Europa

„Fünf Millionen Italiener, die in Armut leben“: Irreführende Aussage von Matteo Salvini

Matteo Salvini, Italiens Innenminister, sprach in mehreren Interviews davon, dass er erst „die fünf Millionen Italiener in Armut“ versorgen müsse, bevor er sich etwa um Migranten kümmern könne. Die Aussage führt in die Irre, denn die Zahl beinhaltet nicht nur italienische Staatsangehörige.

von Till Eckert

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Italiens Innenminister Matteo Salvini bei einem Treffen europäischer Nationalisten am 8. April 2019 in Mailand. (Foto: © Miguel Medina / AFP)
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Größtenteils Falsch. Salvinis Aussage ist irreführend – die Zahl, auf die er verweist, bezieht sich nicht nur auf Staatsbürger, sondern alle Menschen in Italien, Migranten eingeschlossen.

Ein Facebook-Post vom 10. April zeigt ein Foto von Italiens Innenminister und stellvertretendem Ministerpräsidenten Matteo Salvini, dazu das übersetzte Zitat: „Ich habe fünf Millionen Italiener, die in Armut leben. Wenn ich die alle versorgt habe, kümmere ich mich um die Ausländer.“ Der Post wurde bisher 402 Mal geteilt.

Übersetztes Zitat von Italiens Innenminister Matteo Salvini. (Screenshot: CORRECTIV)

CORRECTIV kooperiert im Vorfeld der EU-Wahl für das Projekt FactCheckEU mit 18 Faktencheck-Redaktionen in Europa. Mithilfe der italienischen Kollegen von Pagella Politica konnte CORRECTIV rekonstruieren, dass Salvini diese Aussage so oder so ähnlich mehrmals über seine Social-Media-Kanäle oder in Interviews tätigte.

Tweet von Matteo Salvini am 8. Januar. (Screenshot: CORRECTIV)

Salvini nennt die Zahl fünf Millionen immer wieder im Zusammenhang mit „Italienern“ in Armut, die zunächst versorgt werden müssten, bevor man sich um „die Anderen“ (8. Januar), „Migranten“ (24. August 2018), oder „falsche Flüchtlinge“ (7. November 2018) kümmern könnte.

Er suggeriert dadurch, dass die Zahl der fünf Millionen nur italienische Staatsangehörige meine. Doch die Statistik (PDF), auf die er sich mutmaßlich bezieht, zählt laut Pagella Politica alle Einwohner des Landes – also auch Migranten oder geflüchtete Menschen.

Unter Migranten und geflüchteten Menschen in Italien sind mehr arme Menschen als unter italienischen Staatsbürgern

In einer Studie des italienischen Statistikamts Istat, Poverty in Italy (PDF) aus dem Jahr 2017, sind mit der Zahl der fünf Millionen, die Salvini nennt, tatsächlich alle Menschen im Land gemeint, Migranten werden dabei nicht extra ausgewiesen: „Im Jahr 2017 betrug das Vorkommen absoluter Armut 6,9 Prozent in Bezug auf inländische Haushalte (1 Million und 778 Tausend Haushalte) und 8,4 Prozent in Bezug auf Personen (5 Millionen und 58 Tausend Haushalte).“

Unter „Individuals” ist in der Studie „Poverty in Italy“ des italienischen Statistikamts Istat als Gesamtprozentzahl der in Armut lebenden Menschen 8,4 Prozent zu lesen – das sind etwa fünf Millionen Menschen in Italien. (Screenshot: CORRECTIV)

Istat definiert die poverty line, also Armutsgrenze, so: „The estimate of the relative poverty is based on a poverty line (International Standard of Poverty Line – ISPL) defining as poor a household of two components with a consumption expenditure level lower or equal to the mean per-capita consumption expenditure.“ Das waren 2016 1.074,09 Euro und 2017 1.085,22 Euro monatlich.

In Tabelle 7 auf Seite 3 der Studie zeigt sich außerdem, dass die Prozentzahl von „Nicht-Staatsbürgern“ in Armut, also Menschen ohne italienischer Staatsbürgerschaft, höher ist als die von Staatsbürgern. Unter Menschen ohne italienischer Staatsbürgerschaft sind es 29,2 Prozent, unter Staatsbürgern 5,1 Prozent. Prozentuell gesehen leben demnach mehr Migranten oder geflüchtete Menschen in Italien in Armut als italienische Staatsbürger.

Vergleich von in Armut lebenden italienischen Staatsbürgern zu Menschen ohne italienischer Staatsbürgerschaft in der Studie „Poverty in Italy“ des italienischen Statistikamts Istat. (Screenshot: CORRECTIV)