Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.


haben Sie es auch gehört? Eher leise, aber doch vernehmbar und irgendwo von rechts? Ja, genau: In der CDU hämmern einige derzeit mal wieder an der Brandmauer zur AfD herum. Die Schläge sind zwar zaghaft. Aber im politischen Berlin (und nicht nur dort!) verursachen sie ziemlichen Lärm. Das ist verständlich. Denn Peter Tauber – in der Ära Merkel Generalsekretär der CDU und eigentlich ein Vertreter des liberalen Flhier daügels der Christdemokraten – forderte, dass seine Partei „nicht jedes Thema in Abhängigkeit von der AfD debattieren“ dürfe und gegebenenfalls auch Beschlüsse fassen sollte, „denen die AfD zustimmt“. 

Tauber verfolgt damit sicherlich nicht das Ziel, den Rechtsextremisten den Weg ins Kanzleramt zu ebnen. Doch ein Bauwerk, das womöglich ohnehin auf einem bröckeligen Fundament steht, gerät schnell ins Wanken – vielleicht sogar schon dann, wenn man mit vermeintlich chirurgischen Eingriffen eigentlich nur ein kleines Löchlein hineinschlagen will. Besteht also die Gefahr, dass sich die Unionsparteien zum Steigbügelhalter der AfD machen? Und dass eine einstürzende Brandmauer nicht nur die CDU, sondern auch die gesamte Demokratie beerdigt? Mehr dazu im Thema des Tages.      

Vorher ein kurzer Blick in den Rückspiegel: In unserem gestrigen SPOTLIGHT hatten wir über die Pläne von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) für eine Gesetzesänderung zur Einführung der biometrischen Datenanalyse bei den Ermittlungsbehörden berichtet. Wir haben viele Zuschriften von Ihnen erhalten. Viele warnen vor Machtfragen: Wer programmiert die Software, mit der die Polizei nach einer Gesetzesänderung Fotos von uns mit Bildern aus dem Internet abgleichen dürfte? Wer sammelt die Daten und wer wertet sie aus? Viele von ihnen sorgen sich auch um eine politische Instrumentalisierung von rechts.

Andere sehen die Chancen. Und als hätte es eines Beweises bedurft, dass eine software-gestützte Auswertung von Bildmaterial  etwas bringen kann, erreichte uns heute Morgen die Meldung, dass die Polizei im Frankfurter Bahnhofsviertel mit Hilfe von KI einen vermissten Teenager gefunden hat. Der hessische Landtag hatte für die KI-Auswertung von Bildmaterial zuvor eine Gesetzesänderung beschlossen. Ist Datenschutz also Täterschutz? Oder sollten wir uns vor dem Zugriff des Staates auf biometrische Daten und Fotos im Internet schützen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung an samira.joy.frauwallner@correctiv.org – wir gehen Ihren Hinweisen nach und greifen das Thema nächste Woche weiter auf.

Thema des Tages: Bröckelt die Brandmauer?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Leserfrage der Woche: Wie geht es weiter mit den Menschen, die im Januar letzten Jahres in einem Club in Greding „Deutschland den Deutschen“ skandiert hatten?

Faktencheck: Extra Feiertage für Muslime in Schleswig-Holstein? Behauptung fehlt Kontext

Gute Sache(n): Änderung der Geschäftsordnung im Bundestag – „gegen Hass und Hetze“ • Aus Schiffscontainern und alten Gefängnissen wird bezahlbarer Wohnraum • Die Taz sagt Adieu zu Print

CORRECTIV-Werkbank: Unsere Faktenchecks zum Thema Bürgergeld

Grafik des Tages: Logo der AfD-Jugend: Spiel mit der NS-Ästhetik?

Hilft eine „Stigmatisierung“ nur der AfD?
Der Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der Historiker und frühere Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder und der einstige CSU-Hoffnungsträger und frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg empfehlen nun eine andere Strategie. Und rütteln am Grundsatzbeschluss der Union, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten – also an der sogenannten Brandmauer.

Andreas Roedder (links) und Friedrich Merz. Foto: Picture Alliance / IPON | Stefan Boness

Die „Stigmatisierung“ helfe der AfD nur, sagte Tauber. Die CDU müsse „über eine neue Politik der roten Linien nachdenken, die es dann aber auch erlaubt, Beschlüsse zu fassen, denen die AfD zustimmt“. Rödder, der die Brandmauer bereits zuvor in Zweifel gezogen hatte, empfahl eine „konditionierte Gesprächsbereitschaft diesseits der Brandmauer“. Guttenberg sagte: „Entzauberung gelingt nicht durch Boykott“.

Starker Tobak. Denn die AfD – haben das einige in der Union vergessen? – ist eine Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde und durch menschenverachtende Äußerungen ihrer Funktionäre immer wieder zeigt, wie gerechtfertigt diese Einstufung ist. Wie wenig die AfD von der Demokratie hält, berichten auch wir bei CORRECTIV immer wieder.

Und was sagen andere in der CDU?
Vor allem in den ostdeutschen Landesverbänden treffen die Äußerungen Taubers, Rödders und Guttenbergs bei einigen CDUlern dennoch auf Zustimmung. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Andreas Bühl, sagte, dass es bei „für richtig befundenen“ Gesetzen keinen Grund zur Revision gebe. Und zwar auch dann nicht, wenn sie „auch Zustimmung von den politischen Rändern“ fänden. Der sächsische Fraktionschef der CDU, Christian Hartmann, sagte, seine Partei solle „jenseits von allen Brandmauerdebatten ihre eigene Position finden und dann auch konsequent umsetzen“.

Betrachtet man das gesamte Spektrum der Partei, vertreten Tauber und Co. aber vermutlich eine Mindermeinung. Daniel Günther, Aushängeschild des liberalen CDU-Flügels und Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, sagte: „Wer CDU und AfD in einem Atemzug nennt, hat nicht verstanden, was bürgerlich heißt.“ CSU-Generalsekretär Martin Huber schloss jegliche Kooperation aus. Eine Zusammenarbeit mit der AfD würde Deutschland schaden und die Union zerstören.

CDU-Abgeordnete empfahl „schrittweise Integration der AfD“
Die Angst, die Brandmauer-Diskussion könnte die Partei spalten, ist in der CDU deutlich zu spüren. Denn die Debatte flammt immer wieder auf. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig empfahl im August in Ungarn bei einer Diskussion einer Orban-nahen Denkfabrik eine „schrittweise Integration der AfD auf regionaler Ebene mit flexiblen Mehrheiten bei einzelnen Themen“. Eine Koalition könne sie sich „im Moment nicht vorstellen“. Dafür brauche es Zeit, um zu „desensibilisieren“.

Saskia Ludwig (CDU) empfahl „schrittweise Integration der AfD“. Foto: Picture Alliance / SZ Photo | Mike Schmidt

Streben auch Unionisten wie Peter Tauber Koalitionen mit der AfD an? Ganz so einfach ist es wohl nicht. Die unappetitliche und gefährliche Konkurrenz von Rechtsaußen hat die Unionsparteien vielmehr in eine schwierige Situation gebracht. Andreas Rödder, ein ausgewiesener Vertreter des konservativen CDU-Flügels und Leiter der Denkfabrik R21, sieht seine Partei gar in einem „regelrechten politischen Teufelskreis“.

Aufgrund des Unvereinbarkeitsbeschlusses mit der AfD und des schwindenden Stimmenanteils der CDU sei seine Partei gezwungen, in Koalitionen Zugeständnisse an „linke“ Parteien zu machen. Dadurch verliere sie (konservative) Stammwähler – und zwar an die AfD. Für die CDU werde das existenziell, „aber auch für das gesamte politische System“. 

Durch eine Zusammenarbeit mit der AfD – und das erwähnt Rödder nicht – ergibt sich aber natürlich ebenfalls eine Gefahr. Und diese Gefahr ist womöglich deutlich größer: Denn durch Kooperationen (und womöglich sogar Koalitionen) würde die Volkspartei CDU die Normalisierung der AfD befördern. Vielleicht sollten die Unions-Strategen diesbezüglich einen Blick in europäische Nachbarländer werfen, wo Rechtsradikale und Rechtspopulisten nach gescheiterten Entzauberungsversuchen an die Macht gekommen sind.

Und wie geht es weiter?
Meine Kollegin Annika Joeres hat sich immer wieder mit der AfD und der Debatte über den richtigen Umgang mit den Rechtsextremisten befasst. Im Gespräch mit Radio Corax prognostizierte sie, der Streit in der Union zwischen Befürwortern und Gegnern der Brandmauer werde sich zuspitzen.

Entscheidend könnte sein, wie sich die Parteiführung positioniert. Zuletzt war wenig zu hören. Friedrich Merz, der ja nicht nur Bundeskanzler, sondern auch CDU-Chef ist, und sein Generalsekretär Carsten Linnemann hüllten sich in Schweigen. Auch eine Anfrage von CORRECTIV an die Bundesgeschäftsstelle der CDU blieb unbeantwortet. Ob Merz und Linnemann sich doch bald äußern? Gelegenheit gäbe es am Sonntag. Dann trifft sich das Präsidium der CDU im Adenauer-Haus zu einer Klausurtagung.

Flagge mit Hakenkreuz im Kapitol-Büro eines republikanischen Abgeordneten entdeckt
Das US-Magazin Politico hat ein Foto aus dem Inneren des Kapitol-Büros des Republikaners Dave Taylor veröffentlicht. Auf dem Foto ist eine „Stars and Stripes“ Flagge zu sehen, auf der die roten Linien ein Hakenkreuz bilden. Taylor spricht von Vandalismus und schaltet die Kapitol-Polizei ein. 
spiegel.de/politico.com

Lokal: Protestaktion in Hannover nach fremdenfeindlicher Aussage von Friedrich Merz
Nach der Aussage des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz, dass es ein Problem mit dem „Stadtbild“ gebe, fand in Hannover eine spontane Protestaktion statt. An der Aktion nahmen 170 Menschen teil. Die Botschaft: „Wir sind das Stadtbild“. 
haz.de(€)/sueddeutsche.de

CORRECTIV: „Jede Minute wird in Europa ein Gebäude zerstört“
Die EU will Millionen alter Gebäude sanieren lassen. Doch häufig passiert das Gegenteil. Bestehender Wohnraum wird abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Wie viel genau abgerissen wird, ist aktuell ein blinder Fleck – CORRECTIV will die Datenlücken schließen. 
correctiv.org

Symbolbild Leserfrage der Woche

Im Januar letzten Jahres soll eine Gruppe in einer Diskothek in Greding rechtsextreme Parolen zu einem Lied gegrölt haben. Die Situation soll kurz nach dem AfD-Parteitag im Mittelfränkischen Greding gewesen sein. Auf einem Video, das in der Disco aufgenommen wurde, sind zwei AfD-Politiker namens Benjamin Nolte und Franz Schmid zu erkennen, die ebenfalls mit zu den ausländerfeindlichen Parolen tanzten und sangen. Benjamin Nolte sagte damals auf Anfrage des BR24 nichts zu den Gesängen oder Personen auf dem Video. Kurz nach dem Vorfall nahm der Staatsschutz. 

Betende Hände an einem Tisch mit Essen
(Foto: Benis Arapovic / Zoonar / Picture Alliance)

So geht’s auch
Der Wohnraum für Studierende ist in ganz Europa knapp bemessen und wird immer teurer. Fünf Projekte aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen, wie der Wohnraum bezahlbar gemacht werden kann: In Frankreich, Schweden und Dänemark werden alte, leerstehende Gebäude zu Wohnheimen umfunktioniert. So wird aus einer alten Kirche oder einem früheren Gefängnis eine neue und leistbare Studentenunterkunft.
zeit.de

Fundstück
Das letzte Mal erschien heute die gedruckte Ausgabe der taz-Zeitung. Seit 1978 war das Medium als Druckausgabe erhältlich. Nun macht sie den Anfang und geht als erste überregionale Tageszeitung in eine E-Paper-Version über. 
kress.de / tagesschau.de



Es sei zu teuer, biete keinen Anreiz zum Arbeiten oder verleite zu Sozialbetrug – wir beide beobachten solche Behauptungen rund um das Bürgergeld seit dessen Einführung Anfang 2023. Die Bundesregierung will Sanktionen beim Bürgergeld verschärfen und es in „neue Grundsicherung“ umbenennen.

Die politische Rhetorik der letzten Wochen erinnert uns an die frühen 2000er Jahre: Das Klischee des „faulen Leistungsempfängers“ ist ebenso zurück wie der Vorwurf eines ausufernden Sozialstaats. SPD-Finanzminister Lars Klingbeil lobte jüngst die „mutigen Reformen“ von Altkanzler Gerhard Schröder und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach bereits von einer „Agenda 2030“. 

Aus unserer Sicht dringend Zeit für einen Überblick: Wir haben die größten Narrative rund um das Bürgergeld in einem Faktencheck unter die Lupe genommen. In einem weiteren Artikel befassen wir uns mit der Frage, warum sich Mythen und Vorurteile über Sozialleistungen und jene, die sie in Anspruch nehmen, über die letzten Jahrzehnte so hartnäckig gehalten haben – und welche Rolle die Politik dabei spielt.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Leonie Georg, Sebastian Haupt, Jule Scharun