TTIP

Leseräume für Abgeordnete – ja oder nein?

EU-Handelskommissarin Malmström will am Donnerstag in Berlin eine frohe Botschaft verkünden: Mit den USA gebe es die „klare Verständigung”, dass Bundestagsabgeordnete bald schon TTIP-Verhandlungsdokumente lesen dürften. Das Problem: Die amerikanische Regierung weiß nichts von dieser angeblichen Verständigung.

von Justus von Daniels , Marta Orosz

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Die US-Regierung ist erstaunt über die Ankündigung von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages künftig geheime TTIP-Vertragsentwürfe lesen dürfen. „Wir haben noch keine Einigung erzielt“, hieß es aus Kreisen der US-Handelsbehörde gegenüber dem Recherchezentrum CORRECTIV am Mittwoch.

Handelskommissarin Cecilia Malmström ist am Donnerstag zu Gesprächen in Berlin, auch um über die Einrichtung von speziellen Leseräumen zu sprechen, in denen TTIP-Dokumente eingesehen werden können.

Am Wochenende hatte die EU-Handelskommissarin in einem Interview der „Welt am Sonntag“ verkündet, dass die EU-Staaten eigene Leseräume einrichten dürfen, zu denen auch „Bundestagsabgeordnete in Berlin Zugang erhalten sollen“. Darauf habe sie sich „mit den USA klar verständigt“. Die Details sollten bis Ende des Jahres geklärt sein, sagte Malmström.

Gegenüber CORRECTIV bestätigte ein Sprecher der EU-Kommission, dass es eine „generelle politische Verständigung“ zwischen der EU und den USA in dieser Frage gebe.

US-Regierung: Keine Einigung

In Washington sieht man das aber ganz anders. Auf Anfrage von CORRECTIV, ob es eine Einigung darüber gebe, dass auch Abgeordnete des Budnestages Zugang zu den vertraulichen Papieren erhalten sollen, antwortete ein hochrangiger Vertreter der US-Handelsbehörde, dass diese Aussage „auf schlecht informierten Quellen beruht“.

Auch dem Bundeswirtschaftsministerium liegt keine eindeutige Aussage vor. Auf Anfrage von CORRECTIV wollte das Ministerium die angebliche Einigung zwischen der EU-Kommission und den USA nicht bestätigen: „Mit der Vorbereitung eines nationalen Leseraumes wurde noch nicht begonnen, da der Bundesregierung noch keine endgültigen Entscheidungen der beiden Verhandlungspartner, EU-Kommission und USTR (US-Handelsbehörde), vorliegen“, so ein Sprecher gegenüber CORRECTIV.

Seit Monaten fordern EU-Staaten einen besseren Zugang zu den TTIP-Vertragsentwürfen. Bislang erhalten nur Regierungsmitarbeiter Zutritt zu speziell gesicherten Leseräumen in den US-Botschaften der europäischen Hauptstädte. Dort können sich die Beamten maximal zwei Stunden pro Tag über die Fortschritte der Verhandlungen informieren.

Die Abgeordneten des Bundestages, um die es eigentlich geht, wurden ebenfalls noch nicht über die angebliche Einigung informiert. Auf eine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung antwortete das Wirtschaftsministerium, dass es „offenbar eine Einigung der EU-Kommission mit den USA gibt“, die auch für Abgeordnete der nationalen Parlamente grünes Licht geben soll.

Das Ministerium stochert im Trüben und kann nur Indizien zusammen fügen. Die Kommission habe mehrfach geäußert, dass sie sich mit den USA geeinigt habe, hieß es auf Nachfrage von CORRECTIV aus dem Wirtschaftsministerium. Daher sei „offenbar“ eine Einigung erfolgt.

EU unter Zugzwang

Die EU-Handelskommissarin Malmström steht unter Zugzwang. Aus dem deutschen Bundestag, aber auch aus anderen Parlamenten in Europa ist der Druck in den vergangenen Monaten gewachsen: Abgeordnete beharren darauf, zu erfahren, was in den TTIP-Entwürfen steht. Denn am Ende sind sie es ja, die über das Handelsabkommen abstimmen sollen. Die EU-Kommission hatte den Regierungen zugesagt, sich mit den USA auf mehr Transparenz verständigen zu wollen.

Doch die US-Regierung sperrt sich bisher gegen eine breitere Offenlegung der TTIP-Entwürfe. Die Begründung: Man verhandele mit der EU-Kommission, nicht mit den Mitgliedstaaten.

Einigung für das Europaparlament

Gestern gab die EU-Kommission bekannt, sie habe sich mit dem Europäischen Parlament darauf geeinigt, dass alle Europaparlamentarier Zugang zu den TTIP-Entwürfen haben werden. Ob die USA dieser Vereinbarung zugestimmt haben, ist nicht bekannt. Eine Parlamentssprecherin sagte, dass es „wohl eine Verabredung mit der US-Handelsbehörde geben müsse“. Denn die „EU-Kommission habe bisher immer klar gemacht, dass mehr Transparenz nicht gegen den Willen der Amerikaner zu haben sei.“

Handelskommissarin Malmström kommt in diesem Jahr zum dritten Mal nach Berlin, um für TTIP zu werben. Unter anderem will sie in einem „Bürgerdialog“ TTIP-Kritikern Rede und Antwort stehen.