Justiz

Nein, Heiko Maas wollte keinen Kindesmissbrauch in Kinderehen legalisieren

Außenminister Heiko Maas wird im Internet im Zusammenhang mit dem Thema Kinderehen immer wieder stark kritisiert. Nutzer verbreiten auch falsche Behauptungen und Zitate. Aktuell wird in Sozialen Netzwerken behauptet, Maas wolle mit Kinderehen Kindesmissbrauch legalisieren. Die Behauptung stammt aus dem Jahr 2016 und ist aus dem Kontext gerissen.

von Cristina Helberg

US-GERMANY-DIPLOMACY
Maas wurde für seinen Vorschlag zur Einzelfallprüfung der betroffenen Ehen scharf kritisiert. (Foto: Andrew Caballero-Reynolds/ AFP)
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Größtenteils falsch. Heiko Maas setzte sich 2016 eine zeitlang für Einzelfallprüfung von Kinderehen ein und wollte diese teilweise anerkennen, wenn das Kindeswohl nicht gefährdet sei. Später zog er den Vorschlag zurück.

Am 26. Januar veröffentlichte ein Facebook-Nutzer eine Bildcollage mit der Behauptung: „Heiko Maas will mit Kinderehen Kindesmissbrauch legalisieren. Er ist bereit Grundwerte unserer Kultur islamischer Perversionen zu opfern.“ Eine Quellenangabe fehlt. Der Beitrag wurde bisher 3.440 Mal geteilt.

Facebook-Beitrag vom 26. Januar 2019 (Screenshot: CORRECTIV)

Ursprung der Behauptung: Artikel von Tichys Einblick

Wer das Zitat im Netz sucht, stößt auf einen Artikel aus dem Jahr 2016 von Joachim Steinhöfel auf der Seite Tichys Einblick. Der Artikel trägt die Überschrift „Maas will mit Kinderehen Kindesmissbrauch legalisieren“. In dem Artikel formuliert der Autor auch einen zweiten Satz, der zwei Jahre später in dem Facebook-Post auftaucht: „Maas ist bereit, Grundwerte unserer Kultur islamischen Perversionen zu opfern.“ Die Behauptungen bezieht der Autor von Tichys Einblick unter anderem auf eine Meldung des Spiegel vom 28.10.2016.

Darin berichtete der Spiegel über einen Gesetzentwurf des damaligen Justizministers Heiko Maas (heute Außenminister) zu Kinderehen. Im Gegensatz zu Forderungen der CDU wollte Maas Ehen von unter 18-Jährigen nicht grundsätzlich verbieten.

Stattdessen sah sein Entwurf vor, in jedem Fall einzeln zu prüfen, ob das Kindeswohl des minderjährigen Ehepartners gefährdet sei. Der Spiegel zitiert aus dem Gesetzesentwurf: „Die Befreiung soll nur erteilt werden, ‘wenn die beabsichtigte Ehe das Wohl des Antragstellers nicht beeinträchtigt’.“ Heiko Maas wollte mit dem Gesetzesentwurf also in Einzelfällen Ehen mit unter 18-Jährigen anerkennen, jedoch nur wenn das Kindeswohl nicht gefährdet sei.

Sein erster Entwurf setzte sich aber nicht durch.

Maas erntete Kritik für Vorschlag zu Kinderehen  

Maas wurde für seinen Vorschlag zur Einzelfallprüfung der betroffenen Ehen scharf kritisiert. Er zog den Vorschlag daraufhin zurück und setzte sich stattdessen für folgende Regelung ein, die dann auch umgesetzt wurde: Ehen von unter 16-Jährigen grundsätzlich aufzuheben und Ehen von Partnern zwischen 16 und 18 Jahren nur in Ausnahmefällen zu genehmigen. In einer Pressemitteilung am 29. Oktober 2016 betonte Maas: „Im Vordergrund sollte bei jeder Entscheidung immer das Wohl der betroffenen Frau stehen und auch die Frage, wie wir in der Ehe bereits geborene Kinder am besten schützen können.“

Neues Gesetz zu Kinderehen seit Juli 2017

Vor der Gesetzesänderung im Jahr 2017 konnten Jugendliche ab 16 Jahren in Ausnahmefällen mit Zustimmung des Familiengerichts schon vor ihrem 18. Geburtstag heiraten. Seit dem 22. Juli 2017 kann man in Deutschland nur noch heiraten, wenn beide Partner volljährig sind.

Eine Ehe, bei der ein Partner zum Zeitpunkt der Hochzeit noch nicht 16 war, ist nach dem Gesetz automatisch unwirksam. „Sie braucht nicht erst in einem gerichtlichen Verfahren aufgehoben werden. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Ehen nach ausländischem Recht wirksam geschlossen wurden. Für Altfälle gibt es Übergangsvorschriften“, so die Bundesregierung in einer Pressemitteilung zur Gesetzesänderung.

Aktuell zweifelt der Bundesgerichtshof an, ob die neue Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine Entscheidung steht noch aus.

Halle Leaks erfindet vermeintliches Zitat von Heiko Maas

Das Thema Kinderehen wird in Sozialen Netzwerken kontrovers diskutiert. Immer wieder taucht in den Kommentaren auch ein vermeintliches Zitat von Heiko Maas auf, dass inhaltlich an die Behauptung von Tichys Einblick anknüpft: „Auch wenn die Ehefrau erst 6 und der Mann 56 ist, können wir nicht einfach unterstellen, die Heirat wäre nicht aus Liebe vollzogen“. Diesen Satz hat Heiko Maas nie gesagt. Er ist frei erfunden. Der Satz geht zurück auf das Vorschaubild eines Artikels aus dem Jahr 2016 der rechten Seite Halle Leaks, die immer wieder Falschmeldungen veröffentlicht.

Dieses Vorschaubild erscheint, wenn Nutzer den Beitrag auf Facebook teilen wollen, Screenshot: CORRECTIV