihe von Beiträgen auf X, aber nicht zu Medienberichten (Quelle: Google; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Tipps zum Erkennen eines manipulierten oder mit einer KI erstellten Bildes:

  • Wenn Sie unsicher sind, ob ein Ereignis so stattgefunden hat, wie es auf einem Bild zu sehen ist: Suchen Sie mit Stichworten nach potenziellen Medienberichten zu dem Ereignis.
  • Achten Sie, wie oben beschrieben, auf Ungereimtheiten und Details in dem Bild.
  • Suchen Sie, wenn möglich, nach der ursprünglichen Quelle für das Bild. Helfen kann dabei manchmal auch eine Bilderrückwärtssuche. Wie die funktioniert, können Sie hier nachlesen.

Medienberichte zeigen den Syrer in Hamburg – das Foto aus Berlin ist laut Spiegel-Angaben sechs Wochen alt

In Medienberichten finden sich andere Fotos, die von Journalistinnen und Journalisten verifiziert wurden. Ein Video beim Hamburg Journal des NDR zeigt ihn am Bahnhof in Hamburg. Auch Journalisten der Bild trafen den Mann dort. Das Hamburger Abendblatt veröffentlichte ein Foto aus Hamburg, das Muhammed al-Muhammed an den Gleisen am Bahnhof zeigt. 

Auf dem Foto im Spiegel ist der Syrer vor dem Brandenburger Tor in Berlin zu sehen. In der Bildunterschrift ist als Vermerk zur Herkunft des Fotos beim Spiegel „privat“ angegeben. Wir haben deshalb beim Spiegel nachgefragt, woher das Foto stammt und wann es aufgenommen wurde. Von der Pressestelle heißt es, dass es von Muhammad al-Muhammad persönlich zur Verfügung gestellt wurde. Seiner Angabe nach entstand es am 15. April 2025 beim Besuch eines Freundes in Berlin. Laut Spiegel benutzte er das Foto auch als Profilbild bei Whatsapp. „Mehrere Spiegel-Reporter haben mit Al Muhammad gesprochen – zu verschiedenen Zeitpunkten, per Telefon und auch per Videotelefonat“, schreibt die Pressestelle weiter. Einer der Reporter habe den 19-Jährigen auch vor Ort am Hamburger Hauptbahnhof gesehen und später auf dem Foto wiedererkannt. 

Im Fall von Hamburg kursieren im Netz nicht nur Falschbehauptungen über den „Helden von Hamburg“. So wurde der Tatverdächtigen in Sozialen Netzwerken unterstellt, sie sei Palästinenserin, obwohl die Frau in Niedersachsen geboren wurde.

Redigatur: Paulina Thom, Sarah Thust