Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.


manchmal trifft uns ein Detail mitten ins Herz. Bei mir war es heute Morgen eine Zahl: 9.273. Mindestens so oft lieferten deutsche Firmen kurz vor dem Angriffskrieg Maschinen und Teile an Russland, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch militärisch genutzt werden können. Trotz Sanktionen gegen einen Teil dieser sogenannten Dual-Use-Güter. In den Lieferungen enthalten: hochpräzise Maschinen aus Baden-Württemberg, die dabei helfen können, Sprengköpfe für Putins Krieg einsatzbereit zu machen. Eben solche, die in russischen Drohnen im Krieg in der Ukraine eingesetzt werden – und tödlich sind.

Genau diese Spuren haben die CORRECTIV.Europe-Reporterinnen Lilith Grull und Frida Thurm gemeinsam mit dem freien Journalisten Dylan Carter offengelegt. Sie analysierten knapp eine Million russische Importdaten. Ihre heute veröffentlichte Recherche zeigt: Europa, darunter auch Deutschland, hat mit seinen Lieferungen zur russischen Aufrüstung beigetragen – deutlich stärker als bisher bekannt. Denn ein Großteil von Russlands Waffenproduktion wäre ohne importierte Maschinen schlicht nicht möglich. 

Thema des Tages: Deutsche Maschinen für Putins Krieg

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

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Gute Sache(n): Diskussion um Green Deal: Das bedeutet er für Europa • Zahlreiche kirchliche Institutionen stoppen fossile Investitionen • AfD verliert Rechte an Parteilogo

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Grafik des Tages: Gas-Füllstand in Deutschland unterdurchschnittlich

Die Zahlen der Analyse von CORRECTIV.Europe sind erschütternd: Zwischen 2019 und März 2022 gab es über 28.000 solcher Lieferungen aus Europa nach Russland. Über 9.000 davon kamen aus Deutschland. Weil die Maschinen in der Regel jahrelang laufen, dürften viele von ihnen noch immer für Putins Angriffskrieg produzieren.

Die Spur nach Deutschland 
Russland stellt unter anderem sogenannte Gerbera-Drohnen her – Waffen, die die ukrainische Luftabwehr überlasten. Manche tragen Sprengsätze, andere dienen der Täuschung. Es waren auch diese Drohnen, die im September bis nach Polen gelangt sind und die NATO alarmierten

Was diese Drohnen von einem herumfliegenden Stück Styropor unterscheidet, aus dem viele der Flugkörper oft bestehen, sind ihre Sprengköpfe: also die Teile, die sie zu einer scharfen Waffe machen.

Jetzt kommt‘s: Damit diese Sprengköpfe nicht auseinanderbrechen oder Fehler haben, werden sie mit speziellen Prüfgeräten kontrolliert. Unserer Redaktion liegt ein Vertrag vor, der belegt: Das russische Rüstungsunternehmen Npo Basalt kaufte ein Gerät, das genau das kann. Und zwar von einer Firma aus Deutschland: Dürr Ndt, mit Sitz in Baden-Württemberg. Brisant ist auch, dass dies geschehen konnte, obwohl Npo Basalt damals bereits seit zwei Jahren auf der EU-Sanktionsliste stand.

Collage: Ivo Mayr / CORRECTIV; Vorlage: Karte von FreeVectorMaps.com; Fotos: KI-generiert mit DALL·E & Magnific.ai

Warum funktionieren denn die Sanktionen nicht richtig?
Hier ein paar Gründe: 

  • Behörden sind überlastet. 
  • Die Einstufung von Dual-Use-Produkten ist kompliziert und interpretationsabhängig. 
  • Unternehmen erwirken sogenannte Null-Bescheide, um rechtliche Risiken abzufedern.
  • Russland weicht über Drittstaaten aus – allen voran über die Türkei, China und Zentralasien. 

Laut unserem Datensatz gelangten nach der Vollinvasion 2022 Dürr-Ndt-Produkte im Wert von über 1,7 Millionen US-Dollar nach Russland. 

Ein Netzwerk aus Firmen
Wie die neue Recherche zeigt (hier lesen), arbeitete Dürr Ndt bereits 2010 mit dem russischen Partner Newcom Ndt zusammen. CORRECTIV.Europe hat jetzt gemeinsam mit dem freien Journalisten Dylan Carter und der Plattform „Tools of War“ über 861.882 russische Importdaten aus den Jahren 2019 bis März 2022 ausgewertet. Das Ergebnis zeigt ein weit verzweigtes Netzwerk aus Firmen in der EU, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, Norwegen, der Ukraine, der Türkei und Island. 

Die meisten Lieferungen kommen aus Deutschland, Italien und Schweden.

Was wir daraus jetzt mitnehmen
Für Putins Kriegsführung braucht Russland Maschinen. In jedem technischen Bauteil stecken dabei aber mehr als Metall und Elektronik. Betroffen sind davon auch Menschenleben. 

Staatsminister Weimer wegen Vorwürfen zur Käuflichkeit unter Druck 
Dem Kulturstaatsminister Wolfram Weimer wird Käuflichkeit und Vorteilsnahme vorgeworfen. Eine Firma, von der Weimer finanziell profitiert, habe gegen Geld exklusiven Zugang zu Regierungsmitgliedern verschafft – darunter zu Weimers Kabinettskollegen. Ein langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter fordert nun Aufklärung von Weimer. 
t-online.de

Lokal: Beamtenbesoldung in Berlin seit Jahren verfassungswidrig 
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war die Beamtenbesoldung in Berlin über Jahre verfassungswidrig. Demnach könnten für den Staat nun hohe Nachzahlungen entstehen. 
bz-berlin.de / tagesschau.de 

Recherche: Wie Rechtsextreme junge Menschen rekrutieren 
Eine Recherche der Wochenzeitung Kontext zeigt, wie die „Nationalrevolutionäre Jugend“ im Südwesten Deutschlands junge Menschen mit Gewaltvideos und NS-Rhetorik rekrutiert. 
kontextwochenzeitung.de

Bild: Fotostand / Gelhot / Picture Alliance

So geht’s auch
46 kirchliche Institutionen in Deutschland stoppen ihre Investments in fossile Energien. Neben evangelischen Landeskirchen und Diakonien gehört dazu auch die katholische Pax-Bank. Das kirchliche Vermögen in Geschäfte mit Kohle, Öl und Gas anzulegen, sei nicht mit ihren Grundsätzen vereinbar. Das haben die „Christians for Future“ am Dienstag bekanntgegeben.
taz.de


Vergangene Woche trafen sich knapp 20 lokale Kolleginnen und Kollegen zu unserer zweiten CORRECTIV.Lokal Bildungswerkstatt – von jungen Neugründungen wie Rums aus Münster und dem Bloq Magazin aus Mannheim über Kolleginnen vom RBB, NDR und WDR bis hin zu klassischen Lokal- und Regionalmedien wie der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, der Zevener Zeitung, der Märkischen Allgemeinen Zeitung oder der Rheinischen Post.

Zwei Tage lang standen Austausch, wissenschaftlicher Input und gemeinsame Recherche im Mittelpunkt. Ziel: hochwertige Recherchen zu Bildungsthemen entwickeln, die direkt in die Redaktionen zurückfließen und vor Ort sichtbar machen, wo in Schulen und Kitas etwas gut läuft – und wo es hakt.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Maximilian Billhardt, Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.