Die SPD will harte Sanktionen der Jobcenter abschaffen – aber nur für junge Arbeitslose
Mildere Sanktionen für junge Arbeitslose, möchte die SPD. Grünen und Linken gehen die Pläne nicht weit genug – und CDU/CSU blockieren Veränderungen schon seit Jahren.
Es ist ein wackeliges Versprechen, dass die SPD in ihrem Entwurf für ein Wahlprogramm macht. „Die schärferen Sanktionen für unter 25-Jährige werden wir aus dem SGB II streichen.“ Das ist leichter gesagt als getan. Die Opposition im Bundestag, Grüne und Linke, wollen die Sanktionen komplett abschaffen. Und CDU/CSU haben Änderungen an den Sanktionen bereits in der aktuellen Regierung blockiert.
Bisher gilt: Lehnt ein Hartz IV-Empfänger, der jünger als 25 Jahre alt ist, einen Job ab, wird er bestraft – und zwar härter als ältere Arbeitslose. Er bekommt schon bei der ersten sogenannten Pflichtverletzung kein Geld mehr für Essen, Bus- und Bahn-Tickets, geschweige denn für Freizeitaktivitäten. Bei der zweiten Sanktion überweist das Jobcenter nicht einmal mehr die Miete. Für ältere Hartz IV-Empfänger sind die Regeln wesentlich milder.
Umstrittenen sind die Sanktionen auch bei Fachleuten: Sie zerstören das wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitslosen und Jobcentern, sagt zum Beispiel der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn. „Deswegen sagen wir mittlerweile, dass die Sanktionen abgeschafft werden müssen.“
Die Partei „Die Linke“ fordert schon lange, Sanktionen komplett zu streichen. „Wir versuchen das in einen Koalitionsvertrag einzubringen“, sagt Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag gegenüber CORRECTIV und „BuzzFeed News“. „Im Moment haben wir aber den Eindruck, dass sich die SPD wieder für eine Große Koalition aufhübscht.“
„Dass es grundsätzlich Sanktionen gibt, das halte ich für richtig und die SPD auch“, sagt Katja Mast, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD im Gespräch. Die Frage sei nur, wie sie ausgestaltet würden. Auch SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz hatte schon im März einer kompletten Abschaffung der Sanktionen eine Absage erteilt. „Bei den Sanktionen geht es ja nicht um Schikanen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Schulz sagt, er habe das Gefühl, das Thema werde „überhöht“. Oskar Lafontaine (Link) stellte daraufhin gleich eine mögliche rot-rot-grüne Koalition infrage.
Ihre Forderung nach schwächeren Sanktionen für unter 25-Jährige werden die Sozialdemokraten jedoch auch mit der CDU/CSU als Koalitionspartner kaum durchsetzen können. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte bereits in der aktuellen Legislaturperiode ein Konzept vorgelegt. Demnach sollten Jobcenter junge Menschen nicht mehr härter als ältere sanktionieren und ihnen auch nicht mehr die Zahlungen für die Miete kürzen können. „CDU und CSU haben sich in den Verhandlungen in diesem Punkt verweigert“, sagt SPD-Politikerin Mast, die die Verhandlungen für die SPD geführt hat. „Das hat so lange gedauert, dass wir gesagt haben, dann müssen wir leider diesen Punkt rausnehmen.“
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CSU, Stephan Stracke sagt im Gespräch, dass er eine Angleichung der Sanktionsregelungen angeboten habe – aber nur wenn für alle die Strafen verschärft werden. Letztlich sei das Arbeitsministerium nicht kompromissbereit gewesen, sagt Stracke. Nach der Wahl werde das erneut Thema sein.
„Der Erfolg des Prinzips – gerade bei Jugendlichen – ist angesichts der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa klar ersichtlich“, teilt die CDU auf Anfrage mit. „Aus Sicht der CDU sind daher keine generellen Änderungen im Sanktionenrecht nötig.“ Es scheint eher unwahrscheinlich, dass sich SPD und Union bei einer erneuten großen Koalition auf eine Abschaffung der harten Sanktionen einigen können.
CORRECTIV und BuzzFeed News haben auch die AfD gefragt, wie sie zu den Sanktionen für Hartz IV-Empfänger steht. Will die AfD die Sanktionen beibehalten? Hält sie die schärferen Sanktionen für unter 25-Jährige für angemessen? Falls nein, welche Änderungen schlägt die AfD vor? Leider hat die AfD auf die Anfrage nicht reagiert.
Timo Stukenberg arbeitet als freier Journalist in Berlin. Die mehrteilige Recherche zu den Sanktionen der Jobcenter entstand in Kooperation mit „BuzzFeed News“ und ist ein Teil der Themenreihe zu Ungerechtigkeiten in der Arbeitswelt bei CORRECTIV.