In eigener Sache

Zukunftstage an der Ahr: Aus Krisen lernen und konstruktiv über Klima berichten

Fast zwei Jahre nach der Flut kamen im Ahrtal 60 Medienschaffende aus Lokalmedien zusammen. Angeleitet von CORRECTIV, dem SWR und Bonn Institute diskutierten sie darüber, wie konstruktiver über die Klimakrise berichtet werden kann.

von Hanna Guggenberger

Biologe-Ahrtal-Fluss-Workshop
Bei Workshops und Exkursionen beschäftigten sich Journalistinnen und Journalisten im Ahrtal damit, wie konstruktiver Klimajournalismus aussehen kann. Foto: CORRECTIV/Hanna Guggenberger

Flutkatastrophe und Klimawandel

Im Juli 2021 hat im Ahrtal ein ungewöhnlich zerstörerisches Hochwasserereignis die Menschen stark betroffen. Diese Flutkatastrophe kann nicht kausal der Klimakrise zugeordnet werden, aber in einem veränderten Klima werden solche Extremereignisse wahrscheinlicher. Seitdem wird diskutiert, was besser gemacht werden kann. Die Medien nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Sie entscheiden, welche Informationen geteilt werden.

Bild links von der Ahrflut zerstörte Brücke im Kurpark Bad Neuenahr, Bild rechts Wiederaufbau und Neugestaltung der Stadt
Bild links: In Bad Neuenahr-Ahrweiler sind noch heute Auswirkungen des Hochwassers von 2023 sichtbar, hier eine Fußgängerbrücke im Kurpark als Denkmal.
Bild rechts: Die Bevölkerung in Bad Neuenahr-Ahrweiler baut wieder auf und gestaltet ihre Stadt aktiv. Fotos: CORRECTIV/Hanna Guggenberger.

Daher beschäftigten sich 60 Journalistinnen und -journalisten vor Ort damit, was seitdem passiert ist. Was Verantwortliche in anderen Ecken von Deutschland davon lernen können und wie eine gelungene Klimaberichterstattung aussehen kann.

Journalismus vom Kopf zum Herz

Über drei Tage, vom 8. bis 10. Mai 2023, ging die Fortbildung, die der SWR, das Bonn Institute und CORRECTIV gemeinsam organisierten.

Plenum bei der Fortbildung "Zukunftage an der Ahr", Raum mit etwa 70 Menschen.
Bei Fachvorträgen und in Workshops diskutierten die Teilnehmenden journalistische Ansätze in der Klimakrise. Foto: SWR.

An Tag 1 fanden Workshops zum konstruktiven Lösungsjournalismus statt. Wichtig sei, die Perspektive zu erweitern und „mehr Grautöne“ zu erzählen, sagte Ellen Heinrichs, Gründerin und Geschäftsführerin des Bonn Institute.

Drei Personen auf Stühlen diskutieren freundlich.
In Workshops erprobten die Teilnehmenden konstruktive Methoden, um beispielsweise mehr relevante Perspektiven für ihre Berichterstattung zu finden. Foto: SWR.

Verschiedene Expertinnen und Experten teilten ihr Wissen: Michael Heußler, Reporter des SWR, stellte mit seiner Reportage-Reihe „Ein Dorf baut auf“ Menschen im Ahrtal vor und wie sie mit dem Flutereignis umgehen. Benjamin Kraff, Forscher der Transformationswissenschaft an der TU Darmstadt, lieferte grundsätzliches Wissen zum Klimawandel. Ulla Fiebig, die Landessenderdirektorin des SWR Rheinland-Pfalz, blickte kritisch auf die eigene Branche und sprach über die besondere Bedeutung von Klimajournalismus.

Forscher präsentiert vor Plenum aus Journalistinnen und Journalisten.
Medien und Informationsfluss sind in einer Krise besonders wichtige Infrastrukturen, erklärt Forscher Benjamin Kraff von der TU Darmstadt. Foto: SWR.

Die Waldbildungsexpertin Monika Runkel stellte ihren Bildungsansatz vor. Wer Veränderung will, muss die Menschen „im Herzen erreichen“. Katarina Huth, Klimareporterin von CORRECTIV, berichtete über den Grundwasser-Atlas und wie die Redaktion bei investigativen Recherchen mit dem Netzwerk CORRECTIV.Lokal zusammenarbeitet.

Im Austausch mit den Menschen vor Ort

An Tag 2 nahmen die Teilnehmenden an sieben Exkursionen teil und wendeten dabei konstruktive Methoden an: im Dialog mit jungen Menschen und Senioren und Seniorinnen aus dem Ahrtal, auf Hochwasserschutzflächen oder Forschungsfeldern mit Photovoltaikanlagen über Apfelplantagen. Zentrale Fragen waren, wie sich Ansätze auf andere Orte übertragen lassen und wo die Grenzen liegen. Denn das Ziel ist nicht, die perfekte Lösung für alle zu finden, sondern auch zu recherchieren, inwiefern Ansätze sich an andere Orte übertragen lassen.

Bild links AUsblick auf Ahr, ehemalige Pferdebrücke, Gruppe Menschen auf Straße, Bild rechts mehrere Personen blicken auf Fangnetz mit Insekten.
Bild links: Bei Lohrsdorf hat sich das Flussbett der Ahr nach der Flut um fast 50 Meter verschoben: Ursprünglich begann beim Fahnenmast eine Brücke.
Bild rechts: Durch das neue Flussbett verändert sich das Ökosystem, zeigt der Biologe Professor Thomas Wagner von der Universität Koblenz. Fotos: CORRECTIV/Hanna Guggenberger.

Am Abend fand eine Podiumsdiskussion statt, die als Video online steht: Es diskutierten Landrätin Cornelia Weigand (parteilos), Fluthelferin Missy Motown, Trauma-Therapeutin Katharina Scharping, Ellen Heinrichs, Gründerin des Bonn Institute für konstruktiven Journalismus, und SWR-Ressortleiterin Monica Mellino. An der Diskussion nahmen verschiedene lokale Initiativen teil. Auch hier stand im Zentrum die Frage, was der Journalismus in der Berichterstattung leisten soll.

Mit CORRECTIV.Lokal gemeinsam recherchieren

Die Zukunftstage vereinten die zentralen Elemente von unserem Netzwerk CORRECTIV.Lokal: Dort setzen wir auf Fortbildungen, vernetzen Medienschaffende, recherchieren gemeinsam und geben Veranstaltungen, um den Lokaljournalismus zu stärken. Im Ahrtal kamen festangestellte und freiberufliche Reporterinnen und Reporter aus verschiedenen Bundesländern zusammen. Sie berichten für klassische Tageszeitungen und öffentlich-rechtliche Medienhäuser.

Gruppe arbeitet zusammen.
Die Journalistinnen und Journalisten entwickelten vor Ort gemeinsam Recherche-Ansätze. Foto: SWR.

Wir sind gespannt, welche Impulse aus dem Ahrtal in andere Regionen getragen werden. Die Veröffentlichungen zu den Zukunftstagen sammeln wir auf dieser Karte.