Politik

Nein, der Bundestag kostet die Steuerzahler aktuell nicht mehr als eine Milliarde Euro

In einem offenen Brief auf der Webseite „Die Unbestechlichen“ werden die aktuellen Ausgaben des Bundestags auf über eine Milliarde Euro beziffert. CORRECTIV hat die Behauptung überprüft.

von Simon Wörz

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Die Kosten für den Bundestag sind in den vergangenen Legislaturperioden gestiegen. (Foto: pixabay/betexion)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Die Ausgaben für den Bundestag liegen aktuell knapp unter einer Milliarde Euro. Der Verfasser des Textes hat eine irreführende „Bild“-Überschrift als Fakt wiedergegeben.

Am 8. April veröffentlichte die Webseite Die Unbestechlichen einen offenen Brief mit dem Titel Mehr als 1 Mrd. € kostet uns der Deutsche Bundestag“. Das Schreiben richtet sich an die Abgeordneten des Bundestags und kritisiert die Arbeit des Parlaments unter anderem als „elitäre und abgehobene Form der Selbstbeschäftigung“.

Als Verfasser des Briefs wird der Blog Conservo genannt; die Webseite schreibt aber auch von einem „Netzfund“ und verweist auf einen Facebook-Link, der zu einer geschlossenen Gruppe führt. In dem Text wird die Überschrift eines Bild-Artikels vom 4. April als Quelle dafür genannt, „dass der Bundestag uns Steuerzahler sagenhafte 1.040.000.000 Euro kosten würde“.

Ein Ausschnitt des offenen Briefs auf der Webseite Die Unbestechlichen (Screenshot CORRECTIV)

Der Bundestag kostet aktuell weniger als eine Milliarde Euro

Im Haushaltsplan der Bundesregierung für das Jahr 2019 sind für den Bundestag Ausgaben in Höhe von 913,37 Millionen Euro veranschlagt. 2018 lagen die Kosten für den Bundestag bei 900,38 Millionen Euro. Die Aussage des offenen Briefs ist demnach als falsch zu bewerten. Da sich der Verfasser eindeutig auf die Bild-Zeitung bezieht, hat sich CORRECTIV die Schlagzeile genauer angeschaut.

Die Zahl der Bild-Zeitung basiert auf Umfragewerten

Der Autor des Bild-Artikels prognostizierte Kosten in Höhe von 1,04 Milliarden für die kommende Legislaturperiode ab 2021. Basierend auf Umfrageergebnissen des INSA-Meinungstrends zur Bundestagswahl, würde der Bundestag laut Bild auf 804 Abgeordnete wachsen“. Dafür verantwortlich sind Überhang– und Ausgleichsmandate, welche in den vergangenen beiden Legislaturperioden für einen Anstieg der Abgeordnetenzahlen führten.

Würde es sich bei den Umfragewerten um reale Wahlergebnisse handeln, führe das laut Berechnung der Bild zu einem Kostenanstieg von 70 Millionen.

 

Auf der Seite des Bundeshaushaltsplans sind die Ausgaben einzusehen (Screenshot CORRECTIV)

Zudem berücksichtigt der Verfasser des Bild-Artikels bei den Ausgaben des Bundestags auch zentral veranschlagte Verwaltungsausgaben, die Ausgaben für die deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments, den Wehrbeauftragten sowie die parlamentarischen Kontrolldienste der Nachrichtendienste. Daraus ergeben sich aktuelle Ausgaben von 973,69 Millionen Euro, die summiert mit den angenommenen Kosten die Zahl von 1,04 Milliarden Euro ergeben.

Aus der Bild-Überschrift geht nicht hervor, dass es sich um eine hypothetische Annahme mit Blick auf die nächste Bundestagswahl handelt. Die Schlagzeile ist aus dem Kontext gerissen und in ihrer Missverständlichkeit von dem Verfasser des offenen Briefes auf der Webseite Die Unbestechlichen als aktuelleTatsachenbeschreibung weiterverbreitet worden.

Der Titel des kostenpflichtigen Artikels der Bild (Screenshot CORRECTIV