Hintergrund

„Die Verlage müssen gegen Fake News kämpfen. Die Journalisten nicht”

"Manche Blogs nehmen im Jahr mehrere hunderttausend Euro ein." – Marius Dragomir erforscht, wie Falschmeldungen sich finanzieren – und was man gegen sie tun kann.

von Anna Mayr

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Herr Dragomir, Sie haben mit Ihrem Forscherteam in 20 Ländern untersucht, woher Falschmeldungen kommen und wer Sie finanziert. Ist denn nun wirklich der Russe an allem Schuld?

Wir alle hatten erwartet, dass es vor allem Staaten sind, die falsche Informationen verbreiten – um die Gesellschaft zu spalten und Meinung zu machen. Das gibt es auch. Vor allem in den Balkanstaaten ist Russland sehr aktiv. Aber das ist nur ein Teil der Fake-News-Industrie. Der andere Teil sind kleine und mittelständische Unternehmen.

Unternehmen? Sind Falschmeldungen nicht eher eine Frage von Ideologie und Aktivismus?

Nicht alle, die Fake News verbreiten, glauben auch, was sie schreiben. Manchen geht es nur ums Geld. Die falschen, unrecherchierten Nachrichten erzeugen Klicks. Und wer Klicks hat, der bekommt Geld von Anzeigenkunden, die auf den Seiten werben. Dazu kommen Leser, die diesen Seiten Geld spenden. Manche Blogs, die nur ein paar Mitarbeiter haben, nehmen im Jahr mehrere hunderttausend Euro ein.

Marius Dragomir ist der Direktor des Center for Media, Data and Society. Vorher arbeitete er für die Open Society Foundation.
Marius Dragomir ist der Direktor des Center for Media, Data and Society in Budapest. Vorher arbeitete er für die Open Society Foundation.

Und was ist gefährlicher – staatliche Propaganda oder einzelne Verrückte?

Beides trägt zum Schlamassel bei. Aber bei staatlichen Kampagnen steht natürlich mehr Organisation und Geld dahinter.

Woher wissen Sie denn, dass die Pseudo-Medien aus Russland kommen?

Teilweise machen die Seiten ganz transparent, wo sie angesiedelt sind. Da steht dann ein Unternehmen mit Sitz in Russland im Impressum, zum Beispiel bei Sputnik News – eine Webseite, die Ableger in vielen Ländern hat, auch in Deutschland. Manchmal muss man auch ein bisschen tiefer graben, sich die Verbindungen genauer anschauen. Da sitzt dann etwa ein „Zwischenhändler” in Serbien, eine serbische Firma, die aber für Russland Nachrichten verbreitet.

Sie selbst haben lange als Journalist gearbeitet. Was waren unsere Fehler? Was hat dafür gesorgt, dass es so viele Falschinformationen im Internet gibt?

Ich glaube nicht, dass es an den Journalisten liegt. Ich sehe eher die Verlage in der Verantwortung. Die haben verpasst, was sich technologisch entwickelte. Damit haben sie den Kampf um die Reichweite verloren.

Was kann man jetzt tun, um gegen Falschmeldungen zu kämpfen?

In der Slowakei haben die Verlagshäuser inzwischen beschlossen, Fake-News-Blogs als Konkurrenz zu sehen – nicht so sehr um Inhalte, sondern um Anzeigen. Die großen Anzeigenkunden hat man aufgefordert, nicht mehr auf unseriösen Seiten zu werben. Und weil natürlich niemand mit Falschmeldungen verbunden sein will, haben die Unternehmen darauf auch reagiert. So lassen sich manche Pseudo-Medien quasi aushungern.

Und was können Journalisten tun?

Ihre Arbeit gut machen. Dadurch Vertrauen stärken. Viel mehr nicht.