Ein Medienimperium aus Luftschlössern: Mit gefälschten Zeitungen ans große Geld
Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik steht wegen Separatismus-Vorwürfen in der Kritik. Dann tauchen mehrere wohlwollende Medienberichte auf – doch die sind erfunden und führen zu einem Netzwerk gefälschter Nachrichtenportale. Digitale Spuren führen zu zwei dubiosen Unternehmern, die offenbar vor allem eins wollen: Geld machen.

An seinem 66. Geburtstag winken Milorad Dodik nicht nur Glückwünsche, sondern auch ein Gefängnisaufenthalt. Bosnische Staatsanwälte ordnen am 12. März 2025 seine Verhaftung an. Sie werfen ihm verfassungsfeindliche Aktivitäten vor. Dodik ist Präsident der Republika Srpska, die Teil von Bosnien und Herzegowina ist, aber in Teilen ein eigenes politisches System besitzt und in der mehrheitlich bosnische Serben wohnen. Er gilt als Kopf der dortigen separatistischen Bewegung, die die Abspaltung von Bosnien und Herzegowina will. Inzwischen wurde Dodik wegen separatistischer Aktivitäten zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt und zum Verlust seines Amtes.
Aus Deutschland und anderen Ländern wurde Dodik zuvor heftig kritisiert. In der Nacht vor seinem Geburtstag aber veröffentlichte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender der Republika Srpska, RTRS, einen Artikel, der einen anderen Eindruck erzeugte: Medien weltweit hätten über eine Stellungnahme Dodiks berichtet, dass die Republika Srpska friedlich sei, heißt es darin. Schuld an der Staatskrise in Bosnien und Herzegowina sei die Regierung in Sarajevo.
Der Sender zeigt einen Artikel des „New York Mirror“. Und verweist im Text auch auf zwei deutsche Medien, die so berichtet hätten: die „Neue Berliner Zeitung“ und das „Frankfurter Handelsblatt“. Doch keine dieser Zeitungen existiert.
Sie sind Teil eines von CORRECTIV.Faktencheck aufgedeckten Netzwerks von mindestens 26 erfundenen Medien weltweit, auf denen Artikel gegen Geld veröffentlicht werden können. Zu dem Netzwerk gehören Profile in Sozialen Netzwerken mit teilweise fast einer Million Followern, die vermutlich zusätzlich Seriosität vortäuschen sollen. CORRECTIV.Faktencheck hat recherchiert, wer hinter diesen Seiten steht und ist dabei auf zwei Männer gestoßen, denen schon mehrfach Betrug vorgeworfen wurde. Die Spur führt über die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate bis nach Österreich. Auch ein ehemaliges Regierungsmitglied in Wien wartet offenbar auf sein Geld.
Informationswäsche als Taktik
Dem Botschafter Bosnien und Herzegowinas in Deutschland, Damir Arnaut, fielen die Zeitungen im März 2025 schnell auf. „Für jemanden, der sich in der deutschen Medienszene auskennt, war sofort ersichtlich, dass es sich nicht um echte deutsche Nachrichtenseiten handelte“, schreibt er uns in einer E-Mail. Nachdem er damit an die Öffentlichkeit gegangen sei, sei „die Scharade“ vorbei gewesen und die Artikel seien innerhalb weniger Stunden verschwunden. Tatsächlich sind die drei Artikel inzwischen nicht mehr aufrufbar.

Diese Taktik hinter solchen Fake-Seiten hat einen Namen: Informationswäsche. Desinformations-Akteure nutzen sie, um falsche Informationen und Narrative über vermeintlich seriöse Absender zu streuen – in diesem Fall erfundene Nachrichtenseiten.
Botschafter Arnaut sieht einen Zusammenhang mit Russland: Das Vorgehen sei identisch mit vergangenen Aktionen mit Verbindungen zum Kreml, die sich gegen andere Länder richteten. Tatsächlich nutzt Russland solche Methoden immer wieder: CORRECTIV berichtete erst im Januar über dutzende gefälschte Nachrichtenseiten, mit denen der Kreml versuchte, Einfluss auf den Bundestagswahlkampf zu nehmen.
Digitale Spuren der Webseiten führen aber zunächst nicht nach Moskau, sondern in die USA. Allem Anschein nach wollen die Strippenzieher vor allem eins: abkassieren.
Ein Artikel auf „weltweit führenden Nachrichtenseiten“ ab 15 Dollar
Registrierungsdaten vom „New York Mirror“ führen zur „GNN Group“. Glaubt man deren Webseite, handelt es sich um ein internationales Medienunternehmen mit über 200-jähriger Geschichte, zu dem angeblich Medien wie „Basler Nachrichten“, „Grazer Tageszeitung“, „Euronews 24“ oder der „Financial Mirror“ gehören.
Whois-Daten: Wie kann ich Informationen über Webseiten herausfinden?
Eigentlich sind Internetseiten über eine Zahlenfolge, die sogenannte IP-Adresse, erreichbar. Damit sich Menschen diese Zahlen nicht merken müssen, gibt es Domains. Wenn Sie im Webbrowser die Domain www.correctiv.org eingeben, liefern sogenannte Nameserver, ähnlich wie ein Telefonbuch, die dazugehörige IP-Adresse, die dann angewählt wird. Mehrere Domains können aber zum Beispiel auch auf dieselbe IP verweisen.
Kauft jemand eine Domain von einem Anbieter, speichert dieser verschiedene Informationen zum Inhaber der Domain, etwa den Namen oder die E-Mail-Adresse. Diese lassen sich dann teils öffentlich über Dienste wie Domaintools, Whoxy oder Denic abrufen. Dafür wird ein Protokoll namens „Whois“ verwendet. Diese Domain-Registrierungsdaten werden deshalb auch Whois-Daten genannt. Um anonym zu bleiben, gibt es auch die Möglichkeit, Privatsphäre-Dienste zu nutzen, deren Daten dann statt der eigenen für die Domain gespeichert werden.
Beim genaueren Blick auf die Webseite der „GNN Group“ bröckelt diese Fassade: Einzelne Links, beispielsweise zu Finanzberichten, funktionieren nicht, und in den Pressemitteilungen taucht auf einmal der Name eines ganz anderen Unternehmens auf: die „News Corp“. Zu diesem Verlag gehören tatsächlich viele bekannte Medien, wie das US-amerikanische Wall Street Journal, die New York Post oder die britische The Times. Die „GNN Group“ dagegen ist erfunden, genauso wie alle angeblich dazugehörenden Medien.
Die „GNN Group“ ist nicht das einzige erfundene Medienunternehmen, das zu dem Netzwerk von Fake-Seiten gehört und dabei existierende Unternehmen imitiert. Da gibt es noch „We Publisher“ (offenbar eine Kopie von „We Work“), „PR Push“ (eine Kopie von „Brand Push“) und das „Global Media Network“ (die der Webseite des rechten US-Moderators Tucker Carlson ähnelt). Sie alle führen die gleichen gefälschten Nachrichtenseiten wie „Neue Berliner Zeitung“, „Frankfurter Handelsblatt“ und „New York Mirror“ auf und versprechen dabei potenziellen Kunden garantierte Veröffentlichung auf „weltweit führenden Nachrichtenseiten“.

Der Preis geht dabei von wenigen zu mehreren Tausend Euro: Einen Artikel in der „Neuen Berliner Zeitung“ gibt es bei „We Publisher“ für gerade mal 15 US-Dollar, das Deutschland-Paket mit mehreren Fake-Medien kostet dagegen 45.000 Euro, Österreich und Schweiz gibt es günstiger. „Mit Millionen von Lesern jeden Monat erhalten Sie einen enormen Schub an Aufmerksamkeit, Interesse und Glaubwürdigkeit“, verspricht die Seite. Ob das wirklich so ist, ist äußerst fragwürdig.

CORRECTIV.Faktencheck identifizierte insgesamt 26 Webseiten, die Teil des Fake-Medienimperiums sind. Registriert wurden die Internetadressen zum Großteil erst in den vergangenen Monaten. Übrigens nutzen die Hintermänner des Netzwerkes die Seiten wohl auch für ihre eigenen Zwecke, doch dazu später mehr.
KI-Moderatoren und hunderttausende Follower auf Instagram
Die erfundenen Nachrichtenseiten werden offenbar unter Einsatz von KI mit Artikeln gefüllt. Wie viele bezahlte Texte darauf erschienen sind, ist unklar und auch,welcher Themenlogik sie folgen – oder ob sie das überhaupt tun.
Dort erscheinen nicht unbedingt nur Informationen, wie die zur Republika Srpska. So gibt es etwa Artikel über eine Studie, die es wirklich gibt. Vermutlich nutzen die Seiten Texte von echten Medien und schreiben diese um. Auf den Seiten finden sich aber auch auffällig viele Artikel über eine Elektro-Roller-Marke oder ein Text über eine österreichische Kunsthandlung.
Auch Autorennamen tauchen mehrfach auf: „Ryan Maxwell“ veröffentlicht bei erfundenen US-Zeitungen, schreibt aber auch für die fiktive „Hamburger Allgemeine“. Ein Professor, der in einem Artikel des „Frankfurter Handelsblatt“ zitiert wird, erklärte hingegen auf Nachfrage, er habe nie mit jemandem dort gesprochen oder sich sonst irgendwo entsprechend geäußert.
Einige der ausgedachten Medien-Seiten haben außerdem Profile in Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder X, und das mit teils beachtlicher Reichweite. So folgen dem fiktiven „New York Mirror“ mehr als 800.000 Follower, die Tucker-Carlson-Kopie „Global Media Network“ schafft es auf fast 150.000 Folgende. Sie sind jedoch Ausnahmen, die meisten Profile haben keine oder wenige Follower oder Likes.
Auf manchen Facebook-Seiten der erfundenen Medien sind neben Links zu Artikeln auch Clips aus Nachrichten-Sendungen zu sehen. Bei den Moderierenden handelt es sich offenbar um Avatare, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurden – das muss auf Facebook eigentlich gekennzeichnet werden. Meta, der Betreiber von Facebook und Instagram, wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Die Beiträge und Seiten sind weiterhin online (Stand: 5. August 2025).

Registrierungsdaten hinter „Medienimperium“ führen zu zwei dubiosen Unternehmern
Wer steckt also hinter dem Netzwerk? Registrierungsdaten, wie Namen oder E-Mail-Adressen, deuten auf zwei Personen aus Österreich: R. und D. Weil sie nicht verurteilt sind, haben wir uns entschieden, ihre Namen nicht zu veröffentlichen.
Allzu viele Informationen findet man über die beiden Männer im Internet nicht. Doch die wenigen Spuren zeigen: Sie suchten offenbar öfter das schnelle Geld und den Erfolg auf Kosten anderer.
Beiträge in Sozialen Netzwerken warnen vor drei Banken, die R. und D. sich ausgedacht haben und damit Menschen betrogen haben sollen. Vor einer der Banken warnte auch die österreichische Marktaufsicht. Ein ehemaliges Regierungsmitglied, der als Berater für das Projekt tätig war, sagt, es warte immer noch auf sein Honorar.
Ein Investmentbetrug mit Schneeball-System geht laut Beiträgen im Netz mutmaßlich auf R.’s Kappe. Eine Betroffene erklärte uns, sie habe durch den Betrug über 20.000 Euro verloren. Ein dazu passender Firmenname taucht auch in den Registrierungsdaten von mehreren der vermeintlichen Nachrichtenseiten auf.
In einem Instagram-Beitrag von September 2024, der vor den beiden warnt, heißt es, D. wolle „mehrere Fake News-Portale in den USA anmelden, um seine Opfer zu diffamieren und sich selbst als reine Seele darzustellen“. Tatsächlich taucht die Bank, vor der die österreichische Marktaufsicht warnte, in mehreren Artikeln des Fake-Netzwerkes auf, darunter vom „New York Mirror“. Darin heißt es, Anschuldigungen gegen den Gründer der angeblichen Bank hätten sich als haltlos herausgestellt. Für einen Kommentar sei er aber nicht zur Verfügung gestanden, weil er auf einer „diplomatischen Sondermission“ sei.
R. meldete sich nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. D. ließ sie durch einen Anwalt beantworten: Er sei Opfer von Datendiebstahl und einer „gezielten Desinformationskampagne“ durch eine kriminelle Gruppe, die „hauptsächlich aus ehemaligen Geschäftspartnern“ bestehe. Weder gegen D. oder Unternehmen, an denen er beteiligt sei, noch gegen R. gebe es Ermittlungs- oder Strafverfahren. Die Bank, vor der die österreichische Marktaufsicht warnte, habe „weder geschädigte Kunden, noch geschädigte Investoren“, das beratende Regierungsmitglied habe „mangels Leistungserbringung“ kein Honorar erhalten.
D. habe zudem keinerlei Verbindungen zu den genannten Medien-Webseiten und -Unternehmen. Fakt ist: Nach unserer Anfrage verschwanden mehrere der Seiten, darunter auch der Artikel, der wohlwollend über ihn berichtete.
Nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck zog der Hostinganbieter Hostinger dann den Stecker: Inzwischen sind die meisten der erfundenen Medien-Webseiten nicht mehr zu erreichen.
Bleibt die Frage, wer die Fake-Artikel zu Serbenführer Dodik in Auftrag gab, die der öffentlich-rechtliche Fernsehsender der Republika Srpska später zitierte. Der Sender antwortete nicht auf die Frage, wie die Redaktion darauf aufmerksam wurde. Auch von Dodik erhielten wir keine Antwort. Der Text von RTRS, der sich auf die nicht existierende „Neue Berliner Zeitung“, den „New York Mirror“ und das „Frankfurter Handelsblatt“ beruft, ist weiter online.
Redigatur: Sophie Timmermann, Sarah Thust