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Colonia Dignidad: Bundestag prüft Entschädigung für Opfer

Die Opfer der Colonia Dignidad können nach Jahrzehnten doch noch auf Entschädigung hoffen. Bis Ende Mai soll nach Informationen von CORRECTIV eine vom Auswärtigen Amt in Auftrag gegebene Studie klären, ob noch Vermögen der chilenischen Foltersekte existiert. Das Geld soll den Überlebenden des Lagers zu Gute kommen.

von Dietmar Seher

Bilder der ersten deutschen Siedler in Villa Baviera, ehemals Colonia Dignidad (Würdekolonie).© CLAUDIO REYES / AFP

Die Opfer der Colonia Dignidad können gut zwei Jahrzehnte, nachdem die Folterverbrechen in dem chilenischen Sektenlager endeten, auf Entschädigung hoffen. Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU, Michael Brand, sagte CORRECTIV: „Die Regierung muss bis zum 30. Juni Konkretes vorlegen, was den Opfern wirklich hilft.“ Wer jetzt nicht schnell und unbürokratisch helfe, werde „auf Widerstand im Parlament stoßen, über Parteigrenzen hinweg“. 

Fraktionsübergreifend verlangt eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag, dass die Opfer der Colonia Dignidad  staatliche Unterstützung erhalten. Auch soll das Vermögen beschlagnahmt werden, welches die Sekte möglicherweise bis heute versteckt hält.

Folter und Verschleppungen

Im Folterlager Colonia Dignidad, das der Bonner Paul Schäfer in Südchile errichtete, wurden zwischen 1960 und dem Jahr 2000 hunderte Kinder und Jugendliche gefoltert, vergewaltigt und zur Arbeit gezwungen. Sie waren zum Großteil aus Deutschland verschleppt worden. Aber auch Gegner des Pinochet-Regimes wurden in den Kellern der Kolonie gequält und sogar ermordet. Viele Opfer, die überlebt haben, fristen heute ihr Dasein in Deutschland – oftmals in großer Altersarmut.  

Das Auswärtige Amt habe die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die Entwicklungshilfeorganisation des Bundes, mit einer Studie beauftragt, sagt der CDU-Abgeordnete Brandt, um herauszufinden, wie die vermuteten Vermögen enttarnt werden können. Die Studie soll noch im Mai vorliegen.  

Die Sekte der Colonia Dignidad war Mitte der 1950er Jahre im Rheinland als Erziehungsanstalt von Paul Schäfer gegründet worden. Als ihm Staatsanwälte auf den Fersen waren, verlegte er die Anstalt nach Südamerika. Alleine bei der Verlagerung waren 150 Kinder und Jugendliche aus Heide bei Bonn meist ohne Zustimmung der Eltern nach Südamerika verschleppt worden. Über Jahrzehnte blieben die Straftaten, die erst in Heide und dann in Chile verübt wurden, ohne Ahndung in Deutschland.

Traumatisierte Opfer

Zu den Opfern zählen zum Beispiel Franz Heinrich und Irmgard Wagner. Die beiden, 72 und 73 Jahre alt, leben in Krefeld. „Von 1957 bis 2005 Folter, Zwangsarbeit, Psychopharmaka bis zu dem Punkt, dass man versucht hat, mir das Leben zu nehmen“, fasste Franz Heinrich Wagner seine prägenden Lebenserfahrungen im Gespräch mit CORRECTIV kurz und knapp zusammen.

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Opfer der Colonia Dignidad: Franz Heinrich Wagner und seine Frau Irmgard waren fast ein halbes Jahrhundert Gefangene des brutalen Sektenführers und Kinderschänders Paul Schäfer.

CORRECTIV.Ruhr/Ivo Mayr

Seine Frau muss immer noch um eine Entschädigung kämpfen. Beantragt im Jahr 2011, ist bisher kein Geld an sie geflossen. Irmgard Wagner wird „von Gutachter zu Gutachter geschickt“, erzählt ihr Mann. Dabei ist Irmgard Wagner schwer krank.

Die ganze Geschichte der Wagners können Sie hier lesen: 

Im Schatten der Colonia Dignidad (CORRECTIV.Ruhr)

Dass derzeit Mitarbeiter der Berliner Ministerien und von Ermittlungsbehörden versuchen, mehr Licht ins Dunkel dieser barbarischen Geschichte zu bringen und neue Ermittlungen anzustoßen, ist ein erster Schritt der Aufarbeitung. Der Krefelder Oberstaatsanwalt Axel Stahl hat von einer durch die Bundesregierung organisierten Reise nach Chile zahlreiche bisher zurückgehaltene Akten und Unterlagen über die dort begangenen Verbrechen mitgebracht. „Wir haben sehr konstruktive Gespräche mit den chilenischen Ermittlern geführt“, sagt Stahl. Das mitgebrachte Material sei sehr umfangreich und werde zur Zeit übersetzt. Es soll Grundlage für weitere Ermittlungen sein. 

Strafverfolgung schwierig

Die strafrechtliche Verfolgung der Täter von Folter und sexuellem Missbrauch sei aber wegen Verjährung bis auf einige Einzelfälle kaum noch möglich, sagt Stahl. Nur Mord kennt nach deutschem Recht keine Verjährung. Somit könnten die Folter- und Missbrauchsfälle aus den 1970iger Jahren nicht mehr verfolgt werden. Lediglich für die Missbrauchsfälle, die ab Anfang der 1990iger Jahre stattgefunden hätten, sei noch eine Strafverfolgung möglich, sagt der Oberstaatsanwalt. Man habe da Maßnahmen ergriffen, die die Verjährung aufschieben. 

Trotzdem drängt die Zeit.