Geplante Russland-Sanktionen der EU zielen auch auf Einflussnahme in Deutschland
Die EU will am 20. Mai 2025 neue Sanktionen gegen Russland beschließen. CORRECTIV hatte vorab Einblick in einen Entwurf: Er nimmt auch deutsche Staatsbürger und in Deutschland tätige Propagandisten ins Visier. Dazu kommen IT-Unternehmer, deren Rolle CORRECTIV in Russlands hybridem Krieg aufgedeckt hat, sowie Fischerei-Unternehmen, die der Spionage und Sabotage verdächtigt werden.

Update, 20. Mai 2025: Die EU hat das 17. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Die unten im Fließtext erwähnten Akteure finden sich im Anhang zum Beschluss über Maßnahmen angesichts von „destabilisierenden Aktivitäten Russlands“.
Am kommenden Dienstag will die EU das 17. Sanktionspaket gegen Russland formell beschließen. Es richtet sich unter anderem gegen Personen, die in den vergangenen Jahren mit pro-russischen Aktionen in Deutschland aufgefallen sind. Das geht aus einem Entwurf hervor, den CORRECTIV einsehen konnte. Auf der Liste finden sich deutsche Propagandistinnen und Propagandisten, die nach Russland ausgewandert sind, sowie IT-Unternehmer, deren Rolle in Russlands hybriden Krieg CORRECTIV im vergangenen Jahr aufgedeckt hat, und Fischerei-Betriebe, die der Sabotage verdächtigt werden.
Dass das Sanktionspaket die sogenannte Schattenflotte ins Visier nimmt, mit der Russland trotz Sanktionen russisches Öl weltweit verkauft, ist bereits berichtet worden.
Die Verabschiedung des Pakets war schon länger vorbereitet. Gleichzeitig drohten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und EU-Spitzenpolitiker Russland mit noch schärferen Sanktionen, falls es nicht zu einer Waffenruhe in der Ukraine kommen sollte.
Spionage und Sabotage in der Ostsee im Visier
Einige Sanktionen richten sich gegen Unternehmen, die im Verdacht stehen, Schiffe für russische Sabotage und Spionage-Aktionen einzusetzen. Ein Beispiel ist die Firma Norebo JSC aus Murmansk, deren Schiffe nach Informationen der EU Teil einer groß angelegten russischen Kampagne gegen zivile und militärische Infrastruktur in der Nordsee und im Baltikum benutzt werden. Ein Schiff der Norebo JSC darf niederländische Häfen demnach bereits jetzt nicht mehr anlaufen.
Ebenfalls auf der Sanktionsliste findet sich die Firma Murman SeaFood. Einem Schiff ihrer Flotte wird vorgeworfen, NATO-Übungen und kritische Infrastruktur Norwegens ausgespäht zu haben sowie im Zusammenhang mit der Zerstörung eines Unterseekabels in der nördlichen Nordsee auffällig geworden zu sein.
Zwei prominente deutsche Propagandisten
Ein weiterer Teil der Sanktionen richtet sich gegen Firmen und Personen mit Verbindungen zu pro-russischen Einflussoperationen, die entweder in Deutschland stattfanden oder gegen die Bundesrepublik gerichtet waren. Mit Alina Lipp und Thomas Röper sollen zwei der reichweitenstärksten deutschsprachigen Propagandisten sanktioniert werden. Lipp, die sich als unabhängige Journalistin inszeniert, verbreitet auf ihrem Kanal „Neues aus Russland“ immer wieder Falschbehauptungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck zeigten die zentrale Rolle, die Lipp bei der Verbreitung von pro-russischer Propaganda und Falschbehauptungen in Deutschland einnimmt.

Genau wie Lipp verbreitet auch Thomas Röper seit Jahren russische Propaganda: Auf seinem Blog „Anti-Spiegel“ sowie auf Telegram und Youtube streut er Falschmeldungen und Verschwörungsmythen. Laut eigenen Angaben lebt er in Sankt Petersburg.
Auch den pro-russischen Aktivisten Elena Kolbasnikova und Max Schlund wirft die EU destabilisierende Maßnahmen vor. Sie stehen ebenfalls auf der Liste der geplanten Sanktionen. Kolbasnikova wurde 2023 zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem sie öffentlich den russischen Angriffskrieg gebilligt habe. Beide fielen zudem als Initiatoren mehrerer pro-russischer Autokorsos in Deutschland auf. Laut einer Reuters-Recherche sollen dem Paar Flüge von Russland finanziert worden sein. Beide haben Deutschland im Sommer 2024 verlassen, gegen sie gibt es laut Berichten ein Einreiseverbot nach Deutschland.
Propaganda-Portale mit Verbindungen nach Deutschland
Auch die Sanktionierung des Portals Voice of Europe und ihrer Verantwortlichen war schon lange zu erwarten. Vor mehr als einem Jahr kam heraus, dass über das pro-russische Propaganda-Portal offenbar Zahlungen an rechte Europapolitiker flossen. In dem Zusammenhang wird unter anderem gegen den AfD-Politiker Petr Bystron ermittelt, der die Vorwürfe zurückweist (und nicht Teil der aktuell geplanten Sanktionen ist). Anfang Mai 2025 hat das EU-Parlament deswegen die Immunität des Abgeordneten aufgehoben.
Mit „RED“ nimmt die EU außerdem ein Portal ins Visier, das nach Recherchen von CORRECTIV bis zuletzt von Berlin aus operierte. Dabei handelt es sich um einen Nachfolger von Redfish, einem Ableger der Agentur Ruptly, die zum Kosmos des sanktionierten russischen Staatssenders RT gehört. Inzwischen firmiert die Plattform in Istanbul. Die EU wirft „RED“ vor, systematisch Falschinformationen zu politisch kontroversen Themen zu verbreiten, darunter Narrative der palästinensischen Hamas, die die EU und die USA als Terrororganisation einstufen.
Sanktionierung nach CORRECTIV-Recherche
Nach den Plänen der EU-Kommission sollen zudem die IT-Hosting-Firma Stark Industries Solutions sowie deren Chefs Ivan und Juri Neculiti aus der Republik Moldau sanktioniert werden. CORRECTIV hatte im vergangenen Mai aufgedeckt, dass die Neculiti-Brüder und deren Hosting-Dienste Stark Industries Solutions und PQ Hosting eine wichtige Rolle in Russlands hybridem Krieg gegen die EU spielten. Über die Aufnahme auf die Sanktionsliste hatte zuerst Radio Free Europe berichtet.
Auf Servern der Neculitis wurden die Internetseiten von „Reliable Recent News“ (RRN) betrieben. Bei RRN handelt es sich um ein vermeintliches Nachrichtenportal, das pro-russische Propaganda verbreitet und Teil der groß angelegten Desinformations-Kampagne „Doppelgänger“ ist. Auch wurden zahlreiche Cyber-Angriffe, die Internetauftritte von Behörden und Regierungsstellen in Europa durch sogenannte „DDoS-Attacken“ lahmgelegt hatten und auf das Konto der pro-russischen Gruppierung „NoName057(16)“ gehen, über ihre IT-Infrastruktur durchgeführt.
Laut dem Entwurf plant die EU außerdem, pro-russische Aktivisten zu sanktionieren, die auf dem afrikanischen Kontinent aktiv sind sowie Russen, die für das Verfälschen von GPS-Daten im Ostseeraum verantwortlich gemacht werden.
Die Entscheidung über die geplanten Sanktionen soll am 20. Mai in Brüssel fallen.
Update 16. Mai 2025: Wir haben die Formulierung von Überschrift und Vorspann leicht angepasst und ergänzt, dass sich die aktuell geplanten Sanktionen nicht gegen Bystron richten.
Korrektur, 19. Mai 2025: Wir haben den Telegram-Kanal von Alina Lipp sowie das Propaganda-Portal „RRN“ anfangs falsch benannt – dies haben wir korrigiert.
Redigatur und Faktencheck: Justus von Daniels, Sophie Timmermann