Video irreführend geschnitten: Harald Lesch widerspricht sich nicht zum Klimawandel
Der Wissenschaftsjournalist Harald Lesch warnt seit Jahrzehnten vor dem menschengemachten Klimawandel. In Sozialen Netzwerken wird ihm nun dennoch unterstellt, er habe seine Meinung zum Thema geändert. Das Video, das das beweisen soll, ist irreführend geschnitten.

In Sozialen Netzwerken wird dem Astrophysiker und Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch immer wieder unterstellt, er habe seine Meinung über den Klimawandel geändert: Er sei „wie ein Fähnchen im Wind“.. Schon 2020 verbreitete sich ein Video von ihm, das – irreführend geschnitten – einen solchen Eindruck erzeugte.
Eine neuere Version wurde im April 2023 auf Tiktok verbreitet, es besteht aus drei Aussagen von Lesch, die aus dem Kontext gerissen werden. Ein Instagram-Nutzer griff denselben Clip im Juli 2025 erneut auf. Er erhielt dafür knapp 26.000 Likes. Auf Nachfrage zu dem Video antwortete der Instagram-Nutzer nicht. Das Video verbreitet sich auch auf X, Youtube und Facebook.
Der angebliche Widerspruch: In den ersten beiden Teilen erklärt Lesch, wie Eiszeiten entstehen und dass die Menschheit geologisch betrachtet aktuell in einer Warmzeit innerhalb einer Eiszeit lebt. Im dritten Teil des Clips warnt Lesch davor, dass es auf unserem Planeten nicht wärmer werden dürfe.
Das ist aber kein Widerspruch, wenn man sich beide Sendungen, aus denen die Ausschnitte stammen, vollständig ansieht.

Video 1: Harald Lesch erklärte eigentlich, wieso es auch in Eiszeiten wärmer werden kann
Der erste Originalbeitrag, der für den Zusammenschnitt als Vorlage diente, stammt aus der Sendung „Alpha Centauri“ aus dem Jahr 2001, die in der ARD-Mediathek zu finden ist. Der Titel der Wissenschaftssendung lautet: „Wieso kommt es zu Eiszeiten?” Lesch leitet die Sendung mit einem vermeintlichen Widerspruch ein, den er in der Sendung erklären will: „Wir leben doch in der Zeit des ‚global warming‘, alle reden davon, dass es wärmer wird. Jetzt kommt der mir mit Eiszeiten!“

Ab Minute 1:10 sagt Lesch im Original-Video: „Wenn man mehr über das globale Wetter versteht, dann versteht man vielleicht auch, wie es zum Global Warming kommt, ob wir Menschen einen erheblichen Einfluss darauf haben. […] Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will hier niemanden das Wort reden, jetzt in Zukunft weiterhin Treibhausgase und so weiter in die Atmosphäre zu blasen. Aber man muss erstmal wissen, wovon man spricht, bevor man anfängt vorzuschlagen: Was können wir mit dem Wetter in Zukunft tun bzw. wo müssen wir uns schützen? Also wir reden über Eiszeiten, wir gehen zurück und zurück und zurück – wieso eigentlich?“
Erst danach sagt er den Satz, mit dem das Video in Sozialen Netzwerken beginnt:
Ab Minute 1:43 sagt Lesch im Original-Video: „Wir leben in einer Eiszeit! Meine Damen und Herren, jetzt ist Eiszeit. Warum? Weil auf unserem Planeten Eis existiert. Das war nicht immer so. Sie werden lachen. 80 Prozent der Erdgeschichte waren völlig eisfrei. Da gab es überhaupt kein Eis. Nichts. Gar nichts.“
Den scheinbaren Widerspruch, erklärt Lesch, versteht man nur, wenn man geologische Zeitskalen von aktuellen Entwicklungen trennt (ab Minute 1). Er erläutert, dass wir aktuell in einer Eiszeit leben – weil es auf der Erde dauerhaft große Eismassen gibt (ab Minute 1:43). Diese Definition ist wissenschaftlich anerkannt, etwa von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Lesch erklärt, dass wir uns in einer Warmphase innerhalb einer übergeordneten Eiszeit befinden – einem geologisch seltenen Zustand, in dem dauerhaft Eismassen an den Polen existieren. Er schildert die natürlichen Temperaturschwankungen der Erde über Hunderttausende von Jahren und zeigt, wie selbst kleine Veränderungen in der Landverteilung große klimatische Folgen auslösen können (ab Minute 10).
Zudem hebt Lesch hervor, dass die Eiszeiten die Instabilität des Erdklimas verdeutlichen:
Ab Minute 13:02 sagt Lesch im Originalvideo: „Die Eiszeiten sind sehr unregelmäßig und sie zeigen vor allen Dingen eines: Das Wetter ist eine unglaublich instabile Angelegenheit. Gerade diese Sprünge, die innerhalb von zehn Jahren Temperaturänderungen von bis zu 14-15 Grad bedeuten – das wäre eine absolute Katastrophe, wenn uns das heute passieren würde.“
Eine andere Passage dazu, dass es eine „Katastrophe“ wäre, wenn die Temperatur fallen würde, kommt auch im Zusammenschnitt vor. Doch dass Lesch damit den vermeintlichen Widerspruch selbst auflöst, wird nicht klar.
Video 2: Lesch sprach über E-Fuels und kritisierte, dass deren Herstellung zum Klimawandel beitrage
Der zweite Clip stammt aus der ZDF-Sendung Terra X aus dem Jahr 2023. In der Folge, die auf Youtube zu finden ist, geht es um synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, und die Transformation des Verkehrssektors. Lesch erklärt, warum insbesondere der Verkehr bisher kaum Emissionen eingespart hat, und analysiert Potenziale, Grenzen und den Energieaufwand von E-Fuels.

Die im Instagram-Video verwendete Aussage fällt gegen Ende des Videos:
Ab Minute 20:32 sagt Lesch: „Wissenschaftlich ist völlig klar, dass wir den Planeten Erde, also den Himmelskörper Erde, nicht weiter aufheizen dürfen. Und das sollte uns immer wieder klar sein, dass wir bei all diesem ganzen Zahlenkram nicht vergessen: Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass es nicht noch wärmer auf dem Planeten wird. Sonst sind wir nämlich weg.“
Diese Warnung bezieht sich auf den gegenwärtigen Temperaturanstieg durch Treibhausgasemissionen und somit auf die aktuelle Klimakrise, die durch zahlreiche Studien und IPCC-Berichte belegt ist.
Kein Widerspruch – sondern unterschiedliche Ebenen
Im Zusammenschnitt werden also zwei völlig verschiedene Themen vermischt. So soll der Eindruck erweckt werden, dass Lesch sich widerspricht und die Erwärmung des Klimas in einer Eiszeit gar nicht so schlimm sein können. Doch das ist falsch.
Das Klima wandelte sich in der Vergangenheit immer wieder durch natürliche Ursachen wie Vulkanausbrüche oder die veränderte Sonneneinstrahlung. Als Hauptverursacher des Klimawandels heute gelten jedoch nicht diese natürlichen Ursachen, sondern der Mensch. Durch natürliche Klimafaktoren brauchte es in der Vergangenheit hunderte oder tausende Jahre für solche Temperaturanstiege, wie wir sie inzwischen innerhalb weniger Jahrzehnte erleben.
Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- ARD-Mediathek, „Alpha Centauri – Wieso kommt es zu Eiszeiten?“, Sendung vom 11. November 2001: Link (archiviert)
- ZDF Terra X, „E-Fuels und Klimawandel“, Sendung vom 06. Mai 2023: Link (archiviert)
- Europäische Weltraumorganisation (ESA), offizielle Klima-Informationen, archiviert am 23. Oktober 2023: Link (archiviert)
- NASA, Klimadaten und Forschung, archiviert am 06. November 2024: Link (archiviert)
- IPCC, Berichte zum Klimawandel, 09. August 2021: Link (archiviert)