
Flood the zone with violence: In Kalifornien kam es durch den Einsatz der Nationalgarde zu Gewalt. Und gestern wurde ein Mitglied des amerikanischen Senats kurzzeitig in Handschellen gelegt, weil er auf einer Pressekonferenz Fragen an die amerikanische Heimatschutzministerin gestellt hatte.
Ist die Abwandlung von mir die nächste Stufe einer autoritären Regierung, nach „Flood the zone with shit”? Dieser Ausspruch stand bisher dafür, wie die öffentliche Debatte dadurch zerstört wird, dass einfach so viel krudes Zeug gleichzeitig verlautbart wird, dass die Medien und die Öffentlichkeit vollends verwirrt werden: Was meint die Regierung ernst und was sind nur hohle Phrasen sind, die von grenzüberschreitenden Regierungs-Manövern ablenken sollen.
Nun also Gewalt. Häppchenweise. Natürlich waren die Handschellen ein Missverständnis. Sagt die Ministerin. Wie viele weitere Missverständnisse braucht es, damit sich die Gewalt von oben weiter Bahn bricht?
Zeitgleich erleben wir den Angriff Netanjahus auf den Iran. Auch er ist ein autoritärer Staatenlenker. Gewalt ist für ihn das nächstliegende Mittel der Politik und je mehr Feuerherde er entfacht, desto unübersichtlicher wird’s. Das nützt nur ihm. Über die Hintergründe hat meine Kollegin Anette Dowideit gestern geschrieben.
Was ist daran zu ändern? Wir sind weit weg, und doch nah dran. Einem US-Amerikaner stockte bei einem Vortrag in Berlin vorgestern, den ich hören durfte, die Stimme, als er über sein Land sprach. Er konnte sich vor Kurzem nicht vorstellen, was zurzeit geschieht. Das sollte Ansporn sein für uns, sich klar gegen jede autoritär angehauchte Idee in Deutschland oder in Europa zu stellen.
Ein kleiner und gleichzeitig für uns bedeutender Lichtblick: Neben dieser Palme eröffnet kommenden Freitag tatsächlich unser Spotlight Gelsenkirchen: Journalismus mit Kaffee. Wenn Sie in der Nähe sind, kommen Sie zur Feier vorbei: hier geht’s zur Anmeldung. Ich hatte an dieser Stelle vor zwei Wochen darüber geschrieben. Und das Tolle: von Ihnen kamen sofort Ideen, Standortvorschläge und Lust auf weitere SPOTLIGHT-Cafes bei Ihnen vor Ort: Zum Beispiel in Karlsruhe, Hamburg, Leverkusen, Fürstenfeldbruck. Ja klar! Wenn’s läuft, dann sollten wir weiter(er)öffnen. Danke für ihre Ermutigung (immer wieder)!

Meine Kollegin Gesa Steeger schreibt heute im Correctiv.Inside am Ende dieses Spotlight über das sonderbare Schweigen der Banken. Sie hatte zusammen mit Gabriela Keller recherchiert, wie es die Finanzwelt mit dem Klimaschutz hält und gibt Ihnen unten einen spannenden Einblick hinter die Recherche.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende, natürlich auch mit unseren kuratierten Empfehlungen der Woche!
Mit besten Grüßen,
Ihr
Schwerer Start in der Grundschule
Vor zwei Jahren machte die Gräfenauschule in Ludwigshafen das erste Mal Schlagzeilen: Knapp 40 Kinder mussten damals die erste Klasse wiederholen. Die Direktorin der Grundschule wandte sich mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit. Für eine Dokumentation der ARD begleiteten Journalistinnen danach ein Jahr lang eine erste Klasse der Gräfenauschule. Die Doku zeigt, dass die Ludwigshafener Grundschule kein Einzelfall ist, sondern macht die strukturellen Probleme sichtbar, mit denen Lehrkräfte und Erzieherinnen jeden Tag kämpfen müssen. Und sie erzählt, wie Bildungsbehörden Lehrkräfte unter Druck setzen, die täglichen Herausforderungen nicht öffentlich zu machen.
Abgehängt schon in der Grundschule? (ardmediathek.de, Video)
Maskenaffäre um Spahn: Mails bringen Ex-Minister unter Druck
Der Sonderbericht zu den Maskengeschäften wird für Jens Spahn mit jeder neuen Enthüllung brisanter. Nun rücken Mails in den Fokus, die Deutschland Hunderte Millionen Euro kosten könnten. Im März 2020 erhöhte Spahns Ministerium den Preis für FFP2-Masken gegen den Rat eigener Experten von 3 auf 4,50 Euro. Laut Bericht führte dies zu Mehrkosten von fast 470 Millionen Euro. Außerdem genehmigte Spahn per knapper Mail den Kauf von 100 Millionen Masken beim Unternehmen Emix.
»Jetzt will ich rechtlich verbindlich das Zeug ;-)« (spiegel.de, €)
Die zweifelhafte Karriere eines Papageienschützers
Der Spixara, eine fast ausgestorbene Papageienart, rückt durch einen Ex-Türsteher aus der DDR ins Rampenlicht. Sein Aufstieg zum umstrittensten Artenschützer der Welt wirkt spektakulär – doch treibt ihn wirklich der Artenschutz, oder steckt Geschäft dahinter? Die Reporter der Süddeutschen Zeitung folgen seiner Spur von Brandenburg bis nach Indien und enthüllen in ihrem Podcast die Verbindungen zum illegalen Wildtierhandel.
Papageienkönig (sueddeutsche.de, Podcast)
Überlebender von Folter kämpft für Gerechtigkeit
In libyschen Flüchtlingslagern werden Menschen gefoltert und ausgebeutet – Europa sieht weg. David Yambio, der diese Gräuel selbst erlebte, kämpft dafür, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Der Artikel der Zeit beschreibt, wie Yambio das erreichen will.
Der Zeuge (zeit.de)

CORRECTIV Inside
Selten haben meine Kollegin Gabriela Keller und ich so viel Mühe gehabt, willige Gesprächspartner zu finden, wie bei dieser Recherche. In den vergangenen Wochen sind wir der Anti-ESG-Bewegung nachgegangen, sprich der Strategie, Nachhaltigkeits-Ziele abzuschaffen. In den USA steht die Finanzbranche derzeit massiv unter Druck: Unternehmen, die bei ihren Investitionen Kriterien wie Gleichstellung oder Umweltverträglichkeit berücksichtigen, geraten zunehmend in die Defensive. Dahinter steckt eine ultrarechte Lobby, die gezielt den Klimaschutz schwächen will.
Auch in Deutschland zeigt dieser Widerstand gegen nachhaltige Finanzanlagen Wirkung. Ein aktuelles Beispiel: In dieser Woche trat der Versicherer Munich Re aus mehreren freiwilligen Klimaabkommen aus – mit Verweis auf rechtliche Unsicherheiten.
Doch nicht alle Unternehmen kommunizieren so offen wie Munich Re. So verschlossen wie bei dieser Recherche haben Gabriela Keller und ich selten Gesprächspartner erlebt. Von rund 30 angeschriebenen Finanz- und Versicherungsunternehmen antwortete nur ein Bruchteil. Und selbst in Hintergrundgesprächen – also unter der Bedingung, nicht zitiert zu werden – äußerten sich viele nur sehr zurückhaltend.
Ob dahinter allein die Sorge vor rechtlichen Konsequenzen steckt oder auch die Angst um das eigene Image, ist schwer zu sagen. Einer unserer Gesprächspartner merkte an, dass der derzeitige Trend – Klimaverpflichtungen stillschweigend aufzugeben oder Diversitätsziele ohne sichtbaren Widerspruch zu streichen – den Eindruck erwecken könne, Nachhaltigkeit sei ohnehin nie ernst gemeint gewesen.
Wie es mit der Anti-ESG-Bewegung in Deutschland weitergeht, werden wir weiterhin für Sie beobachten.

Die Woche bei CORRECTIV

Russlands Verbindungsmann in Mecklenburg-Vorpommern
In kaum einem Bundesland sind die deutsch-russischen Verflechtungen so dicht und tief wie in Mecklenburg-Vorpommern. Zentrale Figur über Jahre war der Leiter des Wirtschaftsbüros der Russischen Botschaft. Seine Spuren zeigen, wie strategisch Russland seine Beziehungen ausbaute.
correctiv.org
Kitas und Schulen: Was die wichtigsten Bildungspolitikerinnen bewegen wollen
Kaum Personal, kaum Geld, dafür umso mehr soziale Ungleichheit. CORRECTIV hat die neuen Schlüsselakteure im Bundestag befragt, was sie dagegen tun wollen – und ihre Biografien analysiert.
correctiv.org
Neuer Spionagefall an TU München? Staatsanwaltschaft ermittelt gegen chinesische Studentin
Die Technische Universität München steht im Zentrum eines mutmaßlichen neuen Spionagefalls: Nach CORRECTIV-Informationen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen eine Studentin chinesischer Herkunft. Sie wird verdächtigt, Dienstgeheimnisse weitergegeben zu haben.
correctiv.org
Angst vorm Klima: Finanzfirmen machen grüne Rolle rückwärts
Die Trump-Regierung macht Druck auf Banken und Investoren, die ökologische und soziale Ziele verfolgen. Auch in Deutschland weichen Finanzfirmen von ihren freiwilligen Verpflichtungen zurück. ESG – lange Zeit der große Hype auf dem Finanzmarkt – verliert an Bedeutung.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Martin Böhmer, Sebastian Haupt, Miriam Lenz und Finn Schöneck.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.