Faktencheck

Debatte um Beschäftigtenzahlen

Wir haben vor ein paar Tagen auf Facebook einen Faktencheck gemacht. Wir wollten wissen, ob die Beschäftigten-Zahl stimmt, die Hannelore Kraft für das Ruhrgebiet in einem Interview angegeben hat. Kraft sagt, 2,3 Millionen Menschen wären hier in Lohn und Brot – so viele wie zur Spitzenzeit von Kohle und Stahl. Wir fanden die Zahl ziemlich optimistisch. Die CDU will es nun im Landtag genauer wissen.

von David Schraven

© Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentin von NRW von Thomas Rodenbücher unter Lizenz CC BY 2.0

Die Aussage von Hannelore Kraft im Interview mit der WAZ war klar und eindeutig. Hannelore Kraft beschwor die Menschen in NRW, nicht in Sack und Asche zu gehen. Man dürfe nicht alles schlecht reden.

Wir haben heute im Ruhrgebiet mit 2,3 Millionen wieder genau so viele Beschäftigte wie zu den Hochzeiten von Kohle und Stahl.“ (WAZ vom 12. August 2016)

Knapp einen Monat zuvor hatte sie die Zahl schon einmal in einem Interview mit dem General-Anzeiger in Bonn gebracht:

Und trotz dieser Langzeitarbeitslosigkeit haben wir auch im Ruhrgebiet mit 2,3 Millionen heute genauso viele Beschäftigte wie zu besten Zeiten von Kohle und Stahl.

2,3 Millionen Arbeiter im Ruhrgebiet. Das wäre erst mal sehr schön – wenn es so wäre. Das hört sich ganz so an, als würde Hannelore Kraft von Menschen reden, die in sozialversicherungspflichtigen Jobs stehen. Dann dürften in Gelsenkirchen eigentlich kaum noch Menschen arbeitslos sein.

Wir haben deswegen nachgefragt, wie Hannelore Kraft auf die Zahl kommt.

Für Hannelore Kraft hat die Staatskanzlei geantwortet:

Sie können hierzu gerne die gleichen öffentlichen Wissensquellen wie die Ministerpräsidentin nutzen, z.B.: Bei IT.NRW zu finden in den „Kreisstandardzahlen 2015 – Statistische Angaben für kreisfreie Städte und Kreise des Landes Nordrhein-Westfalen“ oder beim Regionalverband Ruhr (RVR), der die Jahresdurchschnittsberechnungen des Arbeitskreises Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder heranzieht.“

Interessanterweise reden aber sowohl IT.NRW als auch RVR nur von 1,6 Millionen Beschäftigten im Ruhrgebiet. Hannelore Kraft kann nur auf die Zahl von 2,3 Millionen kommen, wenn sie alle nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigten Menschen zu den Beschäftigten hinzuzählt. Dann kommt sie auf die Zahl der Erwerbstätigen, die im Mikrozensus des Jahres 2014 auf die Zahl von 2,3 Millionen Menschen geschätzt wurden. Zu den Erwerbstätigen zählen alle Personen, die arbeiten. Auch wenn sie nicht sozialversichert sind. Selbstständige etwa oder Jugendliche, die mindestens eine Stunde in der Woche im Laden ihrer Eltern aushelfen und dafür kein Gehalt kriegen – und so weiter und so fort. Wenn Hannelore Kraft aber die Erwerbstätigen meint, kann sie nicht von Beschäftigten reden.

Ein klassischer Fehler also (wenn Kraft die Begriffe durcheinander geworfen hat) – oder der Versuch, einen falschen Eindruck zu erwecken, weil jeder bei den Worten Beschäftigte und der besten Zeit von Kohle und Stahl sofort das Bild der klassischen Arbeit und der erfolgreichen Arbeiterpartei vor Augen hat. Nicht umsonst verweist der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinen Stellungnahmen ebenfalls darauf, das die Zahl der Beschäftigten für die Beschreibung der Lage am Arbeitsmarkt wichtig ist.

Wir haben deswegen für diese Aussage an Hannelore Kraft drei von fünf Pinocchios verliehen.

Die Differenz zwischen der von Hannelore Kraft genannten und der tatsächlichen Beschäftigtenzahl beschäftigt nun auch den Landtag NRW. Die CDU-Fraktion hat eine kleine Anfrage gestartet.

Der Abgeordnete Josef Hovenjürgen will wissen, wie die Ministerpräsidentin den Unterschied zwischen den Beschäftigtenzahlen und der Zahl der Erwerbstätigen erklärt, welche Statistiken sie für ihre Aussage heranzieht und warum sie sich nicht auf Zahlen der Arbeitsagentur verlässt.

Die Landesregierung hat nun vier Wochen Zeit, eine plausible Antwort für die fehlerhafte Behauptung zu finden.