Trump und das Ruhrgebiet
Bei den US-Wahlen punktete Donald Trump vor allem im industriell geprägten Mittleren Westen von Chicago bis Detroit. In diesem „Rost-Gürtel” wählten ihn die weißen Arbeiter. Was bedeutet das für die Wahlen 2017 in Deutschland? Wahrscheinlich wird sich der Erfolg der AfD bei uns vor allem im Ruhrgebiet entscheiden – und daran, ob die SPD Kontakt zu den Arbeitern hält.
Die Karte der „New York Times“ ist eindeutig: Gut sichtbar sind die roten Pfeile, die sich in den Industriegebieten der USA nach rechts oben strecken. Hier unter den Arbeitern hat Trump besonders stark gewonnen. Die Malocher des „rost belts“, des Rostgürtels der USA, haben dem Populisten den Sieg gebracht.
Vor allem für Deutschland ist die Bedeutung der Karte nicht zu unterschätzen. Die Entscheidung über die Frage, wie stark die AfD werden kann, fällt im Ruhrgebiet. Gelingt es den Rechtspopulisten hier einen großen Teil der Arbeiter hinter sich zu bringen, ist ihr der Einzug in die Parlamente bei der NRW-Wahl und der Bundestagswahlen 2017 sicher.
Bisher sind die Arbeiter in dieser Region überwiegend emotional der SPD verpflichtet. Doch weder Hannelore Kraft, NRW-Chefin der SPD, noch ihre Minister wie Ralf Jäger (Innenressort) oder Garrelt Duin (Wirtschaft) können eine Bindung zu den Arbeitern herstellen. Sie reden an den Menschen vorbei.
Nur ein aktuelles Beispiel: Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) will mit dem Kopf durch die Wand. Obwohl das Düsseldorfer Verwaltungsgericht urteilte, dass die Bevorzugung von Frauen allein aufgrund ihres Geschlechtes bei gleicher Qualifikation bei Beförderungen im Landesdienst verfassungswidrig ist, will Schulze bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um das Gesetz zu verteidigen.
Mit einer solchen Politik schreckt die Ministerin zumindest Teile der Arbeiterschaft ab. Es geht nicht um Gleichberechtigung. Es geht darum, dass ein Gesetz gegen die Verfassung durchgeknüppelt werden soll. Die Menschen fassen sich an den Kopf. Sie reden über so einen Unsinn in ihren Kneipen, Kleingärten und Vereinen. Aus den Gesprächen wird eine Haltung: „Die da oben verstehen uns nicht“. Die Einstellung dahinter: „Warum kümmern die sich in Düsseldorf um so einen Mist und nicht darum, dass unsere Schulen in Karnap besser werden.“ Ob die Positionen inhaltlich zusammengehören oder nicht, ist dabei vollkommen egal. So reden Menschen im Ruhrgebiet.
Abgehoben ist noch nett
Auch die emotionale und soziale Distanz der herrschenden SPD-Schicht zu den Arbeitern lässt sich sehr gut an Wissenschaftsministerin Schulze erklären. Die Sozialdemokratin war früher mal als Mitglied des Sozialistischen Hochschulbundes, Vorsitzende des AStA an der Ruhr-Universität Bochum. Sie war Juso-Chefin. Sie hat nach ihrem Studium ein wenig PR-Arbeit gemacht, war als „Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt auf dem öffentlichen Sektor“ tätig, zuletzt bei Booz Allen Hamilton, einem Unternehmen aus dem US-Militärkomplex. Seit 2004 sitzt Svenja Schulze im Landtag NRW.
Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von NRW, gibt an, sie sei Unternehmensberaterin gewesen. Tatsächlich hat sie in einer Förderbude Fördermittel verteilt. Ihr Mann arbeitet im Umfeld der Stadtverwaltung Mülheim. Aber was tut sie für die Arbeiter bei ThyssenKrupp in Duisburg? War sie bei den großen Solidaritätsdemos vor wenigen Wochen? Man hat den Eindruck, für die Landesregierung ist das Ruhrgebiet nur noch eine Folklore-Veranstaltung. Es reicht aus „Glück Auf“ zu sagen, um Nähe zu demonstrieren. Doch das Ruhrgebiet ist mehr als ein Ruhr-Museum. Hier leben Menschen mit Sorgen und Hoffnungen und einer Geschichte.
Allenfalls Mike Groschek, Bauminister aus Oberhausen, kann aus den Reihen der Landesregierung die Arbeiter erreichen. Er spricht ihre Sprache. Ihm können sie zuhören. Er sagt, dass etwas passieren muss, dass Wirtschaft und Arbeit Priorität haben. Ganz einfach. Wenn er gegen die „durchgrünte“ Gesellschaft wettert, spricht er manchen aus dem Herzen.
Leider antwortet Groschek auf die Frage, wie er der Industrie Vorrang geben will, mit der Gründung einer Initiative gegen Initiativen, die gegen die Industrie sind. Besser wäre es, er würde sich um die Ansiedlung von Industriezentralen kümmern anstatt um noch eine Initiative. Als Minister kann er handeln.
Abgelehnter Lebensstil
Der ungesunde Lebensstil vieler Arbeiter wird von der tonangebenden Schicht abgelehnt. Wissenschaftlich begründet natürlich, weil Zigaretten, Bier und fette Schinken eben ungesund sind. Weil Wrestling im Fernsehen plumpe Unterhaltung ist. Weil Autos mit großem Motor der Umwelt schaden. Weil Wärmedämmung selbst dann vernünftig ist, wenn sie viel Geld kostet. Weil Urlaub in Malle für Prolls ist und man sich drüber lustig macht – und lieber nach Brandenburg in den Landurlaub fährt. Es geht um die Kleidung: das „Camp David“-Shirt ist billig und unmodern, auch wenn das für die Leute aus Kray das beste Hemd ist. Die Ablehnung wird als Arroganz erfahren.
Es geht nicht nur um Flüchtlinge, um Zuwanderer, um Islam. Die AfD zielt auf die Herzen der Arbeiter. Es geht um den Lebensstil, der sich nicht ändern soll. Die Siedlung soll die Siedlung bleiben, die man von früher kennt. Es geht um die Identität der Menschen in ihrer Region.
Folgendes Bild kann wahrscheinlich die Situation am besten beschreiben: Früher gab es das „sozialdemokratische Buffet“. Das war ein Mettigel, Zwiebel, Gürkchen und Bier. Heute besteht ein Buffet der Sozialdemokraten aus thailändischen Häppchen, gereicht auf kleinen Tellerchen mit Currysoße. Die Mettigel, Zwiebel, Gürkchen und Bier gibt es woanders.
Wenn wir erkennen, dass die Auseinandersetzung mit der AfD im Ruhrgebiet geführt werden muss, gilt es, die richtige Augenhöhe, die richtigen Argumente, die richtigen Protagonisten zu finden. Die SPD muss hier Leute ins Rennen schicken, die Typen sind. Die in den Siedlungen bestehen können.
Und sie muss ein Programm vorstellen, dass die Menschen im Ruhrgebiet nachvollziehen können. Dazu gehört ein Ende der Kuschelsongs. Probleme müssen klar und deutlich beschrieben werden. In der Integration, in den Schulen, in der Chancengleichheit. Die Angst der Menschen muss ernst genommen werden, wenn es um Einbrüche und Straßenkriminalität geht.
Der rosarote Schleier
Derzeit versucht die Landesregierung das genaue Gegenteil. Sie versucht, einen rosaroten Schleier über alle Probleme im Land zu werfen und so den Grundtenor für den Wahlkampf zu bestimmen. Sie singt sinngemäß: „Wir lassen uns das Ruhrgebiet, NRW nicht kaputt reden, hier ist es gar nicht so schlecht wie alle sagen.“ Das macht Hannelore Kraft fast täglich und ihre Minister beten es nach. Unterstützt werden sie dabei von den ganzen Unterstützern aus der Kulisse der SPD-nahen kommunalen Wirtschaft.
Früher hatte die SPD die „Kümmerer“ in jedem Stadtteil im Revier. Diese Zeiten werden nicht wiederkehren. Es würde aber schon helfen, wenn Probleme nicht ignoriert, sondern vor Ort benannt werden. Es reicht aus, wenn Menschen wie der Gewerkschafter Guido Reil, der jetzt in der AfD Karriere machen will, in den eigenen Reihen gehalten werden könnten. Es reicht aus, wenn die Politik sich nicht nur für ihre Lieblingsorchideenthemen (wie Gender*Mainstreaming) interessiert, sondern für die Menschen vor Ort.
Noch ist Zeit. Sie sollte aber nicht verschwendet werden.
CDU derzeit keine Option
Denn nur die SPD kann die schwierige Aufgabe bewältigen. Die CDU ist mit ihrem Spitzenmann Armin Laschet derzeit bei der Wählergruppe, um die es geht, nicht vermittelbar. Laschet fabuliert von Olympia im Ruhrgebiet – wo jeder weiß, dass diese Idee Unsinn ist. Die Region kriegt nicht mal den anfallenden Verkehr bei der Brettspielemesse in Essen bewältigt. Die CDU als Volkspartei ist im Augenblick nicht in der Lage, die Menschen im Ruhrgebiet hinter sich zu vereinigen. Ihre Führung ist noch abgehobener als die SPD-Führung.
Es gilt jetzt. Es geht diesmal im Ruhrgebiet, in NRW um sehr viel.