Alte Apotheke: Die Rede der Betroffenen
Auf der zweiten Demonstration der Betroffenen des Skandals um die Alte Apotheke protestierten rund 400 Menschen gegen den Umgang der Behörden mit dem Unfassbaren. Wir dokumentieren hier die Rede von Heike Benedetti. Sie hat mit einer Gruppe von Betroffenen, die Demonstration organisiert.
Liebe Freunde*,
Ein großes Dankeschön an all die Menschen, die heute hier so zahlreich erschienen sind, um mit uns diesen zweiten Schweigemarsch zu gehen.
Das macht das Besondere unserer Region aus. Wo Unrecht geschieht, stehen wir Menschen aus dem Ruhrgebiet Seite an Seite zusammen.
Das zeigt uns, dass ihr versteht, wie wir fühlen. Das zeigt uns auch, dass ihr versteht, dass sich etwas verändern muss.
Viele Politiker haben das leider noch nicht begriffen. Ich weiß nicht, mit welch selbstherrlichen Ignoranz Herr Ministerpräsident Armin Laschet mein Hilfesuche per E-Mail einfach ignoriert und weiterleitet an Minister Laumann. Der Minister, der uns Betroffene vor wenigen Wochen in Düsseldorf bei einem verabredeten Treffen im Ministerium einfach hat sitzen lassen.
Ministerpräsident Laschet hat nichts zu verlieren, wenn er sich mit uns Opfern dieses Skandals auseinandersetzt. Wir sind über 3700 Menschen – aus dem ganzen Land.
Aber wir haben viel zu verlieren.
Deshalb meine Frage: Wo sind die Politiker unseres Landes Nordrhein-Westfalen? Wo sind die Politiker, die hinter uns als Bürger dieses Landes stehen sollten?
Meine zweite Frage ist: Hat die Staatsanwaltschaft schon 2013 versagt? Hat sie damals voreilig die Akte Peter S. geschlossen? Wie viele Menschen könnten noch leben, wenn weiter, wenn ernsthaft, wenn mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt worden wäre?
Die aktuelle Anzeige gegen die Alte Apotheke wurde in Bochum gestellt. Doch leider wurde erneut die Staatsanwaltschaft Essen mit den Ermittlungen in diesem Fall betraut; die Staatsanwaltschaft, die zuvor versagt hatte.
Tatsächlich sieht es so aus, als laufe alles schief, was schief laufen kann.
Der Zugriff auf das Vermögen von Peter S. durfte in der U-Haft auf die Eltern und den Steuerberater von Peter S. übertragen werden. Die Mutter bekam die Apotheke, der Vater und der Steuerberater eine Generalvollmacht.
Alle Fehler, die in den vergangenen Monaten gemacht wurden, aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Rede sprengen. Nur soviel, in meinen Augen wurde geschoben, gekungelt und gesichert – alles zugunsten seiner Familie. Mit anderen Worten: Die Staatsanwaltschaft hat bei der Vermögenssicherung geschlafen. Dabei sollte dieses Geld doch genutzt werden, den Schaden irgendwie, zumindest finanziell auszugleichen.
Meine dritte Frage ist: Wie viel Macht hat diese Apotheke über unsere Stadtspitze? Die Apotheke ist leider nicht geschlossen worden. Nein. Sie wurde auf die Mutter zurückübertragen, ohne dass sie die finanziellen Verpflichtungen des Täters mit übernommen hätte und ohne dass sie einen Euro bezahlt hat.
Noch immer tragen Kunden ihr Geld in die Apotheke und niemand darf glauben, dass auch nur ein Cent den Betroffenen zugute kommen würde.
Meiner Meinung nach hätte ein Amtssiegel auf diese Apotheke gehört. Sie hätte geschlossen werden müssen. Sie ist ein Tatort für ein schlimmes Verbrechen. Basta.
Aber jetzt auch ein Dankeschön an Oberbürgermeister Bernd Tischler und den Kämmerer Willi Loeven. Gut, dass Sie sich jetzt hinter uns Betroffene stellen. Zwar erst nach 10 Monaten und nachdem mehreren Anfragen ohne Erfolg blieben – aber besser spät als nie.
Etwas brennt uns allen nämlich unter den Nägeln, Herr Loeven. Sie haben gestern bei der Pressekonferenz gesagt, dass die Stadt Bottrop Anfang Februar noch nichts davon gewusst haben will, das mehr als fünf Wirkstoffe gepanscht wurden.
Nur leider existiert ein Schreiben aus ihrer Behörde vom 10. Februar 2017 an die Alte Apotheke, in dem ausgerechnet dem Täter mitgeteilt wurde, dass in 20 von 29 Proben der wichtigsten Krebsmedikamente ein massiver Mindergehalt der Wirkstoffe festgestellt wurde. Statt 100 Prozent waren weniger als 20 Prozent der Wirkstoffe in den Medikamenten. Das gleiche bei 43 von weiteren 88 Proben. Ebenfalls massive Mindergehalte.
Haben Sie vergessen uns das mitzuteilen?
Wir fordern nicht viel als Betroffene. Aber das, was wir fordern, sollte umgesetzt werden.
Wir wollen, dass alles aufgeklärt wird. Wie konnte es zu dem Behördendurcheinander kommen? Wieso wurden alle anderen detailliert informiert – bis auf die betroffenen Menschen, die Krebskranken und ihre Angehörigen. Wir bekamen nur zögerlich und scheibchenweise das Ausmaß des Skandals mitgeteilt.
Wir wollen, dass die Kontrollen in Krebsapotheken verbessert werden. Es muss unangekündigte Kontrollen geben, bei denen auch nachgesehen wird, ob die Qualität der Arzneien stimmt. Nie wieder darf zu wenig Wirkstoff in den verordneten Therapien sein.
Wir wollen, dass die Strafverfolgung im Medizinbereich verbessert wird. Es muss Spezialstaatsanwälte für diese Verbrechen geben.
Wir wollen, dass es einen Täter-Opfer-Ausgleich gibt. Hier dürfen die Menschen nicht schlechter als die Krankenkassen gestellt werden.
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.
*(Die Rede wurde für die Veröffentlichung leicht bearbeitet)