Debatte

Last Sozi Standing

Grün war gestern: Der NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) mag den umweltbewussten Zeitgeist nicht. Für den Sozialdemokraten ist übermäßiger Naturschutz ein Fortschrittsfeind. Einen Monat vor der Landtagswahl zielt Groschek mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz auf die sozialdemokratischen Kernthemen der Partei.

von Stefan Laurin

© Landesparteitag der NRWSPD 2012 in Münster von nrwspdunter Lizenz CC BY-ND 2.0

Der Verkehrsminister Michael Groschek ist kein ausgesprochener Freund der Grünen. In Interviews verteidigte er lange die Politik der rot-grünen Landesregierung, in Hintergrundgesprächen zeigte er sein Missfallen. Bei Lieblingsbegriffen des grünen Koalitionspartners wie „Verbandsklagerecht“ rollte Groschek auch schon einmal demonstrativ mit den Augen. Die Frage, wieso sich die SPD bei der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik nach den Vorgaben der Grünen richte, beantwortete Groschek mit Stöhnen.

Im Video-Interview mit CORRECTIV.Ruhr sagt er heute: „Ich glaube, wir müssen gleichberechtigter soziale und Umweltinteressen gegeneinander abwägen. Naturschutz ist wichtig, soziale Rechte und ökonomische Notwendigkeiten sind es aber auch.“ Nachhaltigkeit sei immer dreidimensional – „wer sie auf Ökologie reduziert, hat nichts begriffen“.

Groschek wurde 1956 in Oberhausen geboren. Sein Lebensweg hat wenig mit grünen Lebensentwürfen zu tun. Nach dem Abitur ging er als Zeitsoldat zur Marine. 1974 trat er in eine SPD ein, die für Kernenergie, Autobahnbau und Industrie stand.

Parteisoldat

Groschek studierte Wirtschaftswissenschaften und Deutsch aufs Lehramt. Er absolvierte eine typische Parteikarriere, wurde Stadtrat in Oberhausen, Mitglied des Bundestages und Landtages. Seit 2012 ist er Minister in NRW. Die politische Laufbahn in der SPD unterbrach Groschek nur kurz für einen Job bei LBS-Immobilien, einem auch nicht allzu politikfernen Unternehmen.

Groschek hält wie die meisten Sozialdemokraten in NRW wenig von den Grünen. Seine NRW-SPD ist die Partei von Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück: Kohle und Stahl, Industrie und Arbeitsplätze. Eine Partei, die darauf Wert legte, für die kleinen Leute da zu sein. Und für Menschen, die wirtschaftlich davon abhängig sind, dass Industriebetriebe wachsen und der Verkehr auf Straßen und Schienen läuft.

Harmonie verordnet

Als Hannelore Kraft 2010 die zweite rot-grüne Koalition in NRW führte, mussten die Sozialdemokraten ihren Groll gegen die Grünen bändigen und für Harmonie sorgen. Das fiel Groschek möglicherweise schwer. Im August 2016 platzte ihm schließlich der Kragen.

In einer Rede vor der Handwerkskammer in Düsseldorf attackierte Groschek die „durchgrünten Bürgerinitiativen“, die sich gegen Infrastrukturprojekte seines Hauses stellen, sie verzögern und oft genug auch verhindern. Beispiele gibt es viele: die Entwicklung der ehemaligen Rieselfelder in Datteln zum Gewerbepark NewPark, den Bau neuer Stromtrassen oder neue Baugebiete wie in Bochum. Manche Aktivisten seien „Egoisten im Mantel einer Bürgerinitiative“, sagte Groschek.

Daran, so scheint er es zu sehen, trägt auch seine eigene Partei Mitverantwortung. „Der Schaukelstuhl einer Vorruhestandsgesellschaft kann nicht zum Wappentier Nordrhein-Westfalens werden“, sagte Groschek deswegen in Düsseldorf. Der Wahlaufruf „Willy wählen“ sei ersetzt worden durch Parolen „Schützt die Wale“ und „Rettet den Wald“. Den Eindruck, die Grünen gäben in der Regierung und im Bau- und Verkehrsressort den Ton an, bezeichnet Groschek allerdings im Video-Interview mit CORRECTIV.Ruhr als „Trugschluss“ – und verweist als Beispiel auf den Landesentwicklungsplan, der Hafenflächen gegen andere Flächenansprüche schütze.

Offener Schlagabtausch

In der Rede vor der Handwerkskammer Düsseldorf hatte Groschek das inzwischen gegründete „Bündnis für Infrastruktur“ gefordert und wurde seitens des Koalitionspartners mit Skepsis bedacht. Der Vorsitzende der NRW-Grünen, Sven Lehmann, sagte: „Wer noch immer den Gegensatz von Wirtschaft und Umwelt pflegt, ist aus der Zeit gefallen.“

Damals lagen die Grünen in den Umfragen in NRW noch bei elf Prozent. Der grüne Zeitgeist schien unangreifbar. Heute hat sich der Wind gedreht, die Grünen sind abgerutscht. Nun könnte auch Groschek Aufwind haben, der lange vor Kanzlerkandidat Schulz gezeigt hat, dass die SPD in NRW noch lebt.

Interview: Jonas Mueller-Töwe

Kamera: Mine Önder

Schnitt: Eva-Maria Landmesser