
Wer derzeit mit der Fähre Richtung Kopenhagen reist, begegnet fast einem russischen Marineschiff, das nicht weit vor der Insel Fehmarn liegt. Mit drehenden Radargeräten an Deck beobachtet es wohl eine wichtige Tankerroute vor der Lübecker Bucht.
Das Schiff, das auch zum Zeitpunkt der Drohnenflüge über Dänemark in der Gegend war, steht für Russlands Nadelstiche, Europa zu provozieren. Und es ist ein deutliches Zeichen, wie nah Russlands Bedrohung an uns dran ist, selbst wenn es nur um eine profane Fährfahrt nach Kopenhagen geht.
In der dänischen Hauptstadt läuft gerade Wahlkampf um den Stadtrat. Am vergangenen Dienstagmorgen läuft ein Kandidat durch den Nieselregen an der Uferpromenade Kopenhagens entlang und verteilt Wahlkampf-Flyer. Es geht ihm ums Klima. Und, hey: Kopenhagen ist ja wirklich eine nachhaltige Stadt geworden, mit Rad-Highways und Touristen, die fürs Müllsammeln bezahlt werden. Aber das Wohnen in dieser schönen Stadt ist nahezu unbezahlbar. Es ist das bestimmende Wahlkampfthema – nicht nur hier, wo die finanzielle Ungleichheit das Wohnen zur Existenzfrage macht.
Einmal über den Atlantik geschaut – in New York: Hier wird aller Wahrscheinlichkeit nach kommende Woche der Polit-Aufsteiger des Jahres, Zohran Mamdami gewählt werden. Ihm geht es – Überraschung – vor allem um bezahlbaren Wohnraum und kostenlose Busse. Mamdami ist das Gegenbild zu Donald Trump, der Gute-Laune-Instagram-Star im Vergleich zu dem Schlechte-Laune-Truth Social-Präsidenten.
Nur: Weder in Kopenhagen noch in New York wird es absehbare Lösungen geben.
Bei kaum einem Thema wirkt die Politik so hilflos wie beim Wohnungsmarkt. Selbst mit der Mietpreisbremse bleibt Wohnen in Städten eine Existenzfrage. Als wir 2018 unsere große Bürgerrecherche „Wem gehört Hamburg“ und „Wem gehört Berlin“ starteten, gab es unglaublich viele Ideen, Initiativen und Debatten dazu. Aber der Wohnungsmarkt ist wie eine Walnuss, für die das Werkzeug zum Öffnen fehlt.
#besserwohnen: Ihre Erfahrungen
Dranbleiben ist die Devise. Diese Woche startete die Aktion #besserwohnen – Wie wohnt Deutschland von der ARD. Wir sind bei dem Projekt einer der Partner und bringen unsere Erfahrungen aus den Bürgerrecherchen hier ein. In einer großen Umfrage (hier teilnehmen) können Sie ab jetzt Ihre Erfahrungen als Mieterinnen und Mieter loswerden – gerade weil die Recherche die Frage aufwirft, wie ein sozial ausgewogenes Miteinander überhaupt möglich ist, wenn der finanzielle Druck beim Wohnen so hoch ist.
Was mir bei unseren Recherchen damals im Kopf blieb, war die große Macht der Investoren, die soziale Auflagen der Städte so hart umgingen, dass selbst kleine Stellschrauben der Politik verpufften. Vielleicht muss der Druck wachsen, dass Städte selbstbewusster Regeln aufstellen und anwenden.
Abstimmen beim Cartoon der Woche
Haben Sie schon einen Favoriten für unseren Cartoon der Woche? Hier gibt es nochmal einen Überblick zu unserer Aktion der vergangenen Woche. Fünf Cartoonisten haben ihre Sicht auf das Thema Wehrpflicht für uns auf Papier gebracht. Sie können hier abstimmen, welches Bild Ihnen am besten gefällt.
Und weil es heute so viel um Städte geht, empfehle ich Ihnen noch den Spaziergang am Ende dieses SPOTLIGHTS, zu dem Sie meine Kollegin Lena Schubert auf den Kirchturm in Vaihingen an der Enz mitnimmt. Der Bürgermeister beschreibt dort von oben das Solardach-Potenzial seiner Stadt. Der Spaziergang fand im Rahmen unseres „Wärmewende“-Projektes mit dem SWR statt, das noch bis Ende nächster Woche läuft. Mehr dazu hier.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende (nach dem Geister-Spuk gestern Abend), natürlich wie immer mit unseren Empfehlungen der Woche!
Herzlich,
Ihr Justus von Daniels

Recherchen der Woche
Wenn die Klimakrise zuschlägt
Der Klimawandel entwurzelt Millionen Menschen. Auch ganz in unserer Nähe. Sie finden sich wieder in einer veränderten Welt und haben uns viel zu sagen. Die Reportage Displaced vom Stern zeigt, wie die Klimakrise weltweit Leben verändert: Von Fluten bis Dürren verlieren Menschen ihre Heimat und suchen trotz Zerstörung nach einem neuen Anfang.
Die Heimatlosen (stern.de)
KI: Ausbeutung in Kenia
In Nairobis Hinterhöfen sitzt Noah an einem alten Laptop. 15 Stunden am Tag markiert er Bordsteine, Verkehrsschilder und Schatten – für ein paar Cent. Seine Arbeit trainiert Künstliche Intelligenz, damit Autos einparken und Supermärkte effizienter arbeiten. Während westliche Firmen vom KI-Boom profitieren, wächst im globalen Süden das digitale Proletariat, wie die Zeit recherchiert hat.
Der Datenproletarier (zeit.de, €)
Schicksale hunderter Jahre deutsche Migration
Deutsche Auswanderer haben über Jahrhunderte die Welt geprägt. Was 1618, zu Beginn des 30-jährigen Krieges am Rhein begann, wird zur Geschichte einer Migration über drei Jahrhunderte und vier Kontinente. Millionen Deutschsprachige flohen vor Verfolgung, Hunger und Kälte, suchten in der Ferne ein besseres Leben – und wurden dabei oft zu Spielbällen im Machtkampf um neue Territorien.
Auswandern! Deutsche Schicksale aus drei Jahrhunderten (arte.tv)
Rechtsextremismus: Wenn Lehrer und Schüler eingeschüchtert werden
Der Lehrer Tristan Härter wurde an seiner alten Schule von Rechtsextremen bedroht und diffamiert, bis er floh. Eine gemeinsame Recherche von Stern und RTL zeigt: An deutschen Schulen nehmen rechtsextreme Vorfälle stark zu. Lehrkräfte und Schüler werden eingeschüchtert, während die AfD gezielt Druck auf Schulen ausübt und das Neutralitätsgebot für politische Zwecke instrumentalisiert.
Erste Stunde Mathe, zweite Stunde Deutsch, große Pause Hitlergruß (stern.de, €)

CORRECTIV Inside
Vom Kirchturm aus ist von der Wärmewende in der Vaihinger Altstadt nichts zu sehen: Keine Dämmung verdeckt das Fachwerk, auch Solaranlagen und Wärmepumpen fehlen. Das soll so sein, erklärt Bürgermeister Uwe Skrzypek mit Blick über die Brüstung.
Der Aufstieg ins Abendrot ist Teil des PopUp Studios von SWR und CORRECTIV: Bürgerinnen und Bürger erfahren bei einer Tour, wie die Wärmewende in der Altstadt gelingt. Dicht an dicht stehen hier denkmalgeschützte Häuser, Klimaschutz muss sich nahtlos ins Stadtbild einfügen. Wie das klappt, zeigt der Blick von oben: Solarkollektoren werden farblich ans Dach angepasst oder auf Flächen montiert, die vom Turm aus nicht sichtbar sind.
Klar: Sonnenwärme allein kann die Altstadt nicht beheizen. Unter dem Pflaster liegen Wärmenetze. Im Rathauskeller besichtigen Bürgerinnen und Bürger den Anschluss: Rohre und ein Kasten, kaum größer als eine Werkzeugbox. Dennoch heizt hier bisher fast niemand mit Nahwärme. Nur für Großverbraucher lohnt sich der Anschluss.
Viele Bürgerinnen und Bürger müssen andere Wege finden. Ein Alteingesessener hat sein Fachwerkhaus auf eine Wärmepumpe umgestellt. Dem Bürgermeister selbst fehlt dafür in seiner sanierten Wohnscheune der Platz. Er heizt vor allem mit Sonnenenergie, im tiefsten Winter hilft eine Gastherme. Zumindest, bis es Wärmepumpen gibt, die in Mauernischen passen.Wenn Sie das Wärmewende-Panorama selbst sehen wollen, empfehle ich Ihnen die Reportage zur Tour. Nächste Woche ziehen SWR und CORRECTIV weiter nach Lörrach. Was wir aus Vaihingen mitnehmen: Die Wärmewende bedroht historische Orte nicht. Im Gegenteil: Klimaschutz ist Denkmalschutz. Denn wo Wetterextreme zunehmen, bedrohen sie auch Altstädte.

Grundsteuer: Viele Kommunen missachten Steuerversprechen
Die Grundsteuerreform sollte die Besteuerung von Grundeigentum in Deutschland gerechter machen. Steuererhöhungen schloss der damalige Finanzminister Olaf Scholz 2019 aus. Doch eine Datenauswertung von CORRECTIV und Finanztip zeigt: Viele Kommunen erhöhen die Kosten – und missachten die Empfehlungen der Bundesländer. In Hessen überschreiten rund 80 Prozent der Gemeinden die Vorgaben, in Sachsen knapp ein Fünftel. Doch dafür gibt es Gründe.
correctiv.org
Trotz Kritik: Forschungsministerium fördert umstrittenes Projekt gegen Antisemitismus
Das Forschungsministerium fördert seit Juli 2025 ein Projekt gegen Antisemitismus an Schulen. Das Projekt wird von dem Islamismus-Experten Ahmad Mansour geleitet. Doch von CORRECTIV gesichtete Unterlagen lassen vermuten, dass wissenschaftliche Standards verletzt werden.
correctiv.org
Viel Vermögen – wenig Steuern: So profitieren Super-Reiche
Eine Allianz aus Bürgerlichen und Wirtschaftsverbänden wehrt sich gegen höhere Steuern für die Reichsten. Sie geben vor, für Familienunternehmen zu stehen, drohen mit Wegzug und damit verbundenem Steuerverlust. Recherchen von CORRECTV.Schweiz und der WOZ zeigen, wie wenig sie schon zahlen.
correctiv.org
Deutscher Abschied von russischem Flüssiggas
Die deutsche Firma SEFE nimmt immer noch russisches Flüssiggas ab. Ein neues EU-Gesetz und ein Sanktionspaket könnten den Import jedoch bald beenden. Bislang steckte das Unternehmen durch einen Altvertrag wohl in einem Dilemma.
correctiv.org
Sinnvolle Vorsorge gegen Kriegspanik: So will die Regierung Deutsche wappnen
Deutschland rüstet sich für den Ernstfall. Das BMI gibt Krisentipps, Alexander Dobrindt will Schülerinnen auf Notlagen vorbereiten. Und ein Leser fragt CORRECTIV: „Muss ich schon Reis im Keller lagern?“ Wie das Innenministerium reagiert – und welche Dinge Sie tatsächlich daheim haben sollten.
correctiv.org
„Ein erschreckendes Bild“: Gemeinde-Webseiten sind nicht barrierefrei
Bereits 2020 haben sich Schweizer Städte und Gemeinden dazu verpflichtet, ihre Webseiten und Apps barrierefrei zu machen. Eine Recherche von CORRECTIV.Schweiz in Kooperation mit der Stiftung Zugang für alle zeigt nun: Keine einzige der von uns untersuchten Gemeinde-Webseiten ist vollkommen barrierefrei.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Max Bernhard, Elena Kolb und Finn Schöneck.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Nur mit Ihrer Hilfe decken wir geheime Pläne auf, stoppen Propaganda-Kampagnen und bringen Fakten zurück in den Alltag. Machen Sie mit bei unserer großen Spendenaktion gegen Demokratiefeinde. Investieren Sie in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie!


