Wirtschaft und Umwelt

Erika Steinbach wollte Alnatura boykottieren – und verdrehte dabei ein Ereignis aus 2019

Der Biomarkt Alnatura wolle keine AfD-Wählerinnen und -wähler als Kunden, behauptete die AfD-Politikerin Steinbach. Das ist falsch. Eine Sprecherin bestätigt, dass sich das Unternehmen nie so geäußert hat. 2019 nahm man jedoch Produkte eines AfD-Funktionärs aus dem Sortiment.

von Sara Pichireddu

Alnatura Supermarkt, Bioladen, Freiburg im Breisgau, Baden-Württemberg, Deutschland
Die politische Haltung der Kundinnen und Kunden spiele „keine Rolle“, stellt eine Alnatura-Sprecherin klar (Symbolbild: Schoening / Picture Alliance)
Behauptung
Die Biomarkt-Kette Alnatura wolle keine AfD-Wähler mehr als Kunden haben.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Eine entsprechende Mitteilung von Alnatura gibt es nicht, wie eine Pressesprecherin bestätigt. Ein entsprechendes Bild in Steinbachs Beitrag bezieht sich auf eine Entscheidung von 2019. Damals nahm Alnatura Produkte eines bestimmten Herstellers aus dem Sortiment, weil der Geschäftsführer in der AfD aktiv war.

„Alnatura möchte AfD-Wähler, also ein Viertel der Deutschen, nicht mehr als Kunden haben.“ Das behauptete die AfD-Politikerin Erika Steinbach am 11. November in einem X-Beitrag, der seitdem mehr als 2.000 mal geteilt und über 300.000 mal angesehen. Steinbach war von 1990 bis 2017 für die CDU im Bundestag, bevor sie aus der Partei austrat. Seit 2022 ist sie AfD-Mitglied.

Ihre Aussage ist falsch und es fehlt relevanter Kontext – nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck löschte sie den Beitrag.

Screenshot eines X-Beitrags der AfD-Politikerin Erika Steinbach
Das Bild, das Steinbach benutzt, stammt aus einem Magazin-Beitrag aus dem Jahr 2019 (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck; Bild: Utopia / Marc Doradzillo / Alnatura)

Nutzerinnen und Nutzer rufen in X-Beiträgen zum Boykott auf

Steinbach fügte ihrem Beitrag eine Fotomontage an, auf der ein Laden der Bio-Kette zu sehen ist, sowie zwei Screenshots von Beiträgen auf Facebook. Darin reagieren zwei Personen scheinbar auf Äußerungen des Unternehmens, dass AfD-Anhänger und -Anhängerinnen als Kundschaft nicht willkommen seien.

Eine Person schreibt: „Jetzt will Alnatura mein Geld nicht mehr und ich darf nichts mehr bei denen kaufen?“, die andere: „Wenn ihr das nicht zurücknehmt und euch entschuldigt, dann seid ihr von meiner Einkaufsliste gestrichen. […] Die Judenverfolgung war eines der vielen schlimmen Geschehen in der deutschen Geschichte und wir sagen ganz klar NEIN zum Ausschluss von Menschen.“

Die Äußerungen unter Steinbachs Beitrag klingen sehr ähnlich. Nutzende kommentieren dort etwa: „Dann sind Alnatura-Produkte ab sofort gestrichen“. Und: „Ich werde Alnatura von meiner Einkaufsliste auf Dauer auslisten. Wie hieß es doch einst ‚Kauft nicht bei Juden‘“.

Einziger Kontext: Alnatura nahm 2019 Artikel von Firma aus dem Sortiment, die von AfD-Politiker betrieben wurde

Steinbach hat die Fotomontage nicht selbst gemacht. Sie stammt aus einem Artikel des Magazins Utopia vom 9. Oktober 2019. Damals hatte Alnatura Produkte der Marke „Spreewälder Hirsemühle“ aus dem Sortiment genommen, weil der Inhaber der AfD angehörte. Die Entscheidung – die laut Medienberichten auch andere Biomärkte in Deutschland getroffen hatten – sorgte für Empörung. In diesem Zuge entstanden wohl die Kommentare der Bildmontage.

Die aktuelle Behauptung Steinbachs sei „vollkommen kontext- und anlasslos“, so eine Pressesprecherin von Alnatura auf Nachfrage. Es gebe „absolut keinen aktuellen Anlass“ für den Beitrag. Auf die Frage an Steinbach, ob sie sich tatsächlich auf die Entscheidung von vor sechs Jahren bezieht, erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort. Ebenso wenig darauf, inwiefern das Auslisten eines Produktes gleichbedeutend mit einem Kaufverbot für AfD-Wählende sei. Kurz nach unserer Anfrage löschte Steinbach ihren X-Beitrag kommentarlos.

Alnaturas Pressesprecherin betont, dass es keine Rolle spiele, welche politische Einstellung die Kundinnen und Kunden hätten. Bei den Lieferanten und Handelspartnern schaue man aber schon darauf, „ob die Werte zusammenpassen.“ Das sei wegen der Position, die die AfD bezüglich des menschengemachten Klimawandels vertrete, nicht gegeben gewesen.

Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl

CORRECTIV im Postfach
Lesen Sie von Macht und Missbrauch. Aber auch von Menschen und Momenten, die zeigen, dass wir es als Gesellschaft besser können. Täglich im CORRECTIV Spotlight.