So funktioniert bisher die Kontrolle der Apotheken
Bisher laufen die Kontrolle der Apotheker unregelmäßig und angemeldet. Der Fall der gestreckten Krebsmedikamente aus Bottrop könnte Reformen anstossen.
Deutschlands Apothekendichte ist hoch. 50.000 Apotheker in 20.000 Betrieben versorgen täglich 3,9 Millionen Patienten. Mit 4332 arbeiten ein Viertel aller deutschen Apotheken in Nordrhein-Westfalen. In diesen Apotheken werden bundesweit jedes Jahr 13,9 Millionen Rezepturen speziell zusammengestellt und in besonderen Schwerpunktapotheken „mit Herstellungserlaubnis“ weitere drei Millionen Arzneien zur Krebsbekämpfung gemixt.
Apothekendichte und Preise
Die Diskussion über die Versorgung mit Arznei ist breit angelegt. Sie dreht sich meist um die „Apothekenpreise“, um den Vormarsch der Versandapotheken, um die Möglichkeit für Apotheker, Filialen einzurichten oder auch um die Patientenkarte. Nur selten stehen die Gesundheit oder das Leben bedrohende Vorgänge im Mittelpunkt – kriminelle Machenschaften, wie sie jetzt die Essener Staatsanwaltschaft im Bottroper Fall vorwirft.
Aber es gibt sie immer wieder. Zuletzt war das im Herbst 2014. Das Paul-Ehrlich-Institut des Bundes und Staatsanwaltschaften warnten damals: Mafiosi vermutlich der Camorra haben in Italien Lkw mit teuren Arzneimitteln entführt, die Ware geplündert, Medikamente wie das Krebsmittel Avastin gestreckt und als Importe an deutsche Apotheken verkauft. 80 italienische Produkte von 40 Herstellern waren von den gefährlichen Importen betroffen, auch 45 Medikamente aus rumänischer Herstellung mussten aus dem Verkehr gezogen werden. Das Gesundheitsministerium in NRW gab damals zu, dass sie auch in das bevölkerungsreichste Bundesland gelangt waren.
Bei dem Mafia-Skandal 2014 gab es eine Arbeitsgruppe des Landes
Die Landesregierungen reagierten 2014 ziemlich schnell. Sie bildeten sogar eine eigene länderübergreifende Arbeitsgruppe, um das kriminelle Tun zu unterbinden. Nach dem Auffliegen des Skandals in Bottrop Ende 2016, obwohl in seinem Umfang deutlich größer und gefährlicher, schienen die Reaktionen dagegen eher verhalten.
Wieso ist man Peter S. nicht eher auf die Schliche gekommen? Wie funktioniert überhaupt die Überwachung der Apotheken?
Kontrolle an die Kommunen abgegeben
Der Staat hat diese wichtige Aufgabe im Laufe der Jahre immer mehr auf die Ebene der Kommunen, konkret der Kreise und kreisfreien Städte, verlagert. Dort ist es Aufgabe der so genannten Amtsapotheker, die Einhaltung der Regeln vom Verkauf von Hustensaft bis zur Herstellung hoch wirksamer Krebsarzneien in spezialisierten Schwerpunkt-Apotheken wie der in Bottrop zu überwachen.
Ein Amtsapotheker für 300 Apotheker
In Nordrhein-Westfalen sind seit 1982 etwa drei Dutzend Amtsapotheker tätig. Jeder betreut eine Region von ungefähr 600.000 Einwohnern mit je rund 300 Apotheken. Sie haben eigene Rechte, entscheiden über Öffnung und Schließung von Betrieben, sie genehmigen und beobachten bei Krankenhäusern und Heimen die Versorgung durch Arzneimittel und kümmern sich neuerdings um die hoch umstrittene Aktivität von Versandhandels-Apotheken. Schlagzeilen machen sie, wenn sie wie in diesem Frühjahr im Sauerland auf einen Schlag vier Apotheken schließen, weil die Vorschriften über das Fachpersonal nicht beachtet worden sind.
Fachaufsicht liegt bei den Bezirksregierungen
Die Fachaufsicht über die Amtsapotheker liegt in Nordrhein-Westfalen bei den Bezirksregierungen. Bei der Bezirksregierung Münster, die das nördliche Ruhrgebiet mit abdeckt, ist ein Mitarbeiter dafür zuständig.
Diese Strukturen der Überwachung sind mit dem Bottroper Skandal ins Gerede gekommen. Denn bisher sollen Apotheken, auch die Schwerpunktapotheken, nur alle zwei Jahre überprüft werden – und das „in der Regel“ nach Ankündigung des Kontrollbesuchs.
Kontrolle selten und angemeldet
Ausgerechnet aber bei den risikoreichen bundesweit etwa 200 Schwerpunktapotheken, wo an besonderen Werkbänken und in mit hohem Hygienestandard ausgestatteten Reinräumen Medikamente gezielt Wirkstoffe zur Tumorbekämpfung für einzelne Kranke gemischt werden, ist eine Vorankündigung der Kontrolle ausdrücklich vorgeschrieben.
Der Fall aus Bottrop könnte Reformen anstossen
Die Folge: Kriminelle Apotheker erhalten so Zeit, mögliche Spuren ihres krimineller Tuns zu verwischen. Experten gehen jetzt davon aus, dass nach dem Bottroper Skandal diese Vorschrift gestrichen wird und auch die Produkte selbst viel öfter in den Labors des Landes untersucht werden. Bisher passiert dies „nicht regelmäßig“.