Frank S., der Rechtsradikale
Vor einem Jahr stach Frank S. in Köln Henriette Reker nieder, damals Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl. Vor Gericht versicherte der Attentäter, ein „wertkonservativer Rebell“ zu sein. Wir haben seine Festplatte ausgewertet. Die Daten zeichnen ein anderes Bild.
Diese Recherche veröffentlichen wir gemeinsam mit dem Kölner Stadtanzeiger und dem ZDF-Politmagazin Frontal 21.
Es ist der 15. Juni 2011, ein Mittwoch, abends kurz nach halb acht, als eine E-Mail aufpoppt im Postfach von Frank S. Eine Auftragsbestätigung: Vielen Dank, dass er das „Editionsmesser Rambo III mit Sylvester Stallone Signatur“ bestellt habe. Der Versand erfolge schnellstmöglich.
Frank S. muss noch sein Alter verifizieren, etwas klappt nicht, das macht ihn wütend. Noch am selben Abend schreibt er den Online-Händler harsch an: „Aufwachen ein Kunde hat eine kurze Frage!“ Und fragt, wann denn das „Brotmesser“ bei ihm eintreffe. 139 Euro teuer ist die bestellte Waffe, anderthalb Kilo schwer, die Edelstahlklinge monströse 33 Zentimeter lang. Nicht gerade ein „Brotmesser“. Eher ein Schwert. Ein Mordwerkzeug.
Rambo, der Filmheld, ist das Idol von Frank S. Er hat sich online auch ein Rambo-Poster bestellt, er hat den Rambo-Soundtrack auf seinem Rechner gespeichert und ein Bild des muskelbepackten Einzelkämpfers als Bildschirmhintergrund. Rambo, der einsame Wolf. Der sich das Recht nimmt, im Namen einer höheren Gerechtigkeit zu töten. Der über Leichen geht, um Selbstjustiz zu üben.
Mit einem Rambo-Messer sticht Frank S. am 17. Oktober 2015 die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker nieder. Frank S., 44 Jahre alt, arbeitsloser Maler und Lackierer, 1,86 Meter groß, Spitzbart, kahlrasierter Schädel, muskulös – dieser Frank S. will ein Fanal setzen, verhindern, dass Deutschland überrannt wird von Flüchtlingen. Die Stimmung ist aufgeheizt in jenen Tagen. Pegida demonstriert, die AfD gießt Öl ins Feuer, enthemmte Wutbürger tragen Galgen durchs Land, an denen Merkel und Gabriel baumeln sollen, symbolische Aufforderungen zur Gewalt an Politikern allerorten.
Mit der Analyse-Software „Nuix“, die auch von Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten eingesetzt wird, haben wir die Festplatte in den vergangenen Monaten untersucht und ausgewertet. Allem Anschein nach wurde sie von Frank S. vor allem für Backups benutzt. Mehrere Hundert Gigabyte Daten sind darauf, ein Ausschnitt aus seinem digitalen Leben, bis weit in das Jahr 2012 hinein.
Die Festplatte offenbart, welche E-Mails Frank S. abgeschickt hat. Welche Musik er gehört hat. Welche Fotos ihm besonders wichtig waren. Welche Artikel er aufgerufen und wohl auch gelesen hat. Wem er Geld spendete. Es ergibt sich das Bild eines Mannes, der unter extremem Druck stand. Eines einsamen Wolfes, der immer mehr zu einem Rambo wurde. Im Prozess sagte Frank S. aus, er sei „kein Nazi“, sondern ein „wertkonservativer Rebell“. Die Daten auf seiner Festplatte widersprechen dem. Wir wissen jetzt: Frank S. stand faschistischem Gedankengut näher, als bisher bekannt war.
Das Attentat
In Köln steht im Herbst 2015 die Oberbürgermeister-Wahl an. Köln ist die viertgrößte Stadt in Deutschland. Die Parteien sind zerstritten, fast schon eine Tradition. Die Christdemokraten stellen nach mühsamen Diskussionen fest, dass sie keinen eigenen Kandidaten haben. Als die Grünen die parteilose Henriette Reker nominieren, schließen sich CDU und FDP an.
Reker ist seit 2010 in Köln Sozialdezernentin. Bei ihrer Nominierung sagt sie, sie wolle eine Gesellschaft, die die Unterschiedlichkeiten der Menschen aufnehme und Gemeinsamkeiten betone. Als im vergangenen Herbst Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland strömen, ist sie in Köln zuständig für deren Unterbringung. Kurz vor der Wahl hängen die Plakate von Henriette Reker überall in der Stadt. Auch in der Straße von Frank S.
Journalisten und Ermittler haben den Tathergang genau rekonstruiert: Am Morgen des 17. Oktober 2015, einem Samstag, steht Frank S. früh auf. Das denkmalgeschützte Haus in dem er seit etwa 15 Jahren lebt, liegt im Norden von Köln, eine ruhige Altbau-Gegend. An dem Morgen frühstückt Frank S. ein Bier Reissdorf Kölsch. Die Termine von Henriette Reker hat er auf einem Zettel notiert. Auf dem Weg zur Straßenbahn kauft er sich um kurz vor halb acht zwei weitere Flaschen Bier. Dann fährt er zum Wochenmarkt nach Köln-Braunsfeld.
Als er dort ankommt, läuft er zunächst ziellos umher, überlegt aufzugeben, als er plötzlich Reker erkennt und auf sie zugeht. So schildert es Frank S. später vor Gericht. Er bittet sie um eine Rose, dann zieht er das Rambo III-Messer aus einer Lederscheide und sticht es ihr mit solcher Wucht in den Hals, dass die Klinge zehn Zentimeter tief eindringt, die Luftröhre fast vollständig durchtrennt und Teile des zweiten Brustwirbels absprengt; die Halsarterie wird nur um wenige Millimeter verfehlt.
Reker geht zu Boden, presst sich den Finger in die Wunde, um die Blutung aufzuhalten; hätte sie einmal gehustet, wäre sie gestorben. Umstehende, die ihn von Reker abschirmen wollen, nimmt er er als Bedrohung wahr, vier weitere Menschen sticht er nieder. Bis schlagartig aller Furor von ihm abfällt. Frank S. lässt seine Messer fallen und wartet regungslos, bis ein Streifenwagen vorfährt und die Polizisten ihn abführen. Als habe er seine Mission erfüllt.
Wie konnte es so weit kommen?
Der Chat
Der Hass auf die politischen Entscheidungsträger keimt in Frank S. schon seit langem. Vier Jahre, ehe er auf Henriette Reker losgeht, nennt er ihren Vorgänger Jürgen Roters einen „roten Anti-Demokraten“. Unter SPD-Mann Roters „entwickelt sich Köln mehr und mehr zu einem rot-faschistischen Lager.“ Das zitiert Frank S. am 11. August 2011 in einem Internetchat.
Die Online-Spiele
Einen guten Teil seiner Zeit verbringt Frank S. in düsteren Online-Spiel-Welten. Er chattet mit den anonymen Mitspielern; einige der Nachrichten sind ihm offenbar so wichtig, dass er davon Screenshots macht und sie abspeichert.
Ein Bild trägt den Namen „Hass“. Darin beschimpft er einen anderen Spieler, der ihm offenbar wegen seiner politschen Gesinnung aufgestoßen ist: „Das ist der falsche Ort um Deine rotfaschistische Drecks-Propaganda zu verbreiten und um deinen Multi Kulti Fetischismus auszuleben!“.
Eine andere Datei heißt Adf 88. Der achte Buchstabe im Alphabet ist das „H“. 88 ist der Neonazi-Code für „Heil Hitler“. Einen Mitspieler lädt er zur „Terror-Tour“ nach Köln ein.
Die Musik
Heute lodert der Brand unserer Seele,
der sich Morgen zum Sturm erhebt.
Bis es hallt aus der letzten Kehle: Deutschland lebt!
… singt die Band Division Germania in ihrem Lied „Wir sind wieder da“. Und weiter:
Wenn die Wehrmacht im Glanze die Straßen durchzieht.
Wenn das Pack im Galopp durch die Dunkelheit flieht.
Dann wird selbst dem gerissensten Arschloch einst klar:
Der Zahltag kommt, wir sind wieder da!
Division Germania, das ist nur eine von vielen Nazi-Bands, deren Lieder Frank S. auf seinem Rechner gespeichert hat. Rechtsrock, der von Deutschen handelt, die sich endlich wehren, aufstehen und marschieren müssen. Man sollte diese Songs ernst nehmen. Musik geht ins Ohr und in den Kopf, man hört sie immer wieder, die Botschaften, tausendfach gehört, prägen.
Auch die Band Stahlgewitter gehört zu den Favoriten von Frank S. Deren Sänger Daniel Giese steht 2012 vor Gericht. Der Verdacht: Singt er im Song „Dönerkiller“ von den Taten der NSU, noch ehe die öffentlich bekannt waren?
Neunmal hat er es jetzt schon getan.
Die SOKO Bosporus, sie schlägt Alarm.
Die Ermittler stehen unter Strom.
Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom.
Aber Frank S. hat auch eine romantische Seite. Aus den Browserverläufen lässt sich rekonstruieren, dass er sich auf Youtube bisweilen Schlager anhört. Von Klaus Lage. Oder von Jürgen Drews:
Ich hab dich verloren,
hab dich immer noch lieb.
Du hast mich verlassen,
wie das Leben so spielt.
Das Foto
Auf der Festplatte findet sich eine Collage. Sie zeigt einen Totenkopf mit Kapuze, darunter der Schriftzug „Berserker“, eingerahmt von zwei Orden. Eiserne Kreuze aus der Nazizeit, verziert mit Hakenkreuzen, darunter die Zahl 1939.
Was steckt dahinter?
Frank S. hat einen miserablen Start ins Leben. Mit vier Jahren wird er verwahrlost in einer Wohnung aufgefunden, verlassen von den Eltern. Er hat seine beiden jüngeren Geschwister mit Reis gefüttert und erst, als alles aufgegessen war, bei den Nachbarn geklopft. Als er im Kinderheim randaliert, kommt er in eine Pflegefamilie.
„Als ich ihn abholte“, sagte seine heute 80-Jährige Pflegemutter vor Gericht aus, „tobte er schon die ganze Zeit im Auto. Als mein Sohn dann zu Hause die Tür aufhielt, schlug er ihm ins Gesicht, spuckte ihn an. Er war ein ganz armer Junge.“
Nun eckt Frank zudem mit dem Pflegevater an, der ist streng, schlägt schnell zu und verlangt Unterordnung. Frank lacht kaum, weint selten und lässt sich nicht in den Arm nehmen. „Da war wohl einfach zu viel passiert“, sagte die Pflegemutter.
Als Jugendlicher driftet er ab. Ist kaum zu Hause, schmiert ein Hakenkreuz an seine Zimmerwand, säuft, prügelt sich, rasiert sich den Schädel, kauft sich Springerstiefel, wird zum Skinhead. Gerät in das Umfeld der rechtsextremen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP), die 1995 verboten wird; der Verfassungsschutz urteilt, sie sei mit der NSDAP „wesensverwandt“.
Beobachter der Bonner Nazi-Szene ordnen Frank S. damals als „besonders gewalttätig“ ein, berichtet der „stern“. Vollgesoffen habe er „Jagd auf Menschen aus der linken Szene und auf Punker“ gemacht; den „Messerstecher“ habe man ihn genannt. Ermittler vermuten, er sei einer der Köpfe hinter der Bonner Skinhead-Gruppe „Berserker“, die sich blutige Schlachten mit der örtlichen Antifa liefert.
In altdeutscher Schrift lässt sich Frank S. den Namen der Skin-Truppe auf den Bauch stechen. Fotos belegen, wie das Tattoo später um einen Totenkopf und gekreuzte Knochen anwächst. Frank S. erhält diverse Bewährungsstrafen wegen Körperverletzung, am Ende muss er für drei Jahre in den Knast.
Im Jahr 2000 wird er entlassen. Zieht um nach Köln, fängt sich, arbeitet als Maler und Lackierer. Fällt nicht mehr auf durch rechtsextreme Umtriebe, lässt die Vergangenheit ruhen. So zumindest wirkt es nach außen. Doch dank der Daten auf der Festplatte wissen wir, wie es in seinem Inneren aussieht. Und da haben die Berserker noch immer einen Ehrenplatz in seinem Herzen. Diese zu allem entschlossenen germanischen Krieger. Da erhalten die Berserker sogar zwei Orden. Zusätzlich verziert mit Hakenkreuzen.
Die Überweisung
Am 28. September 2013 gründet sich in Heidelberg die rechtsextreme Kleinpartei „Der III. Weg“. Erster Vorsitzender wird der ehemalige NPD-Funktionär Klaus Armstroff; der Verfassungsschutz hat die Gruppe im Visier. Frank S. beobachtet die Gründung aus der Ferne.
Er ist inzwischen arbeitslos, seine Schulden wachsen. Immer wieder hat er den Job gewechselt, nirgends hält er es lange aus, regelmäßig eckt er mit Vorgesetzten an. Auch mit den Mitarbeitern des Jobcenters in Köln streitet er sich, wird ausfallend und aggressiv, wie vertrauliche Unterlagen belegen.
Monatlich erhält er rund 770 € von der Arbeitsagentur, auch das belegen die Unterlagen. Doch Frank S. lebt über seine Verhältnisse – und wird bis zum Zeitpunkt seiner Tat rund 3000 Euro Schulden aufgehäuft haben.
Am 5. November 2014 überweist Frank S. Geld an „Der III. Weg“, an die im Jahr zuvor gegründete rechtsextremistische Partei. 15,50 Euro schickt er, nicht viel. Aber es ist ein Symbol. Es ist ihm wichtig, die Partei zu unterstützen. Und wenn er nun das Haus verlässt, pappt er Aufkleber des „III. Weg“ auf die Wahlplakate in seiner Gegend.
Die Lektüre
Was liest Frank S.? Immer wieder surft er die Website des Kopp-Verlags an, der geistigen Heimat von Verschwörungstheoretikern und Rechtspopulisten, die gegen die „Asylindustrie“, die „Lügenpresse“ und den „Impfwahn“ wettern.
Doch vor allem ein Text macht stutzig. Er ist Frank S. wichtig, er hat ihn unter den Lesezeichen seines Browsers ablegt. Er ist auf welt.de erschienen, es geht darin um den rechtsextremen Attentäter Anders Breivik und den Islam.
Breivik tötete im Juli 2011 insgesamt 77 Menschen in Oslo und in einem sozialdemokratischen Jugendcamp auf der Insel Utøya, um Norwegen gegen den Islam und den „Kulturmarxismus“ zu verteidigen. Er wollte die regierenden Sozialdemokraten „so hart wie möglich“ treffen, da sie einen „Massenimport von Moslems“ nach Norwegen betrieben hätten.
Breivik gab zu Protokoll, er habe die Aufmerksamkeit der internationalen Medien sicherstellen wollen und daher so viele Menschen getötet. Frank S. gab zu Protokoll, sich für das martialische Rambo III-Messer entschieden zu haben, um seiner Tat mehr Theatralik zu geben.
Die E-Mails
Frank S. hat nicht viele Freunde. Er lebt zurückgezogen, nicht mal seine Nachbarn kennen ihn. Die Einkäufe, die er im Jahr vor seiner Festnahme mit seiner Kreditkarte erledigt, macht er in nächster Umgebung seiner Wohnung. Als Fahnder seine Wohnung durchsuchen, finden sie nur seine eigenen Fingerabdrücke.
Kein Wunder, dass Frank S. kaum private E-Mails erhält. Zumeist landen irgendwelche Benachrichtigen in seinem Postfach, Support-Mails von Online-Spielen, Bestätigungen von Onlinehändlern.
Doch 2011 tritt eine alte Bekannte per E-Mail in sein Leben. Nennen wir sie Petra Schmidt. Sie gehen vertraut miteinander um, schon bald mischt sich ein erotisches Knistern in die Mails.
In einer frühen Mail erzählt ihm Petra unter dem Betreff „Blut ist Leben“, dass ein Geliebter von ihr kürzlich getötet worden sei, nun sei sie alleine zu Hause. Worauf Frank S. antwortet:
„Mich als alten Knasti kann so leicht nichts mehr schocken, da hast du schon recht. Habe so einiges erlebt und mit der Zeit macht sich eine allgemeine Gleichgültig breit bzw. mann wird irgendwie immun gegen Schicksalsschläge anderer und auch die eigenen. Der Tot kann mir keine Angst machen langsam glaube ich der Tot hat mehr Angst vor mir als ich vor ihm;-)“
Und versucht, Petra mit Kampfrhetorik aufzumuntern.
„Kopf hoch Soldatin Petra ,das Leben ist zu kurz um zu trauern jetzt wird wieder angegriffen;-)“
Auffällig ist die düstere, von Gewalt getränkte Sprache, die Frank S. benutzt. In einer der Mails heißt es:
„Kommt mir zwar vor als hätte ich meine Seele dem Teufel verkauft aber die hat er eh schon längst in seiner Sammlung.“
In einer anderen Mail schreibt er:
„Mann versucht nur hinzunehmen was passiert ist und dann das zu tun was nötig ist um noch schlimmeres zu vermeiden“.
Es ist die gleiche Argumentation, mit der Frank S. später das Attentat auf die „linksradikale Schickeria-Ideologin Reker“ rechtfertigen wird. Mit dem er auch eine „irre Kanzlerin“ treffen wollte, die sich nur noch um „diese Flüchtlinge“ kümmert. „Diese Regierung will das eigene Volk austauschen, bevor das Volk die Regierung austauscht“, ereiferte sich Frank S. vor Gericht, die Willkommenskultur sei ein „Amoklauf gegen die Realität“.
Die Idee eines geplanten Bevölkerungsaustauschs ist seit ein paar Jahren nicht nur unter Nazis sehr beliebt. Auch Politiker der AfD verbreiten diese Wahnidee immer wieder. Diesen beschworenen Untergang des eigenen Volkes wollte Rambo III nicht hinnehmen. Dagegen wollte er aufbegehren. Und „das tun was nötig ist um noch schlimmeres zu vermeiden.“
Der Prozess
Noch während Henriette Reker nach einer Notoperation im Koma liegt, wird sie von den Bürgern von Köln zur Oberbürgermeisterin gewählt. Die Generalbundesanwaltschaft zieht das Verfahren an sich. Es soll ein Signal senden: dass Angriffe auf Politiker konsequent geahndet werden.
Der Prozess wird im Hochsicherheitsgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf verhandelt. Es ist ein von Zäunen umgebenes Gebäude mit Panzerglasscheiben im Gerichtssaal. Frank S. schirmt sein Gesicht mit einem Aktenordner ab. Der psychiatrische Gerichtsgutachter Norbert Leygraf diagnostiziert eine „paranoid-narzisstische Persönlichkeitsstörung“. Dennoch sei er voll schuldfähig. Frank S. widerspricht. Er sei „bei bester Gesundheit“ und „bei klarem Verstand“.
Am 1. Juli 2016 ergeht das Urteil. Frank S. „wollte ein Signal gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung setzen“, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza in ihrer Begründung. „Er wollte ein Klima der Angst schaffen und die Politik beeinflussen.“ Havliza weiter: „Er hielt die Bundesregierung nicht für berechtigt, Flüchtlinge ins Land zu lassen.“ Dagegen habe er ein „extremes und brutales Zeichen“ setzen wollen.
Frank S. wird wegen versuchten Mordes an Henriette Reker zu 12 Jahren Haft verurteilt – nicht zu lebenslänglich, wie vom Bundesanwalt gefordert. Das Gericht sah keine „niedrigen Beweggründe“ in der Tat von Frank S. Sein politischer Hass auf eine Politikerin, die Repräsentantin einer von Menschlichkeit geprägten Flüchtlingspolitik war, reichte dem Gericht nicht aus.
Da Frank S. bei seinem Angriff auf Henriette Reker noch weitere Menschen angegriffen und verletzt hat, bildete das Gericht eine Gesamtstrafe von 14 Jahren Haft. Dank der Zweidrittel-Regelung im Strafvollzug könnte Frank S. in spätestens neun Jahren wieder auf freiem Fuß sein.
Inzwischen hat er über seine Anwälte Revision beim Oberlandesgericht eingelegt.
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Die Illustrationen hat Ivo Mayr auf Basis der Bilder aus dem Rechner von Frank S. erstellt.
Anna Neifer hat für diese Geschichte für Frontal 21 gearbeitet.