Debatte

G-Flexi: Die grüne Schulpolitik in NRW ist reines Chaos

Schulministerin Sylvia Löhrmann will nach den Landtagswahlen das flexible Abitur einführen. Aber warum geht es nicht zurück zu G9, warum wird nicht einfach die Sekundarstufe 1 wieder auf sechs Jahre verlängert? In der Schulpolitik der Grünen herrscht nur traurige Planlosigkeit.

von Monika Pieper

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Nach drei Jahren hohler Durchhalteparolen stellen zu guter Letzt auch die Grünen fest: Das Turboabi ist in NRW gescheitert. Niemand will es, niemand braucht es. Drei Jahre verschenkter Zeit, in der von unserer Schulministerin immer die gleiche Leier wiederholt wurde, man dürfe jetzt bloß keine Unruhe in die Schulen bringen. Verschenkte Zeit, in der viele Schulleiter immer wieder bekräftigt haben, schon nächste Woche wieder ein G9 einführen zu können, ohne Probleme und ohne die befürchtete Unruhe. Verschenkte Zeit, in der nicht zuletzt die Grünen eine Debatte dazu im Landtag verschleppt und verweigert haben.

Jetzt reibt man sich verwundert die Augen. Anstatt den Willen der Bevölkerung endlich ernst zu nehmen und zum nächsten Schuljahr wieder das G9 einzuführen, will man jetzt gleich die ganze Schule umkrempeln. Und das zusätzlich zu der immer noch nicht gelungenen Inklusion an den Schulen in NRW. Individuelle Lernzeit für alle Schüler, das klingt zunächst einmal toll. Wer würde das nicht wollen. Wer aber genauer hinsieht, stellt fest: Der neuste unausgegorene Vorschlag der Grünen in Sachen Schulpolitik ist lediglich eine Verschlimmbesserung der aktuellen Situation.

Schulen ohne Planungssicherheit

Einer der größten Kritikpunkte des Turboabis ist die hohe Belastung der Schüler. Die Grünen schlagen nun vor, nach der Klasse 6 einen dreijährigen und einen vierjährigen Zweig an jedem Gymnasium zu bilden. In der Konsequenz hieße das aber, die Schülerinnen und Schüler in Klasse 5 und 6 müssten weiterhin bis zu 34 Stunden pro Woche Unterricht haben, da diejenigen, die sich nach Klasse 6 für ein G8 entscheiden, sonst nicht genügend Wochenstunden für den Erwerb eines Schulabschlusses hätten. Die hohe Belastung, gerade in Klasse 5 und 6 bliebe also unverändert. Darüber hinaus hätten die Schulen gar keine Planungssicherheit mehr, da nie vorausgesagt werden kann, wie viele Schüler sich für die G8 oder G9 Variante entscheiden werden.

Ebenfalls nicht konsequent zu Ende gedacht: Der alternative Vorschlag, die Schulen sollen individuelle Lernzeiten mit dem Besuch des Unterrichts höherer oder niedriger Jahrgangsstufen anbieten, je nach Lernfortschritt. In der Praxis würde das nichts anderes bedeuten als eine faktisch unmögliche Stundenplanung, insbesondere an großen Schulen. Ein Schüler, der in Englisch noch nicht so weit ist, geht dann in den Englischunterricht der Jahrgangstufe darunter. Eine Schülerin, der das Lernen besonders leicht fällt, nimmt am Matheunterricht der höheren Jahrgansstufe teil. Dafür müssten alle Jahrgangsstufen zu gleichen Zeit Mathe- Englisch- Deutsch- und Fachunterricht haben, denn ansonsten würde man ja den Unterricht eines anderen Faches versäumen. Hier zeigt sich die traurige Planlosigkeit der Vorschläge.

Bildungsprojekte ohne Vorbereitung

Begleitend plant Frau Ministerin Löhrmann für das Schuljahr 2017/18 eine sogenannte „Fortbildungsoffensive“ um alle Lehrkräfte bis zum Schuljahr 2019/20 für die individuelle Lernzeit fit zu machen. Bereits die angekündigte Fortbildungsoffensive zum inklusiven Lernen war ein Flop. Die angebotenen Plätze konnten nicht ausreichend besetzt werden. Die bereits angekündigte Fortbildungsoffensive zum Lernen im digitalen Zeitalter lässt ebenfalls stark zu wünschen übrig. Hier wird ein Konzept, welches bereits an mehreren Stellen versagt hat, als innovative Lösung angeboten.

Nachdem bereits die Inklusion an den Schulen in NRW zu scheitern droht, besteht die Gefahr, dass mit der Einführung der „individuellen Lernzeit“ nun das nächste Grüne Bildungsprojekt ohne ausreichende Vorbereitung auf die Reise geschickt wird. Ein Bildungsprojekt das weder sinnvoll noch praktisch umsetzbar ist. Es steht zu erwarten, dass die Schulen vor Ort wieder mit den Problemen alleine gelassen werden und das Chaos an den Schulen weiter zunimmt.

Sekundarstufe verlängern

Die einzig richtige und zeitnah umsetzbare Lösung ist, die Sekundarstufe I bis zum ersten Schulabschluss wieder für alle Kinder auf 6 Jahre zu verlängern. Die Oberstufe kann dann durchaus flexibler gestaltet werden. Im Normalfall sollte sie drei Jahre umfassen. Da dort im Kurssystem gearbeitet wird, ist es ohne große Schwierigkeiten möglich, eine Verkürzung auf 2 Jahre oder auch eine Verlängerung auf 4 Jahre zu ermöglichen. Auf Basis dieses Grundsystems können dann auch individuelle Lernzeiten in den Schulen entwickelt und verankert werden.

Monika Pieper (MdL) ist Lehrerin an einer Förderschule Lernen und bildungspolitische Sprecherin der Piraten-Fraktion im NRW-Landtag