Alte Apotheke

Keine Aufzeichungen bitte! – Oder wie sich die Politik in Sachen Alte Apotheke wegduckt

Seit Wochen bemühen wir uns, verantwortliche Politiker aus Stadt und Land in unsere mobile Lokalredaktion nach Bottrop einzuladen, um mit ihnen und mit Betroffenen öffentlich vor Ort über den Skandal der Alten Apotheke zu reden. Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Sondern darum, was besser werden muss. Doch sowohl Gesundheitsministerium als auch Stadt weichen aus.

von Bastian Schlange

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Seit Wochen versuchen wir, Vertreter der Stadt Bottrop oder des Gesundheitsministeriums NRW für einen Gesprächs- und Infoabend einzuladen. Doch die Politiker wollen nicht. Stattdessen setzen sie auf kleine Runden mit Betroffenen, die vertraulich tagen. So können sie frei reden, ohne nachher für ihre Worte haftbar gemacht zu werden.

Wir hätten am liebsten den Bottroper Oberbürgermeister Bernd Tischler bei uns im Bottroper Büro begrüßt. Das hat leider nicht geklappt, beziehungsweise wurde vom Sprecher der Stadt, Andreas Pläsken, schlichtweg ignoriert.

Auch ein angedachtes Treffen mit dem Leiter des Bottroper Gesundheitsamtes wird nicht stattfinden, weil die Stadt eine Veranstaltung mit ihm an absurde und für uns nicht annehmbare Forderungen knüpfte.

Selbst das NRW-Gesundheitsministerium geht auf Tauchstation. Ein Sprecher teilt schlicht mit, dass weder Minister Karl-Josef Laumann (CDU) noch andere Vertreter des Hauses für ein offenes Gespräch in Bottrop zur Verfügung stünden. Sprich: Düsseldorf duckt sich weg.

Keine Aufzeichnungen erlaubt

Wir geben hier einen kurzen Einblick in den Mailaustausch mit der Stadt Bottrop und dem Gesundheitsministerium. Unserer Ansicht nach ist der Schriftverkehr bezeichnend für den Umgang der Politik mit diesem Medikamentenskandal. Peter S., der Alte Apotheker aus Bottrop, hatte zehntausende Krebsmittel gepanscht. (Hier die Hintergründe).

Unserer Ansicht nach kümmert sich die Politik nicht mit aller Konsequenz um die Aufarbeitung des Falls der Alten Apotheke, sondern macht lediglich kleine Alibi-Eingeständnisse, die nach Handeln aussehen aber keine Verbindlichkeiten zu lassen.

Hilfe für Betroffene

Fangen wir mit unseren Versuchen an, einen Vertreter der Stadt Bottrop für ein offenes Gespräch zu gewinnen. Am 25. August schrieben wir an den Bottroper Oberbürgermeister Tischler:

„Jeden Tag betreten hier Menschen unser Büro und erzählen uns ihre Geschichten, teils erschütternde Schicksale. In diesen persönlichen Gesprächen ist sehr deutlich geworden, dass das Grundvertrauen in die Ärzte, Apotheker aber auch die Behörden massiv erschüttert ist. Der Fall der „Alten Apotheke“ stellt eine tiefe Wunde im öffentlichen Leben und in den einzelnen Lebensgeschichten vieler Bottroper dar. Die Menschen sind verunsichert und fühlen sich allein gelassen. Aus meiner Sicht wäre es ein mehr als positives Signal, Sie hier für einen Gesprächsabend begrüßen zu dürfen.“

In einer Antwortmail vom 12. September bietet Stadtsprecher Andreas Pläsken einen Termin mit dem Gesundheitsamtsleiter Dr. Christian Marga und dem stellvertretenden Leiter des städtischen Rechtsamtes Jan-Philipp Kruppa an. Oberbürgermeister Tischler erwähnt Pläsken mit keinem Wort – dabei hatten wir diesen eingeladen und angesprochen. Außerdem knüpft Pläsken den Termin an eine Auflage. Er schreibt:

„CORRECTIV formuliert ja mit Entschiedenheit, dass es um die Information der Betroffenen geht. Dies sehen wir exakt auch so und deshalb haben wir als Bedingung, dass während der Veranstaltung keine Bild- und Tonaufzeichnungen oder -übertragungen gemacht werden.“

Er will also, dass niemand öffentlich nachvollziehen kann, was die städtischen Mitarbeiter sagen. Es soll offenbar eine Art Geheimtreffen werden. Wir antworten noch am selben Tag:

„Wie Sie selbst schreiben, geht es um die Information von Betroffenen. Betroffen sind im Fall der Alten Apotheke nicht dreißig, nicht vierzig oder hundert Menschen. Die Zahlen gehen in die tausende. Vielen wird es zeitlich oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein, die Veranstaltung zu besuchen. Wir stehen für gemeinnützigen Journalismus. Dazu gehört es, Öffentlichkeit zu schaffen. Eine derartige Veranstaltung nicht öffentlich zu dokumentieren, würde ihrem Grundgedanken widersprechen — nämlich möglichst viele Menschen zu informieren und ihnen zu helfen.“

Kein Wort zum Oberbürgermeister

Wegen Oberbürgermeister Tischler haken wir nach:

„Etwas irritiert bin ich allerdings, dass sie Herrn Tischler nicht erwähnt haben. Möchte er sich nicht öffentlich zu dem Fall äußern? Ich hätte es, wie bereits in der Anfrage geschrieben, als sehr positives Signal empfunden, sich für Aufklärung und auch für Konsequenzen aus dem Fall der Alten Apotheke einzusetzen. Und eben auch die Sorgen und Ängsten der vielen Betroffenen ernst zu nehmen. Ich denke, diesem Signal würde sicherlich mit großem Respekt begegnet werden.“

Nach drei Tagen und mehreren Nachfragen reagiert Pläsken. Oberbürgermeister Tischler erwähnt er wieder nicht.

„Wir haben es uns mit der Antwort nicht leicht gemacht, weshalb Sie jetzt etwas warten mussten: Wir müssen auf unserer Bedingung, dass keine Bild- oder Tonaufzeichnungen beim Gespräch mit den beiden städtischen Mitarbeitern gemacht werden dürfen, bestehen! Entsprechend können wir auch einer zeitversetzten Veröffentlichung nicht zustimmen. Wenn Sie dieser Vorgabe nicht nachkommen wollen, werden Dr. Marga und Herr Kruppa nicht zum Treffen kommen können!“

Kurz zuvor hatte es ein Treffen des Oberbürgermeisters Tischler mit einer Gruppe Betroffener hinter verschlossenen Türen gegeben. Die Wirkung der Gespräche soll klein gehalten werden.

Wir können auf diese Bedingungen nicht eingehen. Wir sind recherchierende Journalisten. Wir kommen Vorgaben der Behörden nicht nach, wenn es um unsere Arbeit geht. Wir dokumentieren Aussagen von Ämtern und überprüfen diese auf ihren Wahrheitsgehalt. Das ist unser Job. Aus diesem Grund verzichten wir auf das Treffen mit den Stadtvertretern. Wir hoffen, unsere Leser haben dafür Verständnis.

Wegtauchender Minister

Noch schneller machte sich das Gesundheitsministerium NRW aus dem Staub.

Auf unsere Bitte um einen Gesprächsabend mit Gesundheitsminister Laumann oder später mit einem anderen Vertreter des Gesundheitsamtes bekamen wir zwei Mal dieselbe Satzstanze als Antwort:

„Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es Herrn Minister Laumann nicht möglich sein wird, an der von Ihnen angedachten Veranstaltung teilzunehmen.“ Dieser Satz ist aus einer Antwortmail des Gesundheitsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. August 2017

Am 22. August 2017 schrieb das Gesundheitsministerium: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es auch keinem anderen Vertreter des Ministeriums möglich sein wird, an der von Ihnen geplanten Veranstaltung teilzunehmen.“

Es wird also kein öffentliches Gespräch mit politischen Verantwortlichen bei uns geben.

Laumann hinter verschlossenen Türen

Stattdessen wird sich morgen NRW-Gesundheitsminister Laumann mit einem Dutzend betroffener Menschen treffen. An einem Freitagmorgen um 8:30 Uhr. Keine Journalisten, keine verbindliche Dokumentation. Verschlossene Türen.

Es ist erschütternd, dass Vertreter der Politik – egal auf welcher Ebene – immer noch nicht begreifen wollen, dass sie sich öffentlich erklären und dann auch handeln müssen, um den Schaden, den Peter S. angerichtet hat, zumindest teilweise zu beheben.

Aber wir müssen auch nach vorne sehen. Es ist viel in Bewegung. Der öffentliche Druck nimmt zu – auch durch die nicht öffentlichen Gespräche von Betroffenen mit Oberbürgermeister Tischler oder mit Gesundheitsminister Laumann.

Die Politik wird langfristig handeln – und die Kontrollen von Apothekern und die Strukturen der Krebsmedizin drastisch verbessern müssen. Und das ist gut.

Die Bretter, die wir bohren müssen, sind dick. Wir bleiben dran.