
Liebe Leserinnen und Leser,
im Thema des Tages geht es heute um einen Vorgang aus der Hauptstadt – der allerdings sinnbildlich für das ganze Land steht: Auf der einen Seite werden öffentliche Gelder für Kitas, Spielplätze und Kultur gekürzt. Auf der anderen Seite ist Geld für riesige Sportevents da. In Berlin aktuell für ein Football-Spiel.
Gestern habe ich Sie an dieser Stelle gefragt, ob Sie zuletzt für eine Partei gespendet haben, an welche und warum? Viele von Ihnen haben mir geantwortet, vielen Dank dafür! Das Ergebnis ist eindeutig: Fast alle, die geschrieben haben und an eine Partei gespendet haben, geben an, das Geld sei an die Grünen geflossen. Ein Einziger spendete an die SPD. Und dann gibt es eine Handvoll, die schreiben, einer Partei würden sie kein Geld geben, dann doch lieber gemeinwohlorientierten Einrichtungen (zum Beispiel CORRECTIV :-)) – auch hierfür vielen Dank.
Außerdem im SPOTLIGHT: In unserer Rubrik „Gute Sachen“ zeigen wir jeden Tag, wo sich gesellschaftlich etwas zum Positiven bewegt. Heute geht es darum, dass Rentner bald mehr in der Tasche haben. Und in einem neuen „Denkanstoß“ ordnet Migrationsexperte Carsten Wolf ein: Wie wahrscheinlich ist es, dass viele Schutzsuchende aus Syrien jetzt in ihr Heimatland zurückkehren?
Was bewegt Sie? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Dafür hamse Geld
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Denkanstoß: Würden Sie zurückgehen? Über das aktuelle Wahlkampf-Geplänkel zu Syrien
Diese Resolution der Vereinten Nationen (UN) ist ein Paukenschlag für die Weltpolitik. Sie überragt in ihrer Bedeutung alles, was sich – trotz Bundestagswahl – gerade bei uns in Deutschland innenpolitisch tut. Deshalb hier das Wichtigste dazu:
Was ist der UN-Sicherheitsrat?
Das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen. Darin sitzen 15 Mitglieder: zum einen ständige Mitglieder (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – Deutschland ist nicht dabei, weil der Rat relativ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde), zum anderen zehn gewählte Mitglieder, die alle zwei Jahre wechseln.

Der Sicherheitsrat trägt laut UN-Charta (also dem Grundgesetz der Vereinten Nationen) die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens. Genauer erklärt das die Bundeszentrale für politische Bildung; und hier geht es zur Internetseite des Sicherheitsrates selbst, wo dessen Aufgaben und aktuellen Betätigungsfelder näher erklärt werden.
Was hat er jetzt konkret gemacht?
Er hat bei einer Sitzung in New York, im UN-Hauptquartier, einen gemeinsamen Beschluss gefasst („Resolution“). Darin geht es um Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. In der Resolution (hier im Original nachzulesen; und hier geht es zur offiziellen Mitteilung und Zusammenfassung der UN) heißt es:
Der Krieg müsse rasch zum Ende kommen.
Was in der Resolution dagegen nicht steht: dass Russland der Aggressor ist, der diesen Krieg führt. Es wird weder ein Rückzug Moskaus aus der Ukraine gefordert, noch steht in der Resolution ein Bekenntnis dazu, dass das Territorium der Ukraine unangetastet bleiben müsse.
Zehn Mitglieder stimmten dafür, fünf enthielten sich. Es war der erste gemeinsame Beschluss des Rats zum Krieg, seit Russland vor drei Jahren in die Ukraine einmarschierte.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Die USA hatten diese Resolution in den UN-Sicherheitsrat eingebracht. Und das, nachdem der neue US-Präsident Donald Trump sich vergangene Woche schon deutlich von der Ukraine ab- und Russlands Machthaber Putin zugewandt hatte.
Was bedeutet sie?
Trump und seine Regierung haben sich damit gewissermaßen das „Go“ vom wichtigsten weltpolitischen Gremium geholt, seine Ukraine-Politik weiter betreiben zu können. Das heißt mit anderen Worten: Er wird mit Moskau weiter über die Zukunft der Ukraine verhandeln – über deren Kopf hinweg.
Was heißt das für uns?
Die europäischen Vertreter im Sicherheitsrat (Frankreich und Großbritannien sowie die nicht-ständigen Mitglieder Slowenien, Dänemark und Griechenland) enthielten sich komplett. Man kann also sagen: Keiner von ihnen traute sich, Trump Kontra zu geben.
Das lässt die EU – die doch eigentlich gerade ihre militärische Unabhängigkeit von den USA unter Beweis stellen will – leider gar nicht eigenständig erscheinen.
Scholz beantragt Vertrauensfrage
Der erste richtige Schritt zu den Neuwahlen ist gemacht: Olaf Scholz hat offiziell die Vertrauensfrage beantragt.
zeit.de
Zur Lage in Syrien
In Syrien überschlagen sich die Ereignisse. So setzten Islamisten etwa die Grabstätte von al-Assads Vater in Brand. Spiegel-Journalisten sind vor Ort und berichten im Liveblog.
spiegel.de
Brandenburg: Woidke wiedergewählt
In Brandenburg ist der SPD-Politiker Dietmar Woidke im zweiten Wahldurchgang wiedergewählt worden.
mdr.de
Echtzeit-Gesichtserkennung soll kommen
Bilder hessischer Überwachungskameras sollen künftig automatisch live nach bestimmten Personen durchsucht werden. Die Bundes-CDU fordert ähnliches.
netzpolitik.org
Stellen Sie sich selbst die Frage: Würden Sie gehen? In ein Land, das gerade aus dem Albtraum von zehn Jahren Bürgerkrieg erwacht ist. In dem mehr als 500.000 Menschen getötet wurden, darunter Freunde und Verwandte. In dem Städte und Dörfer in Schutt und Asche liegen. Und mit einer völlig unberechenbaren Rebellenregierung.
Die Antwort ist natürlich: Nein. Deshalb ist es eher Wahlkampf-Geschepper, was gerade in Deutschland diskutiert wird.
Die Situation in Syrien ist kompliziert und wird es bleiben. „Die Vorstellung, dass Millionen Syrer zurückgehen, ist reine Fantasie“, sagt der türkische Migrationsforscher Murat Erdogan im Tagesspiegel.
Und das zeigt auch eine Mini-Umfrage unter Bekannten. Nur ihr Mann denke noch an Rückkehr, erzählt mir eine syrische Mutter, deren Töchter hier gerade Abitur machen. „Wir warten mindestens noch zwei Jahre, bevor wir vielleicht zurückgehen“, erzählt mir eine andere. Die Tochter wolle gar nicht mehr zurück.
Und rechtlich ist das abgesichert. Eine Million Syrerinnen und Syrer leben in Deutschland. Davon haben etwa zwei Drittel eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Theoretisch könnte diese enden, wenn sich die Situation in Syrien grundlegend ändert. Aber: Für einen Widerruf gelte ein strengerer Beweismaßstab als im anfänglichen Asylverfahren, sagt Migrationsexperte Constantin Hruschka in der SZ. „Der Staat muss beweisen, dass für den Betroffenen kein Risiko mehr herrscht.“
Und auch dann wird den Betroffenen vermutlich eine Alternative angeboten, zum Beispiel eine Beschäftigungserlaubnis zu Erwerbszwecken, sagt Arbeitsmarktexperte Wido Geis-Thöne der Tagesschau. Schon heute arbeiten rund 300.000 Syrer in Deutschland, davon 80 Prozent in sozialversicherungspflichtigen Jobs. Viele von ihnen bekämen vermutlich dieses Angebot.
Das Ganze wäre für Deutschland nicht ohne Eigennutz. Auch wenn der Arbeitsmarkt ohne Syrer nicht in eine Krise stürzen würde. In einigen Bereichen sind sie relevant: Zum Beispiel arbeiten knapp 6.000 syrische Ärztinnen und Ärzte hier. Sollten viele von ihnen zurückgehen, würde das besonders Krankenhäuser in kleineren Städten, zum Beispiel in Thüringen, vor große Probleme stellen.
Aber, wie gesagt, das ist nicht zu befürchten. Die meisten Syrerinnen und Syrer werden bleiben. Das zeigen auch frühere Fluchtbewegungen. Das Einzige, was auf jeden Fall zurückkehrt, wird die verquere Debatte darüber sein.
Unser Gast-Autor ist außerdem Redakteur beim Mediendienst Integration.

Nach dem Sturz der Regierung in Syrien berichten russische Staatsmedien, dass der ehemalige Machthaber Baschar al-Assad und seine Familie sich nun in Moskau aufhalten. Ein Bild, das Assad und dessen Frau in Russland zeigen soll, ist jedoch alt und entstand in Syrien.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Waffenruhe, Feuerpause, Waffenstillstand – über diese Begriffe sind Sie bestimmt auch in den letzten Wochen gestolpert. Aber was bedeutet eigentlich was? Das erklärt unsere Jugendredaktion Salon5 in diesem Instagram-Feedpost:
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
Gute Nachrichten zum deutschen Rentensystem gibt es nicht so oft, daher sollten wir diese hier am besten mehrfach lesen, damit sie eine Weile nachklingt: Die Netto-Rente wächst im kommenden Jahr. Möglich wird das durch das kürzlich verabschiedete Jahressteuergesetz.
merkur.de
Fundstück
Wo sind die berühmtesten Menschen der Welt geboren? Auf dieser interaktiven Karte werden Sie fündig:
tjukanovt.github.io
Deutschland muss die Energiewende vorantreiben, doch wie schwierig die Umsetzung ist, wie stark die Macht der Energiewirtschaft und wie wenig kommunale Politik im Einzelnen ausrichten kann, zeigt ein aktueller Fall aus Baden-Württemberg.
Seit 2018 gibt es dort Streit um ein Stromnetz. Damals schrieben zehn Gemeinden die Konzessionen für das Netz neu aus und vergaben es im Anschluss an die Badenova. Doch der bisherige Betreiber, die Naturenergie, weigerte sich, die Netze herauszugeben – bis heute. Trotz zweier Gerichtsurteile, die die Übergabe bestätigen. Das Pikante daran: Die Naturenergie ist eine Tochter der ENBW, an der auch das Land Baden-Württemberg beteiligt ist.
„Wir sind nach eingehender Prüfung zu dem Entschluss gekommen, dass wir diesen Forderungen nicht nachkommen werden“, heißt es in einer E-Mail der Naturenergie an die betroffenen Gemeinden. „Das hier politisch Entscheidungen und Gerichtsentscheidungen nicht akzeptiert werden, das ärgert mich schon massiv“, sagt Andreas Schneucker, Bürgermeister von Binzen, eine der betroffenen Gemeinden, gegenüber CORRECTIV. Fraglich sei auch, inwieweit der Rechtsstreit die Energiewende in der Region ausbremse, so Schneucker.
„Wir brauchen immer mehr Strom für Wärmepumpen und PV-Anlagen. Dafür müssen die Netze ausgebaut werden.“ Angesichts der aktuellen Lage sei es fraglich, ob Naturenergie diese Investitionen noch tätigen werden. In der E-Mail von Naturenergie an die Gemeinden heißt es dazu: „Im Übrigen versichern wir Ihnen, dass wir das Stromnetz in Ihrer Gemeinde selbstverständlich weiterhin sicher und zuverlässig betreiben und zukunftsfähig machen werden.“ Bürgermeister Schneuker hofft auf eine schnelle Lösung.
Haben Sie Hinweise rund um diesen Fall oder zur Energiewirtschaft generell? Dann melden Sie sich gern unter hinweise@correctiv.org
Kürzlich veröffentlichten wir eine Recherche darüber, wie Trumps politische Pläne nach Deutschland schwappen: Hier zum nachlesen.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Alicia Resche
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