Europa

„AfD-Stimmen mussten weg“? Keine Belege für angeblichen Wahlbetrug in Welden

Ein Facebook-Beitrag der Seite „Ein Prozent für unser Land“ verbreitet sich am Tag der EU-Wahl rasant im Netz. Es soll einen Fall von Wahlbetrug durch einen Wahlvorstand gegeben haben. Das ist derzeit nicht belegbar; die zuständige Kreiswahlleiterin widerspricht der Behauptung.

von Till Eckert

COLLAGE BAYERN
Das Foto, das von „Ein Prozent“ verbreitet wird. (Screenshot: CORRECTIV)
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Unbelegt. Das Foto ist offenbar echt, doch es gibt keine Belege dafür, dass der Fall sich so zugetragen hat wie „Ein Prozent“ behauptet; die zuständige Kreiswahlleiterin widerspricht der Darstellung.

„AfD-Stimmen mussten weg: Urne geöffnet“, schreibt die Facebook-Seite „Ein Prozent für unser Land“ in einem Beitrag vom 26. Mai. Darin wird von einem angeblichen Fall berichtet, bei dem im Wahllokal im bayerischen Welden die Türen „kurz geschlossen“ worden wären, nachdem zwei Männer das Lokal verließen. Diese hätten kurz vorher verkündet, „die AfD wählen zu wollen“. Ein anderer Besucher habe die Tür geöffnet und habe gesehen, wie „ein Herr seine Hand in der Wahlurne hatte“. Er habe anschließend das Siegel mit Tesafilm „zu überkleben“ versucht. Neben dieser Schilderung veröffentlichte die Facebook-Seite ein Foto, das gebrochene Siegel einer Wahlurne und eine Person in einem blauen Hemd zeigt. Inzwischen wurde der Beitrag 3.751 Mal auf Facebook geteilt.

Der Facebook-Beitrag von „Ein Prozent für unser Land“. (Screenshot: CORRECTIV)

Kreiswahlleiterin widerspricht den Behauptungen im Facebook-Beitrag

Regierungsdirektorin Marion Koppe aus dem Landratsamt Augsburg ist als Kreiswahlleiterin für die Durchführung der Wahlen im Landkreis Augsburg und damit auch in der Gemeinde Markt Welden zuständig.

Koppe sagt CORRECTIV am Telefon: „Das Foto ist echt, das konnten wir verifizieren. Beim Mann im blauen Hemd handelt es sich um einen der Wahlvorstände der Gemeinde Welden, weshalb er korrekterweise an der Wahlurne stand.”

Zur Behauptung, die Türen seien geschlossen worden, sagt Koppe: „Das trifft nicht zu. Die Türen waren ab 8 Uhr durchgängig geöffnet.” Das hätten mehrere Zeugen bestätigt.

Koppe rekonstruiert den Fall gegenüber CORRECTIV folgendermaßen: Nach ihren Informationen sei das Foto um 8.04 Uhr entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hätte ein erster Wähler gewählt, so dass sich ein einziger Wahlzettel in der Urne befunden hätte; ein zweiter Wähler, der im Raum war, habe auf das nicht zugeklebte Siegel hingewiesen, zwei Fotos gemacht und sofort seinen Wahlzettel eingeworfen.

„Auf dem Foto ist zu sehen, dass die Versiegelung nicht beschädigt, sondern nur an der Seite der Urne nicht richtig hingeklebt ist. Das wurde nach dem Hinweis des zweiten Wählers umgehend nachgeholt und das Siegel fest angedrückt. Jeder Wahlvorstand ist gesetzlich dazu verpflichtet, sich vor Beginn der Wahlhandlung zu versichern, dass die Urne leer ist. Erst dann wird sie versiegelt. Das Siegel war wohl nach dieser kurz vor Öffnung des Wahllokals durchgeführten Kontrolle noch nicht richtig festgeklebt, als das Foto entstand“, sagt Koppe.

Alle anwesenden Mitglieder des Wahlvorstandes sagen laut Koppe übereinstimmend aus, dass die Urne nach Einwurf des ersten Stimmzettels nicht mehr geöffnet wurde. Koppe selbst sei durch den zweiten Wähler um 8.45 Uhr angerufen worden, nachdem er nach seiner eigenen Aussage bereits das Netzwerk „Ein Prozent für unser Land” informiert hätte. Koppe bestätigte CORRECTIV ihre Äußerungen noch einmal per Mail.

Zuständiges Polizeipräsidium: Keine fundierten Erkenntnisse

Das Polizeipräsidium Schwaben-Nord schreibt auf Twitter, es überprüfe den Sachverhalt. In einem weiteren Tweet steht, es werde „zu gegebener Zeit in Form einer Pressemitteilung informiert“: „Dies wird jedoch noch so lange dauern, bis verlässliche Tatsachen feststehen. Bis dahin bitten wir darum, auf das Streuen von Gerüchten und Vermutungen zu verzichten.“

Dass der Fall sich so zugetragen, wie durch den Facebook-Post von „Ein Prozent für unser Land“ behauptet, kann demnach nicht belegt werden. Der Version der Geschichte wird aber durch die zuständige Kreiswahlleiterin widersprochen. Sobald die Polizei Ermittlungsergebnisse bekannt gibt, aktualisieren wir diesen Text.