Polizei

Frankreich: Keine Belege, dass 2.000 Gelbwesten ihr Augenlicht durch Polizeigewalt verloren haben

In einem Instagram-Beitrag wird behauptet, in Frankreich seien 2.000 Personen bei Gelbwesten-Protesten durch Polizeigewalt erblindet. Dafür gibt es keine Belege – französische Journalisten zählen weitaus weniger Fälle.

von Till Eckert

gelbewesten
Der Instagram-Beitrag mit einer unbelegten Behauptung zu erblindeten Gelbwesten. (Screenshot und Collage: CORRECTIV)
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Unbelegt. Es gibt keine Belege dafür, dass 2.000 Gelbwesten ihr Augenlicht verloren haben – französische Journalisten gehen aktuell von 25 Fällen aus.

Der Instagram-Nutzer „dreckiger_kommunist“ veröffentlichte am 16. Dezember 2019 einen Beitrag, in dem er behauptet, dass in Frankreich im Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten etwa 2.000 Menschen durch „die Polizei und ihre Gummigeschosse ihr Augenlicht verloren“ hätten. Eine Quelle liefert er nicht. Der Beitrag hat mehr als 2.400 Likes (Stand: 20. Januar 2020).

Wir haben die Behauptung überprüft.

Innenministerium lässt Frage nach Menschen, die ihr Augenlicht verloren haben, unbeantwortet

Auf eine CORRECTIV-Anfrage beim französischen Innenministerium antwortete ein Sprecher per E-Mail: „Auf Ihre Anfrage hin kann ich Ihnen mitteilen, dass wir zwischen dem 17. November 2018, dem Beginn der ‘Gelbwesten’-Demonstrationen, und dem 16. November 2019, d.h. einem Jahr, etwa 2.500 Verletzte unter den Demonstranten und 1.900 Verletzte bei den Strafverfolgungsbehörden gezählt haben. Darüber hinaus wurden 333 Ermittlungen von der IGPN [Anm.: eine Art Dienstaufsicht der Polizei] und der Polizei eingeleitet, von denen 222 an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden.“

Die Frage nach den Fällen, in denen Menschen ihr Augenlicht verloren hätten, ließ das Innenministerium unbeantwortet. Wir haben deshalb zusätzlich bei den französischen Faktencheckern des Projekts CheckNews der Zeitung Libération angefragt. 

Französische Journalisten gehen von weitaus weniger Fällen aus

Jacquez Pezet, der sich bei seiner Arbeit schon häufiger mit den Gelbwesten-Protesten beschäftigte und früher auch für CORRECTIV.Faktencheck tätig war, schrieb uns: „Ich hatte für Libération bis zum 26. Januar 2019 die schwerverletzten Gelbwesten auf einer Liste gesammelt. Damals kam ich auf die Zahl von 14, die ein Auge verloren haben – das heißt entweder Auge weg, oder das Auge kann gar nicht mehr sehen.“ 

Pezet nennt als „inoffizielle Hauptquelle für Polizeigewalt in Frankreich“ außerdem den Journalisten David Dufresne. Der sammelte zuerst auf Twitter und dann für die investigative Redaktion Mediapart Fälle von Polizeigewalt. Auch die Süddeutsche Zeitung schreibt über Dufresne, dass er „inzwischen von allen französischen Medien zitiert“ werde und „keine der von ihm gemeldeten Verletzungen bislang widerlegt“ wurde. 

„Laut Dufresne, der bis heute Zahlen für Mediapart (kostenpflichtig) sammelt, haben 25 Personen ihr Augenlicht verloren“, schreibt uns Pezet. „Die im Instagram-Post genannte Zahl scheint daher die Verletzten (mehr als 2.000 Personen) mit denen, die ihr Augenlicht verloren haben (25 Personen), zu verwechseln.“

Es scheint demnach tatsächlich Fälle zu geben, in denen Menschen teilweise oder ganz erblindet sind. Da wir aber keine offizielle Bestätigung für eine mögliche Anzahl erhalten haben, können wir sie nicht verifizieren. Auch ist unklar, wie genau sie verletzt wurden.

Die Gelbwesten-Bewegung startete in Frankreich laut Medienberichten in Sozialen Netzwerken, nachdem 2018 die Benzinpreise stiegen. Seitdem protestieren regelmäßig Menschen in gelben Warnwesten in Frankreich, vor allem in Paris.