Organisierter Stimmenfang auf Tiktok: Verurteilter Volksverhetzer wirbt für die AfD
Die AfD schart vor den Landtagswahlen Unterstützer um sich. Ein zwielichtiges Netzwerk aus Aktivisten von Rechtsaußen hilft seit Monaten dabei, die Partei auf Tiktok künstlich groß aussehen zu lassen. Einer der zentralen Akteure, der für die AfD wirbt, ist wegen Volksverhetzung verurteilt und sitzt nun in Haft.
Noch vor drei Monaten hatte AfD-Politiker Maximilian Krah den rechtsextremen Youtuber „Shlomo Finkelstein“ zum gemeinsamen Kochen eingeladen. Nun sitzt „Shlomo Finkelstein“ in Haft – unter anderem wegen Volksverhetzung. In der Zeit dazwischen hat der Mann maßgeblich bei einer Kampagne mitgemischt, die der AfD auch bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu Wahlsiegen verhelfen soll.
Hinter dem Alias Shlomo Finkelstein steht Aron P. Er ist Teil des selbsternannten Angerverse, dem „Wutuniversum“. Das ist eine rechte Gruppierung, die zwar nicht offiziell zur AfD gehört, sich aber sehr viel Mühe gibt, damit die Partei gewählt wird.
Am 13. August 2024, noch während diese Recherche lief, wurde Aron P. in der Nähe von Berlin festgenommen. Er war vor dreieinhalb Jahren unter anderem wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Da er gegen Auflagen verstieß, wurde die Bewährung widerrufen – und die Staatsanwaltschaft suchte nach ihm.
CORRECTIV beobachtet Aron P. auch schon länger: Er fällt immer wieder mit Desinformation und Hetze auf. Neue Recherchen zeigen, wie eng der verurteilte Straftäter mit der AfD verbunden ist. Er war im inoffiziellen Wahlkampf zur Europawahl ein zentraler Player in der sogenannten Tiktok-Guerilla. Das ist eine Initiative, die auf die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, zurückgeht – und die Aron P. und Kollegen aus dem „Angerverse“ während der EU-Wahl vorantrieben. Ihr Ziel: Es auf Tiktok so aussehen zu lassen, als hätte die Partei eine Armee an Fans hinter sich.
Das macht die Guerilla-Gruppe, indem sie versucht, Videoinhalte mit AfD-Politikern viral gehen zu lassen. Auch mit zweifelhaften Mitteln. Und auch jetzt, vor den Landtagswahlen.
Wir haben die Strategie dahinter durchleuchtet, die Personen und ihre Vorgehensweise betrachtet. Entdeckt haben wir einen Kosmos voll zweifelhafter Accounts, hasserfüllter Botschaften und mit einer gut geölten Marketingmaschine dahinter.
Und wir haben uns gefragt: Wie viel weiß die AfD von dieser scheinbar wilden Kampagne, die von rechten bis rechtsextremen Drahtziehern getragen wird? Auch wenn sich auf Nachfrage Vertreter der AfD von der Aktion distanzieren, nichts davon wissen wollen oder Fragen dazu nicht beantworten: Die Verbindungen von verschiedenen Ebenen der AfD zum Wutuniversum sind eng – und es ist auch Geld im Spiel.
Die Tiktok-Guerilla
Im August 2024 ist der Wahlkampf für die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg in vollem Gange. Auch in der Tiktok-Guerilla.
Am Tag von Aron P.’s Festnahme wird in einem Telegram-Kanal der Gruppe zur nächsten Aktion aufgerufen: „Vor den Ostwahlen werden wir wieder das Feuer entfachen“, heißt es in dem Beitrag. „White Boy Summer“ kommentiert jemand darunter; „Kämpft für euer Land“, schreibt ein anderer. Ein dritter postet eine Hand, die das O.k.-Zeichen formt – die Geste ist auch bekannt als „White Power“-Symbol, Neonazis nutzen sie gern.
Die Guerilla-Aktionen werden über mehrere Telegram-Kanäle organisiert. Die Taktik funktioniert so: Ein Telegram-Kanal stellt Rohmaterial von Videos zur Verfügung – aktuell zum Beispiel von drei AfD-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl: Björn Höcke, der in Thüringen kandidiert, Christoph Berndt (Brandenburg), und Jörg Urban (Sachsen). Dazu noch Material von der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel, Maximilian Krah, der nun im Europaparlament sitzt, dem Bundestagsabgeordneten René Springer und Eric Engelhardt, Landesvorsitzender der Jungen Alternative (JA) Thüringen und Mitglied im Bundesvorstand der JA. Die meisten Videos sind kurze Statements der Personen, teils aus Interviews, teils von Wahlkampfauftritten. Sie enthalten Wahlaufrufe, Populismus, völkisches Gedankengut.
Eric Engelhardt nimmt eigens Videos für die Guerilla auf und spricht darin zum Beispiel vom angeblichen „Kampf gegen das eigene Volk“ in Deutschland und behauptet, dass in Großbritannien „bunte Vielfalt“ zum „Bürgerkrieg“ führe. Engelhardt: „Damit Erfurt, Jena und Dresden nicht enden wie Liverpool, gibt es nur eine Antwort: Diesen Herbst das richtige Kreuz, damit wir sie alle abschieben.“
Die drei Landtagswahl-Kandidaten und ihre Parteien beantworteten Fragen von CORRECTIV dazu nicht – etwa, ob sie von der Kampagne wussten und ob sie sie in Auftrag gegeben haben. Auch Engelhardt und Springer antworteten nicht. Von Alice Weidel und der Bundes-AfD hieß es: Man sei nicht mit den Akteuren der Tiktok-Guerilla in Kontakt und arbeite nicht zusammen. Krahs Team schrieb: Die Kampagne arbeite aus eigenem Antrieb, man habe dafür keinen Auftrag gegeben.
Wie sich Tiktok manipulieren lässt
Aufgabe der Guerilla – gut 2.000 Leute, die dem Telegram-Kanal folgen – ist es, die Videos in Schrift, Form oder Format zu verändern, damit Tiktok sie nicht löscht. Zum Beispiel, weil der Konzern eine gesteuerte Kampagne erkennt – oder „zensiert“, wie das in der Gruppe genannt wird. Im Frühling hatte Tiktok zum Beispiel die Reichweite von Krahs Account eingeschränkt, nachdem dieser laut Unternehmensangaben gegen Tiktok-Richtlinien verstoßen hatte.
In der Tiktok-Guerilla wird in Tutorials erklärt, wie sich sowas umgehen lässt. Sollte der Tiktok-Account eingeschränkt werden – kein Problem, einfach einen neuen machen.
Unsere Recherchen bestätigen, dass diese Anleitungen auch umgesetzt werden. CORRECTIV konnte knapp ein dutzend Fälle ausfindig machen, in denen Tiktok-Profile mit Namen wie „afdistnichtgleichnazi“ oder „afd_news“ die Videos aus dem Telegram-Kanal der Tiktok-Guerilla veröffentlichten. Darunter zum Beispiel ein Interview, in dem Höcke die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kritisiert, oder eine Aufnahme von René Springer, in der er über ein „Remigrationsministerium“ spricht.
Manche der selbsternannten Guerilla-Kämpfer machen das vielleicht, weil sie die AfD toll finden. Andere machen es vielleicht, weil im Zuge der Kampagne Handys verlost werden an jene, deren Videos besonders viral gehen: Bei einer Aktion rund um Krah und die Europawahl wurden im Mai mehrere iPhones 15 Pro und Samsung Galaxy S24 Ultras verlost. Die Taktik ging auf: Laut einer Recherche der Süddeutschen Zeitung wurden mindestens 10 Millionen Aufrufe generiert.
Wie viele Menschen die aktuelle Kampagne zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wirklich erreicht, bleibt unklar. Das knappe Dutzend Videos zu den Landtagswahlen, die wir mit Hilfe einer Datenauswertung auf Tiktok gefunden haben, erreichte insgesamt nur knapp 100.000 Aufrufe. Wie viele Videos es darüber hinaus noch gibt, lässt sich nicht sagen.
Datenanalyse von CORRECTIV
Der Tiktok-Erfolg der AfD wurde den vergangenen Monaten häufig diskutiert, manche nehmen an, dass er beim Erfolg der Partei unter Jungwählerinnen und -wählern eine Rolle spielt. Diese Recherche zeigt: Er ist zumindest zum Teil künstlich hergestellt.
Und zwar, indem Vorgaben von Tiktok offenbar umgangen werden, die derartige Tricks zum Reichweiten-Gewinn eigentlich verbieten. Es ist zum Beispiel explizit verboten, neue Accounts anzulegen, wenn andere durch Tiktok gesperrt oder eingeschränkt wurden. Untersagt sind auch „verdeckte Einflussoperationen“, die die öffentliche Diskussion beeinflussen oder Wahlergebnisse untergraben sollen.
Gegründet wurde die Guerilla von einem Mann namens Erik Ahrens – Fragen von CORRECTIV beantwortete er nicht. Er ist laut Spiegel Mitglied der Jungen Alternative und war laut Frankfurter Rundschau Social-Media-Berater von Maximilian Krah. Im November 2023 war Ahrens laut Zeit bei dem Geheimtreffen in Potsdam, dem bundesweite Proteste gegen Rechtsextremismus folgten. Er schuf offenbar auch die Webseite „Rechtes Netz“, auch wenn im Impressum der Webseite mittlerweile der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative für Deutschland steht. Dort wird in einem Datenspeicher ebenfalls Rohmaterial für die Guerilla zur Verfügung gestellt.
Die Webseite Rechtes Netz und Erik Ahrens
Die Seite rechtesnetz.de ist eigentlich mit einem Passwort geschützt, doch im April ermöglichte die Tiktok-Guerilla einen kleinen Einblick dahinter: In einem mittlerweile gelöschten Telegram-Beitrag teilte sie einen Link zu einer offenen Unterseite auf Rechtes Netz. Dort liegt Rohmaterial: für Videos von Eric Engelhardt (JA) und Maximilian Krah (AfD), dazu Tutorials, wie sie zu schneiden sind. Die Webseite ist also Teil der Tiktok-Guerilla und dient als Cloud.
Im Impressum wird aktuell auf die Webseite der Jungen Alternative verwiesen. Das war aber nicht immer so: Archivierte Versionen der Webseite zeigen, dass dort noch Ende Dezember 2023 Erik Ahrens stand – er tritt auch öffentlich als Gründer der Tiktok-Guerilla auf.
Damals war die Seite aber noch keine Datencloud, sondern dort wurde ein Social-Media-Werbeangebot angepriesen. „Sie sprechen wenige Minuten in die Kamera. Danach lehnen Sie sich zurück, während wir Sie auf die Bildschirme bringen“, hieß es dort. Offenbar als Arbeitsproben sind unter anderem Videos mit Maximilian Krah zu sehen. Das Angebot richtete sich explizit an Politiker und sollte ihnen auf Tiktok Reichweite verschaffen. Von einer Guerilla-Armee war da noch keine Rede.
Shlomo Finkelstein und das „Wutuniversum“
Vorangetrieben und mitgestaltet wurde die Tiktok-Guerilla von dem verurteilten Volksverhetzer Aron P., der unter dem Namen Shlomo Finkelstein mit dem Youtube-Format Honigwabe auftritt. Er war bis vor kurzem einer der zentralen Treiber im inoffiziellen Tiktok-Wahlkampf der AfD. Gleichzeitig ist er Aktivist im sogenannten Angerverse, einer Gruppe von rechten Youtubern.
Aron P. und andere aus dem „Angerverse“ sammeln nicht nur AfD-Videomaterial und werben auf ihren Kanälen für die Guerilla-Aktion. Mehr noch: Über sie wurde die Verlosung von Handys vor der Europawahl abgewickelt. Als die Gewinner feststanden, wurde das nicht in der Telegram-Gruppe der Tiktok-Guerilla bekannt gegeben, sondern die „Siegerehrung“ fand live in einem Youtube-Stream von Aron P. statt. Es scheint sogar so, als hätte er selbst das Belohnungssystem organisiert: „Wir schenken bis zur EU-Wahl jede Woche demjenigen, der den viralsten Krah-Clip auf Tiktok hochlädt ein Handy“, schrieb er am 19. Mai auf X. „Macht mit bei der Tiktok-Guerilla.“
Auch für die Junge Alternative und ihre Landesorganisationen wirbt Aron P. Zuletzt etwa für ein rassistisches Handyspiel, das die Junge Alternative Brandenburg veröffentlicht hat. Bei der Jungen Alternative Sachsen war er im Juni Interview-Gast. Und nach seiner Verhaftung solidarisierte sich die Bundes-JA mit ihm und forderte „Freiheit für Shlomo“. Auf eine Anfrage von CORRECTIV zur Tiktok-Guerilla und dem „Angerverse“ antwortete die JA nicht.
Was ist das „Angerverse“?
Unter dem Namen „Angerverse“ tritt ein Kollektiv vor allem auf Youtube und X auf. Dazu gehören die Kanäle von mehreren Internet-Aktivisten (hauptsächlich Männer), die in Videos ihre Meinung kundtun. Viele von Ihnen verbreiten rechte Inhalte, manche Hetze – getarnt als Satire. Wie viele Menschen das „Angerverse“ umfasst, ist unklar.
Ein Akteur im „Angerverse“ ist Aron P. alias Shlomo Finkelstein. Er verbreitet seit Jahren auch Hetze und Desinformation. Belltower News schreibt: „In seinen früheren Videos war im Hintergrund regelmäßig zu sehen, wie der Koran verbrannt wird, wie auf dem Koran Schweinefleisch gegrillt wird und auf den Koran uriniert wird.“ Bereits Ende 2020 wurde er in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, zunächst auf Bewährung. Wegen Volksverhetzung, „Beschimpfen von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ und in einem Fall auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Laut Staatsanwaltschaft Köln ist Aron P. seit dem 13. August 2024 in Haft.
AfD-Politiker profitieren von Guerilla-Taktik, als Anreiz dienen Gewinnspiele
Und auch mit Akteuren aus der Mutterpartei ist das „Angerverse“ eng verbunden. Die Grenzen zum AfD-Wahlkampf sind nicht nur fließend, sie sind manchmal kaum zu erkennen.
Ein zentrales Bindeglied war zunächst Maximilian Krah. Im Mai war Krah zu Gast im Podcast von Aron P. – da fiel die Einladung zum gemeinsamen Kochen. Aron P. war damals längst wegen Volksverhetzung verurteilt und wurde von der Staatsanwaltschaft gesucht.
Im Podcast sprachen sie über die Tiktok-Guerilla, P. sagte: „Auf dieser Tiktok-Guerilla haben wir jetzt eine Kooperation gestartet und starten ein Gewinnspiel, bei dem ihr mitmachen und Handys gewinnen könnt.“ Und Krah? Der sagte, er werde sich wohl noch persönlich für das Engagement revanchieren. In welcher Form, das sagte er nicht.
Auf Anfrage von CORRECTIV schreibt sein Team, man habe keine Sachleistungen gesponsert, die angekündigte „Revanchierung“ sei nicht passiert. Und zusammen gekocht habe man auch nicht.
Auf dem X-Kanal von Aron P. ist auch ein Video von Krah: Darin signiert dieser Anfang Juni Fußballtrikots, die bei einer Kampagne zum „Stolzmonat“ im Juni verlost wurden. Diesen Begriff verwenden Rechte und Rechtsextreme in Abgrenzung zum „Pride Month“, sie geben ihm damit einen völkischen und LGBTQIA-feindlichen Anstrich.
Krahs Team schreibt dazu auf Anfrage: Der „Stolzmonat“ sei keine Aktion, die im Rahmen des Wahlkampfes oder der parlamentarischen Arbeit geplant oder durchgeführt wurde. Krah sei gebeten worden, „einige Hemden zu signieren“, das sei geschehen. Vom „Stolzmonat“ an sich wolle man sich nicht distanzieren, betont das Team. Aron P. sei aber kein „persönlicher Freund oder Geschäftspartner“ Krahs. Aber: „Das beide im Rahmen üblicher Veranstaltungen (Wahlkampf, Partei, etc) mehrmals aufeinander getroffen sind, ist gut möglich.“ Von seiner Verurteilung habe man nichts gewusst. Tatsächlich berichteten Medien, darunter CORRECTIV schon lange vor dem „Stolzmonat“ 2024 von Aron P.s Verurteilung.
In der aktuellen Lage wäre es wohl ein Leichtes für die AfD, sich von den Kampagnen zu distanzieren. Immerhin fiel Maximilian Krah nach Spionagevorwürfen und rechtsextremen Äußerungen bereits in Ungnade, im EU-Parlament sitzt er jetzt nicht als Teil der AfD-Delegation, sondern fraktionslos. Und auch von der Jungen Alternative rückte die Partei zuletzt laut einem Medienbericht ab.
Doch da sind nicht nur Verbindungen zu Krah und der JA.
Bezahlte Werbung im „Angerverse“-Umfeld
Da ist zum Beispiel auch Joachim Paul, Landtagsabgeordneter der AfD in Rheinland-Pfalz, der im Mai bei einem Youtuber namens „Schattenmacher“ aus dem „Angerverse“-Umfeld zu Gast war. Doch das war kein gewöhnliches Interview – wie der Youtuber im Stream anfangs erklärt, hat der Politiker einen „Werbeblock“ bei ihm gebucht, also Geld gezahlt, um sich und sein Programm vorzustellen.
Joachim Paul antwortete nicht auf Fragen von CORRECTIV dazu.
Und dann ist da noch Björn Höcke, aktuell Spitzenkandidat für die AfD bei der Thüringer Landtagswahl. Er war schon im Juli 2023 Gast bei Aron P. alias Shlomo Finkelstein. Im Gespräch feierten sie gemeinsam den Erfolg des „Stolzmonat“. P. nannte das eine „Rechtstwitter-Aktion“, der sich die AfD angeschlossen habe, Höcke nannte es eine „fantastische Sache“ und eine „typische Aktion im guten Sinne des Vorfeldes“ – dafür dankte er P. und seinem „Angerverse“-Kollegen. Auch von Höcke signierte Trikots verloste P. an jene, die ihm die besten „Stolzmonat“-Memes per Mail zusenden würden. Höcke antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV, die AfD Thüringen ging inhaltlich nicht auf Fragen ein.
Die Firma Blitzwissen von Guerilla-Gründer Erik Ahrens, eine Art Leseliste für rechte Literatur, schaltet ebenfalls Werbung in verschiedenen Youtube-Sendungen des „Angerverse“. Über Werbeanzeigen rechter Influencer auf Youtube berichtete CORRECTIV auch hier.
Aber bezahlt die AfD, bezahlen die Landtagswahl-Kandidaten Urban, Höcke und Berndt oder ihre Landesverbände dafür, dass die Tiktok-Guerilla für sie eine scheinbar riesige Fanbase auf Tiktok aufbaut und Videos von ihnen verbreitet, zeitweise auch unterstützt durch das „Angerverse“? Jene, die auf die Fragen von CORRECTIV dazu antworteten – Weidel und Krah – dementieren das. Sie dementieren auch, mit Aron P., dem „Angerverse“ oder Ahrens zusammenzuarbeiten. Höcke, Urban, Springer, Berndt und Engelhardt antworteten nicht.
Illegal ist die Guerilla nicht – doch Tiktok sperrt einige Konten
Illegal ist all das nicht. Die Tiktok-Guerilla sei kein verdeckter Wahlkampf, schreibt Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, auf Anfrage von CORRECTIV. Solange hinter den Tiktok-Konten echte Menschen und keine automatisierten Bots stehen, gelte das, was sie machen, ihrer Einschätzung nach als freie Meinungsäußerung. Selbst, wenn sie mit Handys dafür belohnt werden. Das Erstellen und Verbreiten der Videos könne höchstens als Parteispende aufgefasst werden, jedoch würde mutmaßlich die Grenze von 10.000 Euro nicht überschritten, sodass die AfD darüber nicht namentlich Bericht erstatten müsste.
Klar ist aber: Einzelne AfD-Politiker kooperieren für ihren Wahlkampf mit einer rechten Influencer-Szene, zu der auch ein verurteilter Straftäter gehört. Die Online-Aktivisten nutzen inauthentische Accounts auf Tiktok, um die Botschaften der Partei viral gehen zu lassen – solche Accounts anzulegen ist laut Tiktoks Hausregeln eigentlich verboten. Nach einer Anfrage von CORRECTIV sperrte Tiktok mehrere Accounts, die Inhalte aus der Tiktok-Guerilla verbreiten. Allerdings nicht, weil man darin eine „verdeckte Einflussoperation“ sah, sondern weil die Accounts Hass und Verschwörungstheorien verbreitet hätten, wie es auf Anfrage vom Konzern heißt.
Auf Telegram läuft währenddessen schon die Vorbereitung für die nächste Guerilla-Kampagne zur Landtagswahl in Thüringen. „Alles für Björn Höcke im Thüringen-Wahlkampf geben“, heißt es dort. Die aktuelle Aufgabe für die Guerilla-Kämpfer: Videomaterial von Eric Engelhardt zu verbreiten. Er trägt in den Aufnahmen den Anglerhut mit Höcke-Logo und verteidigt, dass Höcke die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“ verwendet hatte. Und wiederholt sie auch selbst – wobei das letzte Wort mit einem Piepton überlagert wird.
Den Höcke-Anglerhut, den kann man auch kaufen – im Patria-Laden der rechtsextremen Identitären Bewegung. Erik Ahrens verbindet einfach mal Wahlkampf mit Geschäft: In der aktuellen „Offensive“ ruft er dazu auf, sogenannte Affiliate-Links zum Onlineshop zu den Videos zu packen. Am Ende kassieren alle: Durch diese Art von Partnerschaft verdient erstens der Patria-Shop, zweitens aber auch die Guerilla-Kämpfer, die den Link teilen – sie werden am Umsatz beteiligt. Und haben dazu wieder eine Gewinnchance: Dem Verbreiter des Videos mit den meisten Aufrufen winkt ein iPad.
Korrektur, 23. August 2024: Wir haben ergänzt, dass die Datenanalyse maximal 100 Following-Accounts pro analysiertem Konto nutzte. Außerdem haben wir ergänzt, dass Krah betont, zum „Stolzmonat“ an sich zu stehen.
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Recherche: Gabriele Scherndl und Kimberly Nicolaus
Redaktion: Alice Echtermann
Redigatur: Alice Echtermann, Sarah Thust
Datenanalyse: Max Donheiser und Philipp Waack
Mitarbeit: Niclas Fiegert
Design: Mohamed Anwar