Erika Steinbach wollte Alnatura boykottieren – und verdrehte dabei ein Ereignis aus 2019
Der Biomarkt Alnatura wolle keine AfD-Wählerinnen und -wähler als Kunden, behauptete die AfD-Politikerin Steinbach. Das ist falsch. Eine Sprecherin bestätigt, dass sich das Unternehmen nie so geäußert hat. 2019 nahm man jedoch Produkte eines AfD-Funktionärs aus dem Sortiment.
„Alnatura möchte AfD-Wähler, also ein Viertel der Deutschen, nicht mehr als Kunden haben.“ Das behauptete die AfD-Politikerin Erika Steinbach am 11. November in einem X-Beitrag, der seitdem mehr als 2.000 mal geteilt und über 300.000 mal angesehen. Steinbach war von 1990 bis 2017 für die CDU im Bundestag, bevor sie aus der Partei austrat. Seit 2022 ist sie AfD-Mitglied.
Ihre Aussage ist falsch und es fehlt relevanter Kontext – nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck löschte sie den Beitrag.

Nutzerinnen und Nutzer rufen in X-Beiträgen zum Boykott auf
Steinbach fügte ihrem Beitrag eine Fotomontage an, auf der ein Laden der Bio-Kette zu sehen ist, sowie zwei Screenshots von Beiträgen auf Facebook. Darin reagieren zwei Personen scheinbar auf Äußerungen des Unternehmens, dass AfD-Anhänger und -Anhängerinnen als Kundschaft nicht willkommen seien.
Eine Person schreibt: „Jetzt will Alnatura mein Geld nicht mehr und ich darf nichts mehr bei denen kaufen?“, die andere: „Wenn ihr das nicht zurücknehmt und euch entschuldigt, dann seid ihr von meiner Einkaufsliste gestrichen. […] Die Judenverfolgung war eines der vielen schlimmen Geschehen in der deutschen Geschichte und wir sagen ganz klar NEIN zum Ausschluss von Menschen.“
Die Äußerungen unter Steinbachs Beitrag klingen sehr ähnlich. Nutzende kommentieren dort etwa: „Dann sind Alnatura-Produkte ab sofort gestrichen“. Und: „Ich werde Alnatura von meiner Einkaufsliste auf Dauer auslisten. Wie hieß es doch einst ‚Kauft nicht bei Juden‘“.
Einziger Kontext: Alnatura nahm 2019 Artikel von Firma aus dem Sortiment, die von AfD-Politiker betrieben wurde
Steinbach hat die Fotomontage nicht selbst gemacht. Sie stammt aus einem Artikel des Magazins Utopia vom 9. Oktober 2019. Damals hatte Alnatura Produkte der Marke „Spreewälder Hirsemühle“ aus dem Sortiment genommen, weil der Inhaber der AfD angehörte. Die Entscheidung – die laut Medienberichten auch andere Biomärkte in Deutschland getroffen hatten – sorgte für Empörung. In diesem Zuge entstanden wohl die Kommentare der Bildmontage.
Die aktuelle Behauptung Steinbachs sei „vollkommen kontext- und anlasslos“, so eine Pressesprecherin von Alnatura auf Nachfrage. Es gebe „absolut keinen aktuellen Anlass“ für den Beitrag. Auf die Frage an Steinbach, ob sie sich tatsächlich auf die Entscheidung von vor sechs Jahren bezieht, erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort. Ebenso wenig darauf, inwiefern das Auslisten eines Produktes gleichbedeutend mit einem Kaufverbot für AfD-Wählende sei. Kurz nach unserer Anfrage löschte Steinbach ihren X-Beitrag kommentarlos.
Alnaturas Pressesprecherin betont, dass es keine Rolle spiele, welche politische Einstellung die Kundinnen und Kunden hätten. Bei den Lieferanten und Handelspartnern schaue man aber schon darauf, „ob die Werte zusammenpassen.“ Das sei wegen der Position, die die AfD bezüglich des menschengemachten Klimawandels vertrete, nicht gegeben gewesen.
Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl