
Liebe Leserinnen und Leser,
2024 war das wärmste je in Europa gemessene Jahr. Die aktuellen Daten des EU-Klimadienstes Copernicus zeigen, wie sehr Europa vom Klimawandel betroffen ist. Was hat die (wahrscheinlich) neue Regierung vor, um uns davor zu schützen? Was sich aus dem Koalitionsvertrag dazu lernen lässt, ist heute unser Thema des Tages.
Passend dazu finden Sie in der Rubrik „Gute Sachen“ einen Tipp, wie Sie die Falschinfos bei Klimawandelleugnern enttarnen. Auch im Spotlight: Warum ein Energieriese strategisch pleite gehen könnte – und wie sich Menschen dagegen wehren.
Sie haben Tipps oder Hinweise? Schreiben Sie mir gern an sebastian.haupt@correctiv.org.
Thema des Tages: Deutschland vertagt den Klimaschutz
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Video über angeblichen Minenkauf von Selenskyj ist ein Fake
CORRECTIV-Werkbank: Vorwürfe gegen den Kohlekonzern LEAG werden jetzt vor Gericht verhandelt
Grafik des Tages: Temperaturrekord auf fast allen Kontinenten
Der EU-Klimadienst Copernicus zeichnet ein alarmierendes Bild des vergangenen Jahres – Temperaturrekorde, Überschwemmungen und Dürren in Europa. Warum sich trotzdem wenig ändern dürfte:
Das steht im Bericht:
2024 war das heißeste jemals gemessene Jahr in Europa. Ohnehin trifft der Klimawandel uns und unsere Nachbarländer besonders stark: Kein Kontinent erwärmt sich schneller.
Während es im Osten Europas teils extrem trocken war, gab es im westlichen Teil starke Niederschläge und Überschwemmungen. (Wie die Erderwärmung Wetterextreme verstärkt, erklärt unsere Jugendredaktion Salon5 hier und hier. Einen Überblick über den Bericht selbst liefert Salon5 hier.)

Die Kernbotschaft ist:
Jedes Zehntelgrad verschärft die Folgen. Der Bericht zeigt, dass es beim Klimaschutz nicht (nur) um Eisbären oder versinkende Südseeinseln geht. Es geht um uns – unsere Wälder, Felder, Häuser und unsere Gesundheit.
Doch in der deutschen Politik spielt das Thema derzeit kaum eine Rolle. Im Bundestagswahlkampf suchte man es vergeblich. Und auch der Koalitionsvertrag enttäuscht, wie unsere CORRECTIV.Klima-Expertinnen analysiert haben:
Das steht im Koalitionsvertrag
Das Klimageld kommt nicht, obwohl beide Parteien das im Wahlkampf versprochen hatten. Zwar sollen Strompreise sinken und Investitionen in erneuerbare Energien gefördert werden, doch eine faire Verteilung der CO2-Einnahmen bleibt aus. Stattdessen setzen Union und SPD auf Maßnahmen wie eine höhere Pendlerpauschale, billigeren Agrardiesel und Strompreissenkungen – Schritte, die klimaschädliches Verhalten eher belohnen als bestrafen.
Das Gebäudeenergiegesetz („Heizgesetz“) wird abgeschwächt: „Technologieoffen, flexibler, einfacher“ lautet die Devise. Das Problem: Die Kommunen stecken gerade mitten in der Wärmeplanung. Industrie ebenso wie Bürgerinnen und Bürger bräuchten Planungssicherheit, damit sie langfristig investieren – bekommen aber nun Unsicherheit.
Mehr Gas
Schwarzrot will die nationale Gasförderung ausbauen. Das bedeutet neue Erdgasfelder in Bayern und der Nordsee. Das verstärkt die Abhängigkeit von fossilen Energien, denn dafür braucht es zusätzliche Infrastruktur. Unter anderem sollen weitere Gaskraftwerke hinzukommen (20 Gigawatt bis 2030).
Wasserstoff indes soll offenbar in allen Formen Förderung erhalten, selbst wenn er nicht nachhaltig erzeugt wird. Für die fossile Lobby ist das ein großer Erfolg, sie versucht seit Jahren, blauen Wasserstoff als klimafreundlich zu labeln, obwohl er mittels klimaschädlichem Erdgas hergestellt wird. Über diesen Kampf ums „Greenwashing“ hat CORRECTIV unter anderem hier berichtet.
Diese Sachen bleiben:
Das Deutschlandticket bleibt bestehen. Das von der CDU im Wahlkampf vehement bekämpfte EU-„Verbrennerverbot“ ist kein Thema mehr. Ein Tempolimit wird es nicht geben. Die Kernkraftwerke bleiben abgeschaltet, und das Kohle-Aus bleibt für 2038 angesetzt –nicht früher, wie es die Ampel wollte.
Insgesamt wirkt der Koalitionsvertrag aus Klimasicht aus der Zeit gefallen. Er setzt auf die Kraft des Marktes statt auf politisches Handeln. Daten wie die im aktuellen Copernicus-Bericht mahnen uns, dass das nicht reichen wird.
Verfassungsänderung: Nur noch zwei Geschlechter in Ungarn anerkannt
Mit einer deutlichen Mehrheit wurde die Verfassungsänderung in Ungarn gestern beschlossen. Vor den Eingängen des Parlaments versammelten sich zahlreiche Demonstranten, die versuchten, die Eingänge zu blockieren.
welt.de
US-Präsident Trump kürzt Milliarden für Eliteuniversität
Derzeit verlangt die US-Regierung von Hochschulen zahlreiche Änderungen im Lehrplan. Die Elite-Universität Harvard pocht jedoch auf ihre Unabhängigkeit und betont, dass es der Regierung nicht zusteht, in die Lehrinhalte einzugreifen. Dies kostet die Universität nun 2,2 Milliarden US-Dollar an Fördergeldern.
handelsblatt.com
Hannover: Staatsanwaltschaft gerät in Erklärungsnot
Die Staatsanwaltschaft Hannover gerät in der Verhandlung um einen mutmaßlich korrupten Staatsanwalt immer mehr in Bedrängnis. Der Staatsanwalt soll gegen finanzielle Entlohnung vertrauliche Informationen an Dritte weitergeleitet haben. Die Staatsanwaltschaft in Hannover soll durch anonyme Quellen von den Vorwürfen gewusst haben.
ndr.de
Recherche: Umgeht Tesla in Deutschland und den Niederlanden Steuern?
Nach einer Recherche des Magazins Follow the Money versucht der E-Auto- Konzern Tesla von Elon Musk, Steuern zu vermeiden. Er nutzt dafür offenbar ein Netz von Tochtergesellschaften zum Verschieben von Gewinnen.
derstandard.de

Faktencheck

Auf X und Telegram kursiert ein angeblicher Videobericht eines südafrikanischen Senders, wonach Selenskyj für 1,6 Milliarden Dollar eine dortige Platinmine gekauft habe. Doch die Geschichte stimmt nicht, das Video ist gefälscht.
correctiv.org
Endlich verständlich
Jede und jeder hat ihn – aber seinen Hintergrund kennen nicht alle: den Nachnamen. Wie Nachnamen entstanden sind und was sie über unsere Geschichte verraten, erklärt n-tv.
n-tv.de
So geht’s auch
Beim Familientreff ist mal wieder der Klimaleugner-Onkel dabei? Hilfestellung, wie man dessen Falschinfos entlarvt, liefert das CORRECTIV.Faktencheck-Team mit dieser fiktiven Grillparty.
correctiv.org
Fundstück
Die A100 in Berlin bekommt eine neue Brücke. Wer den Baggern aus der Ferne zuschauen will, findet hier den Livestream zur Baustelle.
deges.de
Wenn ich über unsere Recherchen zum Kohlekonzern LEAG spreche, muss ich oft weit ausholen. Obwohl der Konzern in der Lausitz ähnlich viel Braunkohle abbaggert wie RWE, kennt ihn kaum jemand.
Nicht so am vergangenen Samstag: In Cottbus organisierte die Organisation „Beyond Fossil Fuels“ eine Konferenz zum tschechischen Mutterkonzern EPH hinter der LEAG. Menschen aus der Zivilgesellschaft diskutierten mit Journalistinnen und Aktivisten.
Die Themen waren vielfältig: Ich berichtete, wie die LEAG die Trinkwasserversorgung in der Lausitz gefährdet. Aktivistinnen warnten, dass EPH aktuell die Firmenstruktur so umgestalte, dass eine „Bad Bank“ entstehe (in diesem Video einfach erklärt). Das Risiko: Durch eine strategische Insolvenz könne der Konzern die hohen Kosten für die Renaturierung der Kohleregion umgehen.
Vorwürfe gegen die LEAG landen nun sogar vor Gericht: Vor wenigen Tagen reichte die Deutsche Umwelthilfe Strafanzeige ein. Sie wirft dem Konzern unter anderem vor, Emissionen zu verschweigen und die Renaturierungskosten zu verschleiern.
Wie es in der Lausitz weitergeht und ob die Anzeige Erfolg hat, verfolgen wir in der CORRECTIV-Klimaredaktion natürlich weiter für Sie.

Nicht nur in Europa, auch auf den meisten anderen Kontinenten gab es eine Rekord-Durchschnittstemperatur.
climate.copernicus.eu
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Jule Scharun sowie Katarina Huth und Gesa Steeger (beide CORRECTIV.Klima).
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