In eigener Sache

Das war das 4. Quartal 2021

Das letzte Quartal war der krönende Abschluss eines aufregenden und erfolgreichen Jahres. Wir feierten die Premiere der ersten CORRECTIV-Doku und die Auszeichnung unserer Chefredaktion zur „Chefredaktion des Jahres“ 2021. Ein Rückblick auf die Recherchen und Ereignisse der letzten Monate.

Teamfoto

Liebe Unterstützerinnen, liebe Unterstützer,

Es gibt Monate, in denen sich unglaublich viel ballt. Die letzten gehörten aus unserer Sicht dazu: Wir haben mit Spannung auf ein großes internationales Projekt hingearbeitet, das wir im Oktober veröffentlichten. Gleichzeitig waren wir Protagonistinnen und Protagonisten in einer aufwändigen Dokumentation, die im November Premiere feierte. Es gab laufende Recherchen und Startschüsse zu neuen Projekten. Und zu guter Letzt wurden wir am Jahresende positiv überrascht, was uns viel Schwung für die Zukunft mitgegeben hat.

Aber fangen wir von vorn und mit einem Thema an, bei dem wir etwas gegen den Strich bürsten. Für die Energiewende müssen in Deutschland vor allem Wind- und Solarkraftwerke ausgebaut werden. Beides ist notwendig, um langfristig auf fossile Energieträger zu verzichten. Für den Solarausbau brauchen wir geschätzt zwei Prozent der Fläche in Deutschland. Machbar, würde man denken. Stattdessen tobt ein Kampf um Bodenpreise, eine Verdrängung der Biolandwirtschaft durch Solarzellen, ein Konflikt zwischen Großinvestoren und kleinen Anlagen vor Ort. Und dazwischen eine vielerorts überforderte Kommunalverwaltung.

Wir haben in Brandenburg einige dieser Konfliktfelder sichtbar gemacht und erstmals eine groß angelegte Umfrage bei allen Kommunen in drei Bundesländern gestartet, um beschreiben zu können, wo welche Anlagen entstehen sollen. Zur Zeit herrscht eine Art Wild-West-Stimmung, bei der der nachhaltige Ausbau nicht immer im Vordergrund steht.

Für uns war diese Recherche auch ein Beginn, um uns mit den Wirkungen der notwendigen Energiewende auseinander zu setzen und Lösungen für die Konflikte zu diskutieren.

Weltweite Recherche

Am 21.10.2021 drückten wir morgens auf den Knopf, um die für uns größte internationale Recherche der letzten zwei Jahre zu veröffentlichen. Ein Team hatte zuletzt wochenlang intensiv Rechercheergebnisse mit Partnern in aller Welt abgestimmt und die gemeinsame Veröffentlichung koordiniert. Das weltweite Netzwerk von Reporterinnen und Reportern für diese Recherche reichte von den USA bis nach Japan und Australien. Die CumEx Files II sollten einen Skandal einer fast unvorstellbaren Dimension zeigen: 150 000 000 000 Euro. 150 Milliarden Euro sind den Steuerkassen weltweit durch den CumEx-Steuerbetrug und Varianten davon geraubt worden.

Was uns während der Recherche überrascht hat, waren mehrere Aussagen und Einschätzungen, die davon ausgehen, dass der Betrug immer noch möglich ist. Ein Insider sagte uns sogar, er würde sofort wieder einsteigen, wenn er könnte. Wir hatten ihn in Dubai besucht, wo der weltweit gesuchte CumEx-Händler zuflucht gefunden hat. Wir sind dafür weit gereist, um ein möglichst vollständiges Bild über den Skandal zu liefern.

Für eine Erkenntnis reichten aber einfache Anfragen aus unserem Büro heraus: Die Behörden haben seit 2018 offenbar kaum Maßnahmen ergriffen, um sich – wie damals gefordert – international zu vernetzen, damit sie Betrugsfälle im Finanzsektor besser bekämpfen können. Gerade die deutschen Aufsichtsbehörden stehen im Vergleich schlecht dar.

Diese Recherche war sehr aufwändig, aber sie zeigt, welche Kraft sich entwickeln kann, wenn Kolleginnen und Kollegen über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg an demselben Thema arbeiten und bis zum Schluss dran bleiben. Weltweit gemeinsam recherchieren, das werden wir auch weiterhin.

Brisante Themen

Wir wissen, dass der Cum-Ex-Betrug auch deshalb lange Zeit möglich war, weil die Banker und Berater gute Lobbyisten hatten. Lobbyismus steht immer wieder in der Kritik, gerade wenn es um die Durchsetzung von blanken Wirtschaftsinteressen zu Lasten Schwacher oder der Umwelt geht.

Beinahe wäre im Herbst ein Gesetz der EU-Kommission durchgewunken worden, das die Abholzung von Wäldern für bestimmte Produkte wie Leder oder Kautschuk erlauben sollte. Eigentlich sollte das Gesetz die Entwaldung weltweit verhindern, aber offensichtlich hatten gute Lobbyisten ein paar Ausnahmen ins Gesetz verhandelt. Wir berichteten exklusiv über diesen internen Entwurf. Kurz nach der Veröffentlichung und weiteren Protesten waren einige der Ausnahmen wieder aus dem Entwurf verschwunden; für die Wälder ein gutes Zeichen.

In unserem Netzwerk Correctiv.Lokal haben wir eine Recherche mit einem besonderen Aufruf gestartet: Welche Hindernisse haben Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen erlebt? Ein in Deutschland fast tabuisiertes und vor allem umstrittenes Thema. Im Koalitionsvertrag wurde gerade erst die künftige Abschaffung des § 219a StGB festgehalten, der es bis heute schwer macht, an Informationen über ärztliche Hilfe für einen Schwangerschaftsabbruch zu kommen. Schon kurz nach unserem Aufruf meldeten sich fast 1000 Menschen, die uns über unseren CrowdNewsroom ihre Erlebnisse schilderten. Die Ergebnisse der Recherche werden wir im folgenden Quartal gemeinsam mit mehreren Lokalpartnern veröffentlichen.

Auch nach der Bundestagswahl reißen die Falschmeldungen zu Corona nicht ab. Unser Faktencheck-Team hat neben den täglichen Checks mehrere sehr reichweitenstarke Hintergrund-Berichte zu Corona veröffentlicht und mit einer Analyse zu Youtube eine Debatte mit angestoßen, inwiefern die Plattform bisher keine Lösung für den Umgang mit Falschnachrichten anbietet.

Doku über CORRECTIV

Ein seltsamer Moment für einige von uns: Im November wurde die Dokumentation „Auf der Spur des Geldes“ ausgestrahlt. Für ARTE hatten uns zwei Dokumentarfilmerinnen über ein Jahr mit der Kamera begleitet, um einen Film über investigativen Journalismus zu machen. Plötzlich waren wir das Objekt einer Recherche und konnten uns durch den Blick der beiden Regisseurinnen spiegeln.

Wir wurden während der Recherchen zu den CumEx-Files und dem AfD-Spendenskandal gefilmt. Dafür haben wir möglichst viel zugelassen, mussten dennoch immer wieder entscheiden, wo die Kamera nicht mit darf, weil wir sensible Informationen hatten oder Quellen schützen mussten. Es ist ein wirklich spannender Film geworden, der es schafft, unsere Arbeit fast aufregend erscheinen zu lassen. Im Dezember konnten wir den Film im kleinen Rahmen in Kinos in Köln und Berlin gemeinsam mit Unterstützerinnen und Unterstützern schauen.

Zwei Auszeichnungen

Das Jahr endete für uns mit zwei Ehrungen, die uns sehr freuen. Die Recherche „Kein Filter für Rechts“ aus dem Jahr 2020 wurde mit dem Reporterpreis in der Kategorie Datenjournalismus ausgezeichnet. Sehr verdient!

Kurz vor Weihnachten bekamen wir dann noch die Nachricht, dass wir als „Chefredaktion des Jahres“ 2021 ausgezeichnet werden. Wir haben vor knapp zwei Jahren gemeinsam die Redaktion übernommen, fast die ganze Zeit seitdem von der Corona-Situation begleitet. Diese Auszeichnung zeigt, was das gesamte Team bei CORRECTIV in der Zeit geleistet hat.

Insgesamt wurden wir im Jahr 2021 mit sechs Preisen für unsere Arbeit ausgezeichnet. Uns gibt jede Auszeichnung einen Schub für die Zukunft, dass wir unseren Weg weitergehen wollen. Mit Ihnen und natürlich dank Ihrer Unterstützung.

Zum Abschluss bleibt uns nichts anderes, als uns zu bedanken. Uns haben in diesem Jahr über 17.000 Menschen mit ihren einmaligen und regelmäßigen Spenden unterstützt und unsere Arbeit ermöglicht. Schon im letzten Jahr haben wir uns über 10.000 Unterstützende gefreut. Der enorme Zuspruch bedeutet uns viel. Herzlichen Dank für Ihre Wertschätzung und Ihr Vertrauen. Ohne Sie wäre so vieles gar nicht möglich.

Bleiben Sie neugierig!

Herzliche Grüße vom CORRECTIV-Team