Faktencheck

Corona: Zahlen über Patienten auf Intensivstationen in Helios-Kliniken werden irreführend verbreitet

In den Sozialen Netzwerken kursieren Belegungszahlen der Helios-Krankenhäuser, die angeblich zeigen, dass in Deutschland kaum Corona-Patienten auf den Intensivstationen liegen. Die Daten werden jedoch irreführend verbreitet – und geben keinen Überblick über die gesamte Lage in Deutschland.

von Kathrin Wesolowski

Dieser Screenshot zeigt die Zahlen der Patienten in der Helios-Endo-Klinik in Hamburg mit und ohne Corona-Infektion am 2. November. (Quelle: Kopp-Report / Screenshot: CORRECTIV)
Behauptung
Daten der Helios-Kliniken belegten, dass so gut wie keine Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt seien, die Pandemie sei also nicht gefährlich.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die Daten liefern keinen Überblick über die Situation oder Entwicklung bei der Belegung von Krankenhausbetten mit Corona-Patienten in Deutschland.

Die Helios-Kliniken veröffentlichen seit kurzem täglich die Bettenauslastung ihrer 86 Kliniken in Deutschland. Diese Zahlen werden nun teilweise mit irreführenden Behauptungen im Netz verbreitet. „Intensivbett-Lüge aufgeflogen“, schreibt beispielsweise die Facebook-Seite „Freiheit der Gedanken“ und veröffentlicht Screenshots von Zahlen der Bettenbelegung in einigen Helios-Krankenhäusern am 3. November. Auch die Webseite Kopp-Report verbreitet Screenshots der Helios-Daten, allerdings vom 2. November.

Es wird suggeriert, die Daten seien ein Beleg, dass so gut wie keine Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt seien. „Schaut euch selbst die Rohdaten an und entscheidet wie gefährlich Corona wirklich ist“, heißt es in dem Facebook-Beitrag, der rund 3.500 Mal geteilt wurde. Der Artikel von Kopp-Report suggeriert dasselbe, mit dem Titel „Helios-Kliniken veröffentlichen Corona-Fakten: Keine Pandemie von nationaler Tragweite?“. Er wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 2.600 Mal auf Facebook geteilt.

CORRECTIV hat die Behauptung überprüft: Die Daten der Helios-Kliniken werden ohne relevanten Kontext verbreitet. Sie lassen solche Schlüsse nicht zu. Die Zahlen der Helios-Kliniken zeigen nur einen kleinen Teil der Krankenhausbelegungen mit Covid-19-Patienten in Deutschland. 

Die Helios-Kliniken veröffentlichen täglich Daten darüber, wie viele Betten mit Corona-Patienten belegt sind

In einer Pressemitteilung vom 30. Oktober verkündeten die Helios-Kliniken, dass sie ab sofort täglich auf ihrer Webseite die Zahlen der Bettenauslastung ihrer 86 Kliniken in Deutschland veröffentlichen. 

„Die Zahl der Neuinfektionen allein ist noch nicht aussagekräftig darüber, ob unser Gesundheitssystem mit der Pandemie umgehen kann. Entscheidend ist die Lage in den Kliniken“, wird der Geschäftsführer Medizin der Kliniken, Andreas Meier-Hellmann, zitiert. Die Helios-Kliniken verfügten über 1.300 Intensivbetten, zu denen sie bei einem deutlichen Anstieg der stationären Covid-Patienten kurzfristig 1.000 zusätzlich aufstellen könnten, heißt es in der Mitteilung weiter.

In dem Blogartikel von Kopp-Report wurden Screenshots der angeblichen Belegung von sechs Helios-Krankenhäusern vom 2. November veröffentlicht: der Helios-Endo-Klinik und der Helios-Mariahilf-Klinik in Hamburg, der Helios-Klinik München-Perlach, der Helios-Klinik München-West, der Helios-St.-Elisabeth-Klinik Oberhausen und dem Helios-Klinikum Emil von Behring in Berlin.

Alle Screenshots zeigen, dass in diesen Kliniken an diesem Tag wenige Corona-Patienten stationiert waren. In der Helios-Endo-Klinik in Hamburg zum Beispiel befanden sich dem Screenshot zufolge 123 Patienten auf Normalstationen, davon keine Person mit einer Corona-Infektion, und zwei Patienten auf der Intensivstation, davon keine Person mit Covid-19.

Dieser Screenshot zeigt die Zahlen der Patienten in der Helios-Endo-Klinik in Hamburg mit und ohne Corona-Infektion am 2. November. (Quelle: Kopp-Report / Screenshot: CORRECTIV)

An der Situation in Hamburg hat sich seitdem nicht viel verändert: Aktuell (Stand 6. November) befinden sich 185 Patienten auf der Normalstation in der Hamburger Helios-Endo-Klinik und zwei Patienten auf der Intensivstation. Keine dieser Personen ist mit Covid-19 infiziert. 

Andere Beispiele zeigen jedoch, dass einzeln ausgewählte Kliniken kein vollständiges Bild vermitteln können: Im Wuppertaler Helios-Universitätsklinikum beispielsweise liegen am 6. November laut Helios 615 Menschen auf der Normalstation, davon 22 mit Covid-19. Von den 74 Intensivpatienten sind sechs mit Corona infiziert. Und in Duisburg haben 38 von 418 Menschen auf der Normalstation Corona, und 9 von 25 Patienten auf der Intensivstation. 

Helios-Sprecherin: „Wir distanzieren uns von Leugnern der Corona-Pandemie, die unsere transparenten Zahlen zur Untermauerung ihrer Thesen nutzen“

Die Daten, die in dem Blogartikel als Screenshots beigefügt wurden, sind richtig, wie uns die Sprecherin Ines Balkow der Helios-Kliniken per E-Mail bestätigte. „Wir leisten mit der Veröffentlichung der Zahlen einen Beitrag zur Transparenz. Wir distanzieren uns jedoch ausdrücklich davon, dass Leugner der Corona-Pandemie unsere transparenten Zahlen zur Untermauerung ihrer Thesen nutzen“, schrieb uns die Sprecherin. Die Veröffentlichung der Daten diene dazu, die Maßnahmen in den Kliniken einzuordnen und zu steuern.

Derzeit sei die Lage in den Helios-Kliniken weitgehend unkritisch, schrieb sie weiter. „Gleichwohl gibt es deutliche regionale Unterschiede – in einigen Kliniken haben wir sehr wenige Covid-Patienten, zum Beispiel im Norden, während wir in einzelnen anderen Kliniken in den letzten Tagen einen deutlichen Anstieg an stationären Covid-Patienten verzeichnen müssen.“ Aktuell gebe es aber noch ausreichend Kapazitäten. „Stand 5. November behandeln wir insgesamt bei Helios 519 Covid-Patienten auf Normalstation und 142 Covid-Patienten auf Intensivstation.“

Stand 5. November: Deutschlandweit gibt es noch 6.894 freie Intensivbetten – Warnungen beziehen sich vor allem auf Personalmangel

Einen Gesamtüberblick über die Situation der Belegung von Intensivbetten in Deutschland liefern die Zahlen der 86 Helios-Kliniken nicht. In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt insgesamt 1.925 Krankenhäuser (Stand 1. September 2020). Daten über 1.286 dieser Kliniken mit Intensivstationen erfasst das sogenannte DIVI-Intensivregister. Am 5. November wurden für 1.286 meldende Kliniken verzeichnet, dass es insgesamt 21.718 belegte und 6.894 freie Intensivbetten gab. 2.653 Intensivbetten waren mit Corona-Patienten belegt.

Der Facebook-Beitrag impliziert mit dem Verweis auf eine angebliche „Intensivbett-Lüge“, diese Situation werde aktuell nicht korrekt dargestellt. Von wem, wird nicht gesagt. Eine Recherche in aktuellen Medienberichten (zum Beispiel RTL, Ruhr24, Tagesschau) zeigt, dass aktuell vor allem die Sorge vor einer zukünftigen Überlastung der Krankenhauskapazitäten und vor einem Mangel an medizinischen Personal die Debatte bestimmt.

Fazit: Die Daten der Helios-Kliniken werden ohne relevanten Kontext verbreitet. Sie liefern keinen Überblick über die Gesamtsituation der Belegung von Krankenhausbetten und Intensivbetten in Deutschland.

Redigaturen: Alice Echtermann, Uschi Jonas

Die wichtigsten öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressemitteilung der Helios-Kliniken zur täglichen Veröffentlichung der (Intensiv-)Bettenbelegung in ihren Kliniken (Link)

  • Zahlen zur Bettenauslastung in den 86 Helios Kliniken in Deutschland (Link)

  • DIVI-Intensivregister über die freien und belegten Behandlungskapazitäten in der Intensivmedizin (Link)
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