Politik

Brantner im Sommerinterview: Aussagen zur Klimapolitik im Faktencheck

Grünen-Chefin Franziska Brantner stellte sich im Sommerinterview den Fragen des ZDF. Einige Aussagen halten einem Faktencheck stand. Behauptungen zur Klimapolitik der Regierung treffen teilweise aber so nicht zu.

von Max Bernhard , Katarina Huth , Lena Schubert , Sophie Timmermann

brantner-Carsten Koall-picture alliance-dpa
Franziska Brantner, hier im Juni im Bundestag zu sehen, stellte sich am 20. Juli im Sommerinterview den Fragen im ZDF (Quelle: Carsten Koall / DPA / Picture Alliance)

Am 20. Juli war die Bundesvorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, beim Sommerinterview des ZDF. Es ging unter anderem um Klimaschutz, Energiepolitik und Patente. 

Einige Aussagen, etwa jene zu Patenten, halten einem Faktencheck stand. Bei ihrer Kritik an der Regierung und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gingen Brantners Aussagen teilweise zu weit. Ein Überblick. 

Aussagen von Brantner zum Klima- und Transformationsfonds größtenteils richtig 

Es sei ärgerlich zu sehen, „dass diese Regierung so viel Geld hat wie nie zuvor und die Aufgaben damit nicht angeht, dass sie rumtrickst, dass sie Klimageld nutzt für Gas […]“.

Bewertung: Größtenteils richtig 

Brantner sagt, der Bundesregierung stehe „so viel Geld wie nie zuvor“ zur Verfügung – und bezieht sich auf einen Teil eines geplanten 500 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens, das die Bundesregierung für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz eingerichtet hat. Konkret sind 100 Milliarden Euro davon für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) bestimmt, um Investitionen in Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft zu finanzieren. Er ist laut Regierung „das wichtigste Instrument auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045“. 

Diese 100 Milliarden wirken auf den ersten Blick beachtlich, doch sie verteilen sich über zehn Jahre, was zehn Milliarden Euro jährlich ergibt. Angesichts der geschätzten Investitionsbedarfe von mehreren hundert Milliarden Euro für den Klimaschutz ist das eher ein begrenzter Beitrag. Zudem sind die Einnahmen des KTF aus dem Emissionshandel für 2025 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig – und ein Großteil davon bereits durch frühere Verpflichtungen gebunden – wie der Bundesrechnungshof kürzlich kritisierte. Er warnt trotz Sondervermögen vor einem knappen finanziellen Spielraum im Fonds.

Brantner wirft der Regierung weiter vor, sie trickse und verwende „Klimageld für Gas“. Tatsächlich zeigen CORRECTIV-Recherchen, dass das Bundesfinanzministerium unter Lars Klingbeil (SPD) rund 20 Milliarden Euro als vermeintlich neue Klimamittel im KTF ausgewiesen hat – obwohl diese Gelder dort bereits veranschlagt waren. Durch diesen buchhalterischen Trick entsteht der Eindruck zusätzlicher Investitionen, obwohl real kein neues Geld bereitgestellt wird. Gleichzeitig plant die Regierung, KTF-Gelder für andere Haushaltszwecke abzuziehen.

Außerdem sollen KTF-Mittel künftig zweckentfremdet werden: So plant die Regierung, die sogenannte Gasspeicherumlage nicht länger von Gaskunden finanzieren zu lassen, sondern aus dem KTF zu begleichen. Damit fließen Gelder aus dem Klimafonds in fossile Infrastruktur – entgegen seinem eigentlichen Zweck. Brantners Vorwürfe bezüglich Intransparenz und Zweckentfremdung der Klimamittel lassen sich somit belegen.

Aussagen zu Katherina Reiche sind überspitzt – Wirtschaftsministerin setzt nicht „komplett“ auf fossile Technologien 

„Wenn man sieht, dass Frau Reiche komplett auf die fossilen Technologien setzt, die neuen kaputt macht, man sieht, es gibt die Speichertechnologien, die sich entwickelt haben […] sie macht das alles wieder rückgängig, setzt rein auf Gas.“

Bewertung: Teilweise falsch

Brantner behauptet, dass Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) „komplett auf fossile Technologien setzt“ und die Energiewende rückgängig mache. Damit spitzt sie eine Kritik zu, die sie zuvor schon gegenüber der Rheinischen Post geäußert hatte.

Tatsächlich kündigte Reiche drei Tage nach Amtsantritt neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von mindestens 20 Gigawatt an, die nicht einmal auf Wasserstoff umrüstbar sein müssen. Dies wäre ein Rückschritt gegenüber den Plänen von Vorgänger Robert Habeck (Grüne). Doch die Umsetzbarkeit ist fraglich: Der Zubau unterliefe laut Spiegel die EU-Leitlinien für Energiebeihilfen. 

Brantner behauptet weiter, Reiche mache neue Technologien „kaputt“. Tatsächlich lehnt die Ministerin weder erneuerbare Energien noch ihre Speicherung komplett ab: So erklärte Reiche der Nachrichtenagentur DPA, „wir brauchen die Erneuerbaren für die Dekarbonisierung“. Auch Stromspeicher seien ein Teil der Lösung, reichten aber alleine nicht aus. 

Richtig ist, dass Reiche die Schlüsselrolle erneuerbarer Energien infrage stellte. Sie nannte den Ausbau „völlig überzogen“ und kündigte einen „Realitätscheck“ der Energiewende an, um deren Kosten zu senken. 

Unklar ist die Zukunft des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Laut Koalitionsvertrag will die Regierung das sogenannte „Heizungsgesetz“ abschaffen. Gemeint ist eine Änderung von 2023, wonach neu eingebaute Heizungen unter bestimmten Voraussetzungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen müssen. Reiche stellt diese Vorgaben infrage: Etwa will die Ministerin das Betriebsverbot für alte Öl- und Gaskessel aufheben, fossile Heizungen könnten so unbegrenzt weiterlaufen. Doch das könnte das im Koalitionsvertrag festgelegte Klimaneutralitätsziel 2045 beeinträchtigen. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen am GEG die Regierung wirklich vornimmt.

Reiche war vor ihrem Ministerposten in der Energiewirtschaft tätig und steht im Ruf, seit ihrem Amtsantritt Klimaschutzziele zu untergraben und fossile Energieträger erneuerbaren vorzuziehen.

Deutschland zählt weltweit zu den führenden Patent-Nationen – Zahlen variieren je nach Statistik

„Wir haben ein Prozent der Bevölkerung, zwölf Prozent der Patente weltweit.“

Bewertung: Richtig

Die Moderatorin sagt bei Minute 10:50, Merz habe den Grünen während des Wahlkampfes  vorgeworfen, es mit dem Klimaschutz übertrieben zu haben. Darauf erwidert Brantner, dass Merz den Ernst der Lage beim Klimaschutz nicht erkenne und kritisiert die fehlenden Ambitionen des Bundeskanzlers für Deutschland: „Wenn Merz sagt: ,Wir sind ein Prozent der Bevölkerung, deswegen müssen wir nichts tun‘. Ich sage mal: ,Wir haben ein Prozent der Bevölkerung, zwölf Prozent der Patente weltweit.‘“ Ihr Ziel sei es, dass Deutschland Maßstäbe setze und bei den Klima-Technologien vorne dabei sei.   

Aber hält Deutschland so viele Patente? Auf Nachfrage verweist die Pressestelle der Grünen auf eine Reuters-Meldung zum Patentindex für 2024 des Europäischen Patentamts, zu dem auch weitere Medien berichteten. Laut dessen Daten (Excel-Datei archiviert) meldete Deutschland letztes Jahr tatsächlich 12,6 Prozent der weltweiten Patente an. Betrachtet man die erteilten Patente, sind es sogar 14,2 Prozent. 

Laut der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hatte Deutschland 2024 dagegen nur einen Anteil von 6,1 Prozent an den Anmeldungen – Platz fünf weltweit. Es kommt also darauf an, welche Statistik man betrachtet. Insgesamt hielten Deutsche 2023 laut Daten, die WIPO uns zur Verfügung stellte, weltweit rund 1,27 Millionen aktive Patente und damit 6,8 Prozent.  

Daten der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) für 2023 zeigen: Deutschland gehört auch bei Patenten für erneuerbare Energien zu den führenden Nationen – allerdings weit hinter China und den USA. 

Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie hier und hier.

Korrektur, 24. Juli 2025: Wir haben die Zahl der aktiven Patente von Deutschen für 2023 laut WIPO korrigiert. Zuvor stand dort die Zahl der aktiven Patente in Deutschland.

Redigatur: Steffen Kutzner, Paulina Thom

CORRECTIV im Postfach
Lesen Sie von Macht und Missbrauch. Aber auch von Menschen und Momenten, die zeigen, dass wir es als Gesellschaft besser können. Täglich im CORRECTIV Spotlight.