
Liebe Leserinnen und Leser,
wir Deutschen saufen und rauchen zu viel. Ein neuer Bericht zeigt das Ausmaß – und warum die Sucht nach Alltagsdrogen auch ein Problem für die Wirtschaft ist. Mehr dazu steht im Thema des Tages.
Wir haben heute zwei Nachrichten veröffentlicht. Eine dreht sich um einen Missbrauchsfall in der katholischen Kirche, die derzeit die Justiz beschäftigt. Die andere um den Fußball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg – der zeigt, dass es durchaus möglich ist, sich als Verein für organisierten Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen einzusetzen.
Außerdem im SPOTLIGHT: In der „Leserfrage der Woche“ beantworten wir, warum man beim Arzt so häufig persönlich erscheinen und seine Krankenkassenkarte zeigen muss. Und für die „Werkbank“ hat Leserreporterin Jule Scharun ausgewertet, wo Ihnen Altersdiskriminierung begegnet ist.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Morgen schreibt Ihnen mein Kollege Justus von Daniels. Und zwar zur Frage, welche übergeordnete Bedeutung es hat, dass Donald Trump bei der Beerdigung von Papst Franziskus unter den Gästen sitzen darf. Schreiben Sie mir wie immer gern, was Sie bewegt: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Der wahre Preis von Saufen und Rauchen
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Altersdiskriminierung als stiller Begleiter im Leben vieler
Grafik des Tages: Trumps unfassbarer „Friedensplan“: Worauf die Ukraine verzichten soll
Alkohol trinken und rauchen, für Milliarden Menschen weltweit und Millionen in Deutschland ist das ganz einfach Lifestyle, Mittel zur Entspannung, Belohnung nach einem anstrengenden Tag. Aber wann wird es zu viel mit dem Konsum dieser Alltagsdrogen?
Damit beschäftigt sich ein aktueller Bericht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.
Die wichtigste Erkenntnis:
Mehrere Millionen Menschen im Land sind demnach suchtkrank. Und Tausende sterben jedes Jahr an den Folgen – auch der Sucht nach Alltagsdrogen.

Konkret:
An den Folgen des Rauchens sterben pro Jahr fast 100.000 Menschen. Und knapp 50.000 an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums.
Das Problem ist dem Bericht zufolge aber noch viel breiter: Jeder Fünfte trinkt demnach Alkohol in einem „riskanten bis suchtkranken Ausmaß“. Und neun Prozent der Bevölkerung, also etwa jeder Zehnte, ist demnach handfest alkoholabhängig. Das heißt, dass viele von Ihnen, die dies hier lesen, selbst betroffen sind – oder Menschen im Umfeld haben, die abhängig sind.
Unsere Jugendredaktion Salon5 interviewt in diesem Podcast eine trockene Alkoholikerin, die in ihrer Jugend süchtig wurde.
Die Folgen:
Abgesehen davon, dass zu viel Alkohol Beziehungen zerstört: Chronisches Trinken ist teuer – für die Krankenkassen und damit für uns als Allgemeinheit. Denn neben dem wohl bekanntesten gesundheitlichen Risiko, der Leberzirrhose, sind unter Trinkern Herzkrankheiten und bestimmte Krebsarten deutlich verbreiteter.
Die Forscher sprechen von 57 Milliarden Euro an Folgekosten – jedes Jahr. Das entspricht in etwa der Summe der Verteidigungsausgaben im Haushalt 2024 (ohne Sondervermögen).
Die Höhe hängt auch damit zusammen, dass chronisch kranke Trinker unter Umständen nicht mehr arbeiten können und auf die Versorgung der Solidargemeinschaft angewiesen sind.
Die Rolle der Alkohol-Lobby:
Es ist schon ein paar Jahre her, dass wir von CORRECTIV dazu recherchiert haben – aber die Ergebnisse sind immer noch lesenswert: Wir haben damals gezeigt, was die Alkohol-Lobby so alles tut, um schärfere Regeln für den Verkauf von Alkohol zu verhindern.
Zum Beispiel war zumindest damals der Deutsche Brauer-Bund eng mit dem Bundeswirtschaftsministerium verdrahtet – und verhinderte dank seiner Lobbyarbeit höhere Steuern auf Alkohol.
UN-Hilfswerk warnt vor humanitärem Notstand im Gazastreifen
Aufgrund der Blockade im Gazastreifen kann das Hilfswerk kaum noch Lebensmittel in dem abgeriegelten Gebiet verteilen. Vor allem die Mehlreserven seien vollständig aufgebraucht. Derzeit stünden 3.000 Lastwagen bereit, um mehr Lebensmittel in den Küstenstreifen zu bringen. Das israelische Militär verweigert seit März den Güterverkehr.
deutschlandfunk.de
Auftritt von russischem Botschafter in Torgau trifft auf Kritik
Zum 80. Jahrestag des Aufeinandertreffens US-amerikanischer und sowjetischer Soldaten fand im sächsischen Torgau eine Gedenkveranstaltung statt. Der russische Botschafter Sergej Netschajew nahm ebenfalls an dem Gedenken teil. Zuvor hatte der ukrainische Botschafter versucht, dessen Teilnahme zu unterbinden.
zeit.de
Lokal: Bistum Essen muss im Missbrauchsfall Schadenersatz zahlen
Das Landgericht Essen bestätigte den Missbrauch an dem Kläger Wilfried Fesselmann und verpflichtete das Bistum für den daraus entstandenen Schaden zu bezahlen. Die Forderung nach mehr Schmerzensgeld wurde zurückgewiesen.
correctiv.org
CORRECTIV berichtet bereits länger über diesen Fall und andere Aspekte klerikalen Missbrauchs. Mehr dazu finden Sie hier:
correctiv.org
Schutz von Kindern: 1. FC Nürnberg möchte als erster Bundesligaverein den Safe-Sport-Code in die Vereinssatzung aufnehmen
Der 1. FC Nürnberg könnte zum Vorreiter für stärkere Maßnahmen gegen Gewalt im Fußball werden. Der Club plant den Safe-Sport-Code einzuführen, der Vergehen unterhalb der Strafrechtsschwelle ahndet. Auch der DFB arbeitet an einer Umsetzung.
correctiv.org
Hinweis: CORRECTIV recherchiert derzeit zu Gewalt und Übergriffen im Jugendfußball. Sie können uns bei der Mitmach-Recherche unterstützen, indem Sie den Link über Ihre Accounts teilen.


Leserfrage der Woche

Leserin Sylke O. hat uns gefragt:
„Warum muss ich als chronisch kranke Person jedes Quartal aufs Neue in die Arztpraxis, um meine Gesundheitskarte einlesen zu lassen – zum Beispiel, wenn ich ein neues Rezept brauche oder die telefonische Beratung mit meinem Arzt abgerechnet werden muss?“
Wir haben diese Frage dem Bundesgesundheitsministerium gestellt. Denn dort hat man sich, wie in der Regierung insgesamt, ja eigentlich schon seit Jahren auf die Fahnen geschrieben, für Entbürokratisierung zu sorgen.
Die Antwort: Ganz so bürokratisch, wie Sylke O. schildert, sei es gar nicht – zumindest nicht generell: Um ein Rezept auszustellen, schreibt das Ministerium, sei es nicht unbedingt erforderlich, jedes Mal wieder aufs Neue in die Arztpraxis zu kommen und die Krankenkassenkarte vorzuzeigen.
Chronisch Kranke, die eine Dauermedikation benötigen, können demnach von der Arztpraxis eine sogenannte Mehrfachverordnung bekommen. Das heißt: In der Apotheke wird diese Verordnung hinterlegt, schrittweise freigeschaltet und kann dann bis zu viermal innerhalb eines Jahres abgeholt werden.
Anders sieht es aber mit Teil 2 der Frage aus: Bei Telefonaten mit dem Arzt gehe es laut Bundesgesundheitsministerium nicht anders, als dass man als Patientin oder Patient trotzdem jedes Quartal einmal in die Arztpraxis gehen und seine Karte einlesen lassen muss. Sonst dürfe die Praxis die Behandlung nicht bei der Krankenkasse abrechnen – und würde also ohne Bezahlung arbeiten.

Faktencheck

Laut Beiträgen in Sozialen Netzen soll China hunderte Kohlekraftwerke bauen und gleichzeitig Entwicklungshilfe aus Deutschland bekommen. Doch das stimmt nur zum Teil.
correctiv.org
Endlich verständlich
Soziale Netzwerke wie TikTok führen zu einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne. Dessen kurze Videos wirken auf das Gehirn wie eine schnelle Belohnung – mit andauerndem Gewöhnungseffekt. Was man dennoch tun kann, um sich auf längere Aufgaben zu konzentrieren, erklärt unsere Jugendredaktion Salon5.
Salon5 (Instagram, kein Account nötig)
So geht’s auch
Grün statt Beton – Flächen zu entsiegeln ist eine wichtige Maßnahme, um Städte klimaresilient zu machen. Doch eine CORRECTIV-Recherche hat letztes Jahr gezeigt: In vielen Städten passiert hier nicht genug oder das Gegenteil. Hamburg hat nun eine Aktion ins Leben gerufen, bei der sich alle am Entsiegeln beteiligen können.
ndr.de / hamburg.de
Fundstück
Schon lange werden berühmten Personen Sätze in den Mund gelegt, die in Wahrheit nicht von ihnen stammen. Besonders beliebt: Angebliche Aussprüche von Albert Einstein oder Winston Churchill. Was die beiden (unter anderem) nie gesagt haben, verrät der Tagesanzeiger. Leider spielen Falschzitate auch in der politischen Auseinandersetzung eine große Rolle. Besonders die sozialen Netzwerke sind voll davon. Wie Sie ihnen auf die Schliche kommen, verrät unser CORRECTIV.Faktencheck-Team.
tagesanzeiger.ch / correctiv.org
Es ist eine versteckte Form von Diskriminierung: Ob im Beruf, an Universitäten oder in Familienkreisen, oftmals wird Altersdiskriminierung nicht erkannt. Dennoch löst es bei den Betroffenen ein Gefühl von Ausgrenzung aus.
Wir haben Sie, unsere SPOTLIGHT-Leserinnen und -Lesern, nach Ihren Erfahrungen gefragt. Über 600 Menschen haben uns ihre Geschichte erzählt, die meisten von Ihnen erfuhren Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt. Etwa, indem sie nicht mehr für kompetent gehalten werden. „Obwohl ich (…) mehr als 15 Jahre und insgesamt mehr als 30 Jahre Berufserfahrung habe, fragen junge Kollegen gezielt jüngere Kollegen“, schreibt uns ein Leser. Die Jobsuche scheint ebenfalls ab einem gewissen Alter unmöglich, das haben viele berichtet. Allerdings meint ein Leser: ,,Natürlich würde niemand zugeben, mich wegen meines Alters (61 Jahre) nicht einstellen zu wollen.“
Auch in der medizinischen Versorgung stoßen Ältere mitunter auf Unverständnis. Statt einer ausführlichen Untersuchung gibt es beim Hausarzt mitunter allzuschnelle Schlussfolgerungen: „Das sind Alterserscheinungen“, heißt es da. Das war falsch, die Ursachen lagen in einer zu behandelnden Krankheit. Kein Einzelfall, wie wir unserer Umfrage entnehmen können.
Fragen wie ,,Kann er das überhaupt noch?” haben negativen Einfluss: Viele fühlen sich nicht mehr gehört und verlieren so an gesellschaftlicher Teilhabe. „Als alte Frau im Beruf wurde ich praktisch unsichtbar, wurde für weniger modern und flexibel gehalten“, schreibt uns eine Leserin.
Für mich sind die Zuschriften eine wichtige Erinnerung: Beim Austausch zwischen Jung und Alt darf nicht vergessen werden, sich auf Augenhöhe zu begegnen.

Die USA will die Krim völkerrechtlich als russisch anerkennen und die Ukraine soll die russische Vorherrschaft in fast allen besetzten Gebieten akzeptieren. Das sind offenbar wesentliche Elemente des „Friedensplans“ von US-Präsident Donald Trump, die verschiedene Medien bislang berichtet haben. Wie das aussähe, zeigen wir in der Grafik des Tages. Um sich die territorialen Dimensionen vorzustellen, hilft ein Vergleich: Die Fläche der von Russland besetzten Gebiete ist in etwa so groß wie jene von Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen zusammengenommen.
Fachleute zeigen sich entsetzt. Warum dies kein realistischer Friedensplan, sondern eine fatale Annäherung an russische Prioritäten ist, erklärt Friedensforscher Jonas Driedger im Interview.
deutschlandfunk.de

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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