Gesellschaft

Nein, dieser Tannenbaum wurde nicht in einem deutschen Kaufhaus zerstört

In einem bei Facebook verbreiteten Video wird behauptet, Geflüchtete und Muslime hätten einen Weihnachtsbaum in einem deutschen oder europäischen Einkaufszentrum zerstört haben, weil sie das christliche Symbol angeblich ablehnen. Das Video wurde jedoch in Ägypten aufgenommen. Mit Deutschland hat die Szene nichts zu tun.

von Cristina Helberg

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Dieses Video zeigt, wie mehrere Menschen einen Weihnachtsbaum demolieren. Es wurde aber nicht, wie behauptet, in Europa aufgenommen, sondern im Nahen Osten. (Screenshot: CORRECTIV)
Bewertung
Falsch. Die Szene wurde in Ägypten aufgenommen und zeigt keine Geflüchteten in Deutschland.

Am 9. Dezember veröffentlichte ein Facebook-Nutzer ein Video, in dem zu sehen ist, wie Menschen in einem Einkaufszentrum einen Weihnachtsbaum hinaufklettern und den Schmuck entfernen und demolieren. Dazu schrieb er „Was Deutschland mit sich machen lässt“. Der Beitrag wurde bisher mehr als 2.600 Mal geteilt. 

Das Video beginnt mit einer Frauenstimme aus dem Off: „Dramatische Szenen haben sich mitten in einem Kaufhaus in Europa abgespielt“. Tannenbäume und Weihnachtsartikel würden „mutwillig von Flüchtlingen wütend und mit brutaler Aggressivität zerstört“, weil sie als Muslime die christlichen oder jüdischen Artikel ablehnen würden. Später wird suggeriert, der Vorfall habe sich in Dortmund in einer Filiale der Kette Woolworth abgespielt. „Aus Rücksicht vor weiteren Konfrontationen hat Woolworth Dortmund sämtliche Weihnachtsartikel aus seinem Programm komplett herausgenommen“, sagt die Frauenstimme aus dem Off. Angela Merkel schweige zu dem Vorfall. 

Wir haben die Behauptungen geprüft. 

Zwei Sequenzen aus dem Video. Links wird suggeriert, die Szene habe sich in Dortmund abgespielt. (Screenshot: CORRECTIV).

Nein, diese Szene hat sich nicht in Deutschland abgespielt

Woolworth schreibt auf eine Presseanfrage von CORRECTIV: „Das Video zeigt keine Woolworth-Filiale. Als deutsches Einzelhandelsunternehmen haben wir ein umfangreiches Weihnachtssortiment […]. Es gibt für uns keine Veranlassung, Weihnachtsartikel aus dem Verkauf zu nehmen.“

Die Antwort von Woolworth per E-Mail: „Das Video zeigt keine Woolworth Filiale“. (Screenshot: CORRECTIV)

Bereits im Dezember 2018 kursierte dieselbe Videoszene schon einmal, nur die Behauptungen darüber wichen etwas ab. Dortmund wurde in dem Video nicht genannt. In unserem Faktencheck haben wir 2018 herausgefunden, dass die Szene nicht in Deutschland gefilmt wurde. Recherchen von Bussiness Insider, Le Monde oder Buzzfeed zeigen, dass es in der Mall of Arabia in Kairo, Ägypten, aufgenommen wurde. Das Originalvideo wurde am 4. Januar 2016 auf Youtube hochgeladen.

Für einen Artikel, der im November 2016 erschien, fragte Le Monde bei der Mall of Arabia nach. Laut dem Artikel antwortete die Mall, dass die Szene an Weihnachten 2015 stattfand und erklärte: „Das waren Kinder, die nicht wussten, was sie taten, und unser Sicherheitsteam kümmerte sich um sie, sobald sie sie sahen“.

Gegen eine generelle Ablehnung von Weihnachten spricht auch, dass die Mall 2015 und auch aktuell auf ihrer Facebook-Seite offensiv mit der Weihnachtsdekoration wirbt. 

Narrativ der „Kulturverdränung“ wird besonders vor Weihnachten genutzt 

Besonders vor Festen wie Weihnachten wird die Erzählung, die deutsche Kultur drohe durch den Islam verdrängt zu werden, für Falschmeldungen genutzt. Die angebliche Umbenennung des Nikolaus in „Zipfelmützenmann“ oder des Weihnachtsmann in „Jahresendfigur“ sind nur zwei der Falschmeldungen, die wir in diesem Zusammenhang schon geprüft haben. In unserer Artikelserie „Narrative der Desinformation“ geben wir einen Überblick über häufige Erzählungen hinter Falschmeldungen.