Politik

Nein, die Fraktionsvorsitzende der Thüringer Linken will geheime Wahlen nicht abschaffen

Die Linken-Politikerin Susanne Hennig-Wellsow sagt im ZDF-Morgenmagazin, wie sie verhindern möchte, dass Parteikollege Bodo Ramelow mit Hilfe der Stimmen der AfD zum Ministerpräsident Thüringens gewählt wird. Sie spricht aber nicht davon – wie in einem Artikel von PI-News behauptet – geheime Wahlen abzuschaffen.

von Lea Weinmann

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Der Artikel stützt sich auf ein Interview der Linken-Politikerin Susanne Hennig-Wellsow im ZDF-Morgenmagazin am 10. Februar. (Screenshot: CORRECTIV)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Susanne Hennig-Wellsow hat nie gefordert, geheime Wahlen abzuschaffen. Die Zitate aus dem Interview sind richtig, ihre Aussagen werden jedoch irreführend interpretiert.

In einem Artikel auf der Webseite PI-News wird im Titel behauptet, die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, wolle geheime Wahlen abschaffen. Der Text wurde am 11. Februar veröffentlicht und laut dem Analysetool Crowdtangle bisher etwa 1.000 Mal auf Facebook geteilt.

Die Behauptung ist teilweise falsch. Eine solche Forderung hat Hennig-Wellsow nie getroffen. Die Überschrift des Artikels ist demnach irreführend. 

Der Artikel bezieht sich auf ein Interview, das am 10. Februar im ZDF-Morgenmagazin ausgestrahlt wurde. Das Video dazu ist in kompletter Länge auf der Webseite des ZDF zu finden. Der Moderator Mitri Sirin interviewte Susanne Hennig-Wellsow zur aktuellen politischen Lage in Thüringen.

Gauland: Thüringer AfD soll Ramelow wählen

Der ZDF-Moderator fragte Hennig-Wellsow, ob Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow, der erneut für die Thüringer Linkspartei antritt, eine Wahl zum Ministerpräsidenten annehmen würde, sollte er mit Hilfe der Stimmen der AfD gewählt werden. Vorausgegangen war die Empfehlung von Alexander Gauland (AfD) an seine Parteikollegen in Thüringen, bei der nächsten Wahlrunde Ramelow ihre Stimmen zu geben. Das hatte der AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag laut Medienberichten der Deutschen Presse-Agentur gesagt. 

Hennig-Wellsow sagte dazu im Wortlaut (im Video etwa ab Minute 02:35):

„Wir werden Bodo Ramelow nur aufstellen, wenn wir wissen, dass wir demokratische Mehrheiten haben. Das heißt, wenn wir Zusicherungen von CDU- und möglicherweise FDP-Abgeordneten haben, dass wir gemeinsam die notwendigen 46 Stimmen, also die absolute Mehrheit, stellen können. Wir werden nicht auf die Stimmen der AfD setzen und weisen das auch scharf zurück. Insofern hat Gauland mal wieder gezeigt, was die AfD eigentlich will: Sie will die Demokratie als Werkzeug benutzen, um sie zu zerstören, und das werden wir nicht zulassen.“

Hennig-Wellsow: „Das kann ich ausschließen, wenn Stimmen dokumentiert sind“

Sirin gab zurück, Hennig-Wellsow könne nicht ausschließen, dass die AfD Bodo Ramelow mitwähle. Die Landespolitikerin entgegnete: „Das kann ich ausschließen, wenn die Stimmen dokumentiert sind.“

Das Interview im ZDF-Morgenmagazin vom 10. Februar. (Screenshot: CORRECTIV)

Aus diesem Gesprächsverlauf schlussfolgert der Autor des Artikels auf PI-News, Hennig-Wellsow wolle geheime Wahlen abschaffen. Diese sind in Artikel 70 der Landesverfassung Thüringens vorgeschrieben. Deshalb sei die Aussage so zu interpretieren, dass ein Verfassungsbruch angestrebt werde.

Der Sprecher der Thüringer Linken, Paul Becker, erklärt dazu am 12. Februar in einer E-Mail an CORRECTIV: „Frau Susanne Hennig-Wellsow möchte geheime Wahlen nicht abschaffen und hat dies auch nicht behauptet.“ 

Mit „Dokumentation der Stimmen“ habe sie die öffentliche Unterstützung Bodo Ramelows durch die CDU gemeint. Die Linke wolle Ramelow nur dann erneut für eine Wahl aufstellen, wenn ihm „eine demokratische Mehrheit (durch Stimmen von CDU und FDP) sicher ist“, schreibt der Sprecher. Andernfalls werde man den ehemaligen Ministerpräsidenten nicht aufstellen, sondern strebe Neuwahlen an.

Becker fügt hinzu: „Vor der Wahl seine Unterstützung für einen Kandidaten kundzutun, ist vollkommen normal und entspricht den demokratischen Gepflogenheiten.“

Der Thüringer Linken-Sprecher Paul Becker antwortete am 12. Februar mit dieser E-Mail auf eine Anfrage von CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)

Der am 5. Februar mit Stimmen von FDP, CDU und AfD gewählte Thüringer Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) war am Samstag mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Zuvor hatte es laut Medienberichten heftigen Protest daran gegeben, dass er mit Hilfe der thüringischen AfD gewählt worden war.

Nun soll ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Kemmerich bleibe vorerst geschäftsführend im Amt, berichten Medien. Auch Neuwahlen stehen demnach im Raum.