Nein, Zellen von menschlichen Föten und Affen oder Glyphosat sind keine Inhaltsstoffe von Impfungen
Anders als in einem Artikel behauptet, sind Zellen von abgetriebenen Föten und Affen oder Glyphosat nicht Inhaltsstoffe von Impfungen. Es ist richtig, dass Spuren der drei Stoffe darin vorkommen können – in sehr geringen Mengen, die nicht schädlich sind.
Am 28. November 2019 veröffentlichte die Webseite GM-Gesund-Magazin einen Artikel zu verschiedenen Inhaltsstoffen in Impfungen mit der Überschrift: „Bestätigt !! – Glyphosat und Nierenzellen von Affen in Impfstoffen“. Darin wurde behauptet, dass Nierenzellen von afrikanischen Grünen Meerkatzen (einer Affenart) und Zellen von abgetriebenen menschlichen Föten Inhaltsstoffe von Impfungen seien und auch Glyphosat (ein umstrittenes Unkraut-Bekämpfungsmittel) in Spuren darin zu finden sei.
Als Quelle nennt GM-Gesund-Magazin Artikel der Seiten Netzfrauen und Natural News von 2017. Alle verweisen auf ein Dokument des Center for Disease Control and Prevention (CDC), einer Gesundheitsbehörde der USA. Es dient als Hauptbeleg der Behauptungen. Zusammengenommen wurden die drei Texte laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 2.000 Mal geteilt.
Nach unserer Recherche sind weder Zellen von Affen noch von abgetriebenen Föten oder Glyphosat Inhaltsstoffe von Impfungen. Der Artikel führt hier in die Irre. Was stimmt, ist, dass Impfungen sehr geringe Spuren dieser Stoffe aufweisen können. Sie stammen aus der Umwelt oder dem Herstellungsprozess.
Warum werden Zellen von Lebewesen für die Herstellung von Impfstoffen verwendet?
„Lebendimpfstoffe enthalten geringe Mengen vermehrungsfähiger Krankheitserreger, die jedoch so abgeschwächt wurden, dass sie die Erkrankung selbst nicht auslösen“, erklärt die Webseite impfen-info.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Die Viren müssten für den Impfstoff allerdings zuerst gezüchtet werden. Das Bundesumweltamt erläutert auf seiner Webseite, dass sich Viren nur mithilfe von lebenden Zellen vermehren könnten und man daher für die Vermehrung geeignete Wirtszellen benötige.
Zellen von abgetriebenen Föten sind kein Inhaltsbestandteil von Impfstoffen
Die Presseabteilung des Paul-Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Impfstoffe, erklärt uns in einer E-Mail, dass es „tatsächlich einige Virus-Impfstoffe [gibt], bei denen für die Vermehrung der Viren, Zell Linien (!) aus fötalen Zellen verwendet werden.“
Es gebe Zelllinien, die auf Zellen zweier abgetriebener Föten aus den Jahren 1961 (Zelllinie WI-38) und 1966 (Zelllinie MRC-5) zurückgehen. „Der Begriff ‘Zelllinie’ bedeutet, dass diese Linie einmalig angelegt wurde und seitdem kontinuierlich vermehrt und eingefroren wird. Es ist also nicht so, dass immer wieder neue Föten benötigt werden, um Impfstoffe produzieren zu können“, schreibt uns die Pressesprecherin Frau Dr. Susanne Stöcker des PEI. Weiter heißt es: „Für die Herstellung von Impfstoffen wird kein Gewebe von erneut abgetriebenen Föten eingesetzt.“ Die Föten seien zudem nicht deshalb abgetrieben worden, um Ihnen Gewebe für die Zelllinien zu entnehmen.
Für den Impfstoff werden die Viren laut Paul-Ehrlich-Institut gereinigt und Reste der Zellkultur entfernt. Sie könnten allerdings unter Umständen als Spuren in den Impfstoff gelangen. Diese Reste der Zelllinien-Kulturen seien allerdings keine Inhaltsstoffe, da sie nicht „bewusst zugefügt“ würden, erklärt uns das Paul-Ehrlich-Institut. Sie seien Hilfsstoffe bei der Herstellung der Inhaltsstoffe.
Auch dem Dokument des Center for Disease Control, der Hauptquelle der Texte, lässt sich entnehmen, dass es sich bei vielen der angegebenen Stoffe um Hilfsstoffe handelt: „Diese Tabelle beinhaltet nicht nur Impfinhaltsstoffe […], sondern auch Substanzen aus dem Herstellungsprozess, […] die aus dem finalen Produkt entfernt werden und nur in Spurenmengen vorhanden sein können.“ Das Dokument belegt also nicht, dass abgetriebene Föten Inhaltsstoffe von Impfungen sind, wie der Text des GM-Gesund-Magazins behauptet.
Auch Zellen von Grünen Meerkatzen sind nicht Inhalt von Impfstoffen
Der Artikel des GM-Gesund-Magazins behauptet außerdem, dass sich Nierenzellen aus afrikanischen Grünen Meerkatzen, einer Affenart, im Impfstoff der Impfung ACAM2000 (einer Pockenimpfung) befinden würden.
Es handele sich auch hier, wie bereits bei den „Zellen von abgetriebenen Föten“ nicht um Inhaltsstoffe der Impfung, sondern um Hilfsstoffe bei der Herstellung der Impfung, erklärt das Paul-Ehrlich-Institut. Auch hier würden keine Affen permanent für neue Impfungen umgebracht werden. Es gehe um die Zelllinie zurückgehend auf Nierenzellen von grünen Meerkatzen (Verozellen genannt). Auch hier führt das GM-Gesund-Magazin also in die Irre.
Verwendung der Zelllinien für Impfungen in Deutschland?
In dem Text des GM-Gesund-Magazins ist angegeben, dass die Zellen (also eigentlich Zelllinien), die auf Grüne Meerkatzen und abgetriebene Föten zurückgehen, für die Impfstoffe gegen Pocken (ACAM2000) und den Adenovirus verwendet würden.
Gegen Pocken werde allerdings nicht mehr geimpft, seit die Weltgesundheitsorganisation Pocken für ausgestorben erklärt habe, so das Paul-Ehrlich-Institut in der E-Mail an uns. Der spezielle ACAM2000-Pockenimpfstoff, der in der Zelllinie der Grünen Meerkatze vorbereitet wird, ist nur für Personen gedacht, die in einem geschützten Labor mit Erregern in Kontakt kommen könnten, wie man einem Artikel des Center for Disease Control von 2016 entnehmen kann. Der Impfstoff ist zudem nicht in Europa zugelassen, wo ein anderer Impfstoff gegen Pocken namens Imvanex in Ausnahmefällen verwendet wird.
Auch gegen Adenoviren gebe es in Europa keinen Impfstoff, so das Paul-Ehrlich-Institut. Die beiden Impfstoffe, die im Artikel genannt werden, sind also in Deutschland nicht in Verwendung.
Auf Anfrage beim Paul-Ehrlich-Institut, erklärt man uns allerdings, dass in Europa teilweise andere Virenarten mit den Zelllinien aus den abgetriebenen Föten gezüchtet werden.
Beispielsweise werden nach Angaben der Gebrauchsinformation Rötelnviren für einen Impfstoff gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken in „humanen diploiden Lungenfibroblasten“ der Zelllinie WI-38 gezüchtet. Ein weiteres Beispiel für die Nutzung von Zelllinien in der Herstellung eines in Europa zugelassenen Impfstoffs ist die Impfung Hexyon gegen Kinderlähmung. Für sie werden Verozellen verwendet (Seite 2).
Glyphosat kann in winzigen Mengen Impfstoffen vorhanden sein
Das Paul-Ehrlich-Institut bestätigt in seiner Stellungnahme CORRECTIV gegenüber, dass Spuren des Unkrautvernichters Glyphosat in Impfstoffen vorhanden sein können: „Die für die Impfstoffe gemessenen Konzentrationen sind sehr gering (im Bereich ppb = Teile pro Milliarde) und nur mit extrem empfindlichen Messverfahren nachweisbar. Da sich Glyphosat in der Umwelt befindet, lassen sich etwaige Glyphosatspuren damit erklären.“
Die Angaben im GM-Gesund-Magazin-Artikel zu den Werten von Glyphosat in Impfungen beziehen sich auf eine Studie von Moms Across America, einer Organisation, die sich gegen Impfungen und genveränderte Pflanzen einsetzt. In dieser Studie beträgt der höchste gemessene Wert von Glyphosat in einer Impfung 0,325 ppb (Anteil pro Milliarde). Bei der Impfung handelte es sich um eine Pneumokokken-Impfung (Pneumovax 23).
Auf der Webseite des Bundesinstituts für Risikobewertung kann man Angaben zur akuten Referenzdosis für Glyphosat finden. Dieser Wert legt die höchste Dosis fest, die aufgenommen werden kann, ohne dass ein toxischer Effekt gemessen wird. Er wird von der EU festgelegt und beträgt 0,5 mg/kg Glyphosat pro Tag. Da 0,325 ppb (0,000325 mg/kg) deutlich weniger als 0,5 mg/kg sind, ist selbst die höchste gemessene Menge von Spuren an Glyphosat in einer Impfung laut den Behörden unbedenklich. Auf der Webseite des Bundesamts für Risikobewertung kann man weitere Informationen zur gesundheitlichen Einschätzung von Glyphosat finden.
Es stimmt also, dass Glyphosat in manchen Impfungen nachweisbar ist, allerdings ist dies nicht schädlich für den Menschen.
Generell sagt das Paul-Ehrlich-Institut zur Unverträglichkeit von Impfungen und allen in ihnen vorkommenden Stoffen: „Schwerwiegende Reaktionen stellen nach allen verfügbaren Daten eine absolute Ausnahme dar. Krankheiten dagegen führen häufig zu sehr schweren Komplikationen […].“