Justiz & Polizei

Späte Einsicht

Deutsche Richter dürfen nebenher üppig dazuverdienen. Offenlegen, von wem sie die Honorare erhalten, für Vorträge oder Aufsätze, müssen sie nicht. Wir berichteten letzte Woche darüber. Das Bundesverfassungsgericht will nun einen Ethikkodex erarbeiten. Aber auch der wird nicht auf Offenlegung der Nebeneinkünfte aller Richter pochen.

von Justus von Daniels

© dpa/Uwe Anspach

Kürzlich ergab eine Anfrage der Grünen im Bundestag: Deutsche Richter verdienen bisweilen zehntausende Euro dazu. Ein Richter am Bundesgerichtshofs brachte es im Jahr 2016 auf ein privates Zubrot von 275.000 Euro. Rekord. Ein Richter des Bundesfinanzhofs verdiente nebenher fast 160.000 Euro. Auf den weiteren Plätzen: ein Kollege vom Bundessozialgericht (71 781 Euro), vom Bundesarbeitsgericht (44 710 Euro), vom Bundesverwaltungsgericht (40 500 Euro). Von wem die Honorare kamen? Erfahren lediglich ihre Dienstherren. Nicht aber die Bürger.

Zum Verfassungsgericht gab es gar keine Angaben. Dort müssen Nebentätigkeiten bislang nicht offengelegt werden. Das höchste deutsche Gericht ist ein besonderer Fall. Es hat keinen Dienstherrn. Die höchsten Richter sind niemanden Rechenschaft schuldig. Das ist gut. Aber das lässt auch viele Freiheiten.

Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht angekündigt, einen Ethikkodex für seine Richter zu erarbeiten. Bisher gibt es dort keine „Auflistung etwaiger Nebentätigkeiten der Mitglieder des Gerichts“, sagt ein Sprecher. Das soll sich ändern. Und noch einiges mehr: ob Richter nach ihrer Amtszeit in die Wirtschaft wechseln können oder wie sie sich nach ihrem Ausscheiden politisch betätigen dürfen.

Genau die Transparenz zu Nebentätigkeiten hat CORRECTIV in der vergangenen Woche gefordert. Wir haben über die enge Verbindung von Richtern zu Versicherungskonzernen berichtet. Einige Richter — allen voran Wolfgang Wellner, Richter am Bundesgerichtshof — halten regelmäßig Vorträge vor Anwälten und Versicherungsmanagern und streichen Zehntausende Euro Honorare ein. Konzipiert werden die Seminare auch von der Kölner Kanzlei BLD, dem Platzhirsch im Versicherungsrecht und ausschließlich im Dienst der Konzerne tätig. Richter erhalten dort bis zu 3.000 Euro für einen Vortrag. Nach außen ist diese Nähe — wegen der fehlenden Offenlegungspflicht — nicht erkennbar.

In anderen Branchen sind solche Transparenzpflichten längst Standard. Bei Ärzten ist es gängige Praxis, dass sie bei wissenschaftlichen Artikeln angeben, von welchen Pharmafirmen sie Geld bekommen. Für die höchsten Richter sind solche Regeln Neuland. Sie können Artikel in Fachzeitschriften veröffentlichen — und müssen nicht angeben, ob sie vielleicht kurz zuvor zu diesem Thema einen lukrativen Vortrag auf einer interessegeleiteten Fachtagung gehalten haben.

Am Bundesgerichtshof ist ein Ethikkodex nicht geplant. Auf Anfrage von CORRECTIV sagte eine Sprecherin lediglich: „Für die Ausübung von Nebentätigkeiten durch die Richterinnen und Richter an den fünf obersten Gerichtshöfen des Bundes“ gälten die gesetzlichen Regeln.

Politiker und Wissenschaftler fordern daher seit längerem mehr Transparenz an Gerichten. Als wir über die Versicherungswirtschaft recherchiert haben, sagte uns die Grünen-Politikerin Renate Künast, Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag: „Wir haben das Recht zu wissen, wo unsere Richter sonst noch verdienen“.